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Kapitel 1 - Lee & Ditko: Meister ihres Fachs
Lee & Ditko: Meister ihres Fachs
1961 - 1966



Aller Anfang ist schwer

Wir befinden uns in den frühen sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, genauer gesagt: Im Jahr 1961. In jüngster Zeit haben Superheldencomics, die nach Ende des Zweiten Weltkriegs - mit Ausnahme von Superman, Batman und Wonder Woman - beinahe ausgestorben waren, wieder Hochkonjunktur. Das "Silver Age" ist in vollem Gange. Schuld daran ist neben dem DC-Verlag, der Figuren wie Flash und Green Lantern erfolgreich reanimiert und die heute legendäre "Justice League of America" aus der Taufe gehoben hat, auch die Konkurrenz, die "Marvel Comics Group".
Nahezu im Alleingang haben Autor Stanley Lieber alias Stan Lee und Zeichner Jack Kirby Figuren wie die Fantastischen Vier ("Fantastic Four"), den unglaublichen Hulk, den mächtigen Thor und Ant-Man geschaffen und mit Namor, dem Sub-Mariner sogar einem "Golden Age"-Veteranen zum Comeback verholfen. In den folgenden Monaten sollten weitere große Namen wie die X-Men, der Silver Surfer oder die Rächer ("Avengers") folgen, doch im Moment hat Stan Lee ein Problem: Sein Herausgeber Martin Goodman weigert sich, Lees Idee für eine neue Serie um einen jugendlichen Superhelden namens Spider-Man grünes Licht zu geben.

Recht hat er! Spinnen sind ekelhaft!

Gründe, die gegen Lees Idee sprachen, hatte Goodman genug:
- "Ihr könnt einen Helden nicht 'Spider-Man' nennen - Spinnen sind ekelhaft! Die Leute hassen Spinnen!"
- "Ihr könnt keinen Jugendlichen zum Helden einer eigenen Serie machen - Teenager eignen sich höchstens als Junior-Partner!" (Wer kennt nicht die berüchtigten "Sidekicks", die "Identifikationsfiguren für die jugendlichen Leser", angefangen von Batmans Robin über Captain Americas Bucky Barnes bis hin zum Justice League-"Maskottchen" Snapper Carr?)
- "Ihr könnt euren Helden doch nicht zu einem normalen Typen mit menschlichen Problemen machen! Helden kennen keine gewöhnlichen Probleme! Deshalb sind sie ja Helden!"
- "Ihr könnt keinen Helden schaffen, der nicht groß, gutaussehend und in jeder Hinsicht beeindruckend ist!"

Nix zu verlieren

Doch Stan Lee gab nicht so leicht auf. Sein Konzept war einfach zu gut, um es fallenzulassen. Für die Kräfte seines Helden hatte er sich sogar eine plausible Erklärung ausgedacht: Tatsächlich können echte Spinnen und Insekten ein Vielfaches ihres Körpergewichtes heben und besitzen somit, für ihre Maßstäbe, "Superkräfte" (eine Idee, auf die schon Jerry Siegel und Joe Shuster in "Action Comics" #1, dem ersten Heft mit dem legendären Superman, zurückgegriffen hatten). Den Namen wiederum hatte er einem Groschenroman entlehnt, den er in seiner Jugendzeit gelesen hatte und dessen Hauptfigur den beeindruckenden Namen "The Spider, Master of Men" trug.
Wie es der Zufall so wollte, gab es zu jener Zeit eine Serie, die kurz vor ihrer Einstellung stand. 1961 unter dem Titel "Amazing Adventures" gestartet, bot die ab Heft 6 in "Amazing Adult Fantasy" umbenannte Anthologien-Reihe Science-Fiction- und Fantasy-Geschichten mit wechselnden Hauptfiguren. Doch die Verkaufszahlen von "Amazing Fantasy" ließen ab Heft 10 nach, und so entschloß man sich, die Serie mit der Nummer 15 einzustellen.
Stan Lee wollte nun diese Gelegenheit nutzen, um die Geschichte über den seltsamen Helden, die - nach Meinung Goodmans - niemand lesen wollte, in der letzten Ausgabe einer Serie zu veröffentlichen, die so oder so zum Tode verurteilt war. Wenn das Heft ein Flop würde: kein Problem, die Serie sollte ja sowieso eingestellt werden.

Am Anfang war das Wort - und dann?

Ursprünglich hätte auch die Geschichte mit Spider-Man, so wie die meisten anderen Superhelden-Serien von Marvel, von Jack Kirby gezeichnet werden sollen. Doch als Lee die ersten Probezeichnungen sah, lehnte er sie ab - sie waren einfach zu gut. Zwar gefiel ihm Kirbys Entwurf des Kostüms (was Kirby später zu dem Irrglauben verleiten sollte, er selbst habe Spider-Man ganz allein erschaffen), doch seine Interpretation des Titelhelden entsprach eher dem von Goodman geforderten Ideal des "großen, starken Überhelden" denn dem "Durchschnittstypen", den Lee im Sinn hatte. So kam es, daß Steve Ditko, der bislang eher als Fantasy- und Monster-Zeichner galt, den "ekelhaften Spinnentypen" aufs Papier bannen durfte, was sich im Nachhinein als echter Glücksgriff erweisen sollte: Der eher schlichte Zeichenstil Ditkos sollte später zum Markenzeichen der ersten Spider-Man-Hefte werden. Nur das Cover wurde von Kirby gezeichnet.

So weit, so gut... aber wer IST nun dieser Spider-Man?

"Amazing Fantasy" #15 machte den Leser mit der Figur des Peter Parker vertraut, der Schüler an der Midtown High School in New York City ist. Peter lebt bei seinem Onkel Ben und seiner Tante May (damals war es üblich, Figuren zu "veronkeln", um allzu neugierige Fragen der Leser über das Zusammenleben mit den Eltern zu vermeiden, man denke nur an Donald Duck und seine Neffen - erst Jahre später sollte der Leser die Wahrheit über Peters Eltern erfahren), die ihn verhätscheln. Doch trotz oder gerade wegen seiner guten Noten ist der eher unsportliche Peter ein Außenseiter, der von seinen Mitschülerinnen links liegen gelassen und dem Sportass der Schule, "Flash" Thompson, schikaniert wird.
Alles soll sich ändern, als Peter im Verlauf einer Vorführung zum Thema "Radioaktivität" versehentlich von einer verstrahlten Spinne gebissen wird, die durch diesen Biß ihre Kräfte und Fähigkeiten auf ihn überträgt. Peter testet seine neugewonnenen Kräfte sogleich im Kampf gegen einen Wrestler namens "Crusher" Hogan und kassiert neben dem Preisgeld auch noch ein Engagement für eine Fernsehshow.
In einem selbstentworfenen Kostüm wird er als "Spider-Man" bald berühmt (einer seiner treuesten Fans wird ironischerweise ausgerechnet Flash Thompson), doch der Ruhm steigt ihm zu Kopf: Überzeugt davon, daß ihn als "Star" das nichts angehe, läßt er einen Dieb entkommen, den er mit Leichtigkeit hätte aufhalten können. Als er wenig später nach Hause kommt, muß er erfahren, daß sein Onkel Ben von einem Einbrecher ermordet wurde. Voller Wut spürt er als Spider-Man den Täter auf und muß zu seinem Entsetzen erkennen, daß es sich bei dem Mörder um den Dieb handelt, den er zuvor hatte entkommen lassen.
Peter erkennt, daß "aus großer Macht auch große Verantwortung folgt" - ein Satz, der bis heute mit der Figur des Netzschwingers assoziiert wird - und beschließt, seine Kräfte künftig für das Gute einzusetzen.

Auch ein Herausgeber kann sich irren

Nachdem das Heft erschienen war, wurde "Amazing Fantasy" wie geplant eingestellt, Lee wandte sich wieder Marvels "Superstars" zu und vergaß Spider-Man. Doch dann, ein paar Monate später, als die Verkaufszahlen hereinkamen, geschah etwas, was keiner der Beteiligten in seinen kühnsten Träumen für möglich gehalten hätte: "Amazing Fantasy" #15 wurde nicht nur kein Flop, sondern sogar der größte Verkaufserfolg des Jahres. Es schien, als hätte Stan Lee mit seiner neuesten Kreation genau den Nerv der Leser getroffen. Der Held, der in ihrem Alter war und sich mit Problemen herumschlagen mußte, die viele von ihnen aus erster Hand kannten und genau so oft verlor, wie er gewann, war eine weitaus bessere Identifikationsfigur als die immer gleichen Teenie-Sidekicks, die für ihre erwachsenen Partner oftmals wenig mehr als einen lästigen Anhang darstellten.
Nach dem überwätigenden Erfolg von "Amazing Fantasy" #15, das laut Cover im August 1962 erschienen war (was bedeutet, daß es im Frühjahr 1962 erschienen ist - ein damals gerne verwendeter Trick, um ein Heft aktueller erscheinen zu lassen, als es tatsächlich war), für den die ebenfalls enthaltenen, eher konventionellen Kurzgeschichten über den "Glöckner", den "Mann im Sarkophag" und die "Marsianer" wohl weniger verantwortlich gewesen sein dürften, entschieden Lee und Goodman, "Amazing Fantasy" ruhen zu lassen und dem Spinnenmenschen statt dessen eine fortlaufende Serie zu gegeben, die ab Ende 1962/Anfang 1963 - man berücksichtige den redaktionellen Vorlauf - zunächst zweimonatlich an die Kioske kommen sollte. Erst mit Erscheinen von Ausgabe 5 sollte "The Amazing Spider-Man" dann eine monatliche Serie werden.

Anschnallen, das Rauchen einstellen - es geht los

Zwar hatte Spider-Man bewiesen, daß er selbst in einer dem Untergang geweihten Serie Erfolg haben konnte, dennoch verfiel man bei Marvel nicht gleich in überschwengliche Euphorie, sondern ging lieber erst mal auf Nummer sicher: Das erste Heft der neuen Serie "The Amazing Spider-Man" (womit das Attribut "Amazing" aus den "Amazing Adventures" weiterlebte), das mit "Cover Date" vom März 1963 erschien, zeigte auf dem von Jack Kirby gezeichneten Cover neben dem Titelhelden auch die zu jener Zeit bereits enorm erfolgreichen Fantastischen Vier, um die Fans des Heldenquartetts dazu zu animieren, auch mal in die Abenteuer des Netzschwingers hineinzuschnuppern (bis heute sind solche Gastauftritte und "Crossover" eine gerngesehene Methode, um Serien gegenseitig zu bewerben).
Das Heft selbst enthielt neben der Begegnung Peter Parkers mit Marvels "First Family" (die noch im selben Jahr im "Fantastic Four Annual" #1 viel ausführlicher geschildert werden sollte) auch den ersten Auftritt eines von Spider-Mans bis heute größten Feinden: J. Jonah Jameson, seines Zeichens Herausgeber des "Now! Magazine" und des "Daily Bugle", ist fest entschlossen, der Welt zu beweisen, daß Spider-Man eine Bedrohung für die Allgemeinheit ist. Um dieses Ziel zu erreichen, nimmt er es auch mit der Wahrheit nicht immer allzu genau. Selbst als Spider-Man Jamesons Sohn, den Astronauten John Jameson, rettet, dessen Raumkapsel auf die Erde zu stürzen droht, stellt Jameson es so dar, als habe Spider-Man die Kapsel selbst sabotiert, um später als Held dazustehen.
Darüber hinaus enthielt das Heft den ersten Auftritt des ersten "richtigen" Gegners: Das Chamäleon, dem damaligen Zeitgeist entsprechend ein russischer Spion, der - natürlich - die schlechte Publicity Spider-Mans für seine Zwecke ausnutzen will. Zwar gelingt es Peter am Ende, den Schurken dingfest zu machen und seine Unschuld zu beweisen, doch sein Ansehen in der Bevölkerung bessert sich dadurch nicht sonderlich.

Viel Feind, viel Ehr

In den folgenden Heften bekam Spider-Man noch mehr Probleme, als seine Schurkengalerie um den Geier (Heft 2), den "Bastler" (ebenfalls Heft 2, damals noch als Mitglied einer Invasionsstreitmacht Außerirdischer, die in späteren Heften zu kostümierten Schauspielern um"erklärt" wurden), Dr. Octopus (Heft 3, er war auch der erste, der Spider-Man eine vernichtende Niederlage beibrachte; erst eine Rede der Fackel von den Fantastischen Vier motivierte diesen, den Kampf gegen Octopus erneut aufzunehmen und ihn diesmal auch zu schlagen), den Sandman (Heft 4), Dr. Doom (Heft 5; eigentlich der Erzfeind der Fantastischen Vier, die bei der Gelegenheit auch mal wieder vorbeischauen durften), die Echse (Heft 6), Electro (Heft 9), die Enforcers (Heft 10), deren Anführer, der "Big Boss", sich als der Daily Bugle-Reporter Frederick Foswell entpuppte, Mysterio (Heft 13), der sich Jahre später ebenfalls als einer der "Außerirdischen" des Bastlers herausstellen sollte, und schließlich, in Heft 14, den Grünen Kobold erweitert wurde. Letzterer sollte sich im Laufe der Zeit zum ultimativen Gegenspieler des Wandkrabblers entwickeln.

Hey, Moment mal, wie war das - der Typ ist ein Loser?

Einer der wichtigsten Gründe für die Popularität Spider-Mans war und ist mit Sicherheit seine Bodenständigkeit. Er ist kein Außerirdischer, der mit seinen übermenschlichen Kräften die Menschheit rettet, kein Millionär, der sich nachts in ein Fledermauskostüm wirft, kein patriotischer Nationalheld aus dem Zweiten Weltkrieg und erst recht kein leibhaftiger Gott. Statt dessen muß er sich mit alltäglichen Problemen wie Geldsorgen, einer kränklichen alten Tante, die ihn mit ihrer Liebe schier erdrückt (was Peter aber nie zugeben würde) und sein anderes Ich Spider-Man regelrecht fürchtet, Frauen, die ihn nicht beachten sowie dem schon erwähnten Schulrowdy Flash Thompson herumschlagen. Dieser zerbricht in Heft 8 versehentlich Peters Brille, die dieser - durch den Spinnenbiß hat sich offenbar auch seine Sehschärfe verbessert - fortan nie wieder trägt - ein erster Schritt fort von seinem "Geek"-Image.
Die Serie entwickelte sich bald zu einer regelrechten "Soap Opera" mit all den für dieses Genre typischen Wendungen: Da er als Spider-Man kein Geld verdienen kann (er kann einen Scheck nicht einlösen, da er seine Identität nicht nachweisen kann), sieht sich Peter gezwungen, seine Seele an seinen schlimmsten Feind zu verkaufen - er wird Fotograf für den "Daily Bugle" und liefert künftig ironischerweise genau die Fotos, die J. Jonah Jameson braucht, um Spider-Man ein ums andere Mal niederzumachen. Dabei lernt er auch Jonahs attraktive Sekretärin, Betty Brant kennen, die Peter auch nicht gänzlich uninteressant findet. Doch das Verhältnis zwischen den beiden wird bald durch den Tod von Bettys Bruder Bennett durch die Hand von Dr. Octopus überschattet, woran auch Spider-Man nicht ganz unschuldig ist.
Ein Held, der Fehler macht, nicht selten an sich und der Welt zweifelt, häufiger verliert, als daß er gewinnt - das war ungewöhnlich, das war neu, das mochten die Leser. Der Netzschwinger war ihnen näher als irgendwelche überlegenen, makellosen Heldenideale.

Der lange Weg zum Glück

"The Amazing Spider-Man" #15 und #16 hatten, neben dem ersten Auftritt von Kraven, dem Jäger, und einem Gastauftritt von Daredevil, dem neusten Serienhelden aus dem Hause Marvel (Cross-Promotion, mal wieder), noch eine weitere Besonderheit zu bieten: Peters Tante May (die natürlich mal wieder nur das Beste für ihren Neffen will) versucht, ihn mit der - namentlich noch nicht genannten - Nichte ihrer Nachbarin Anna Watson zu verkuppeln, doch Peter lehnt ab: Zum einen hat er Zweifel, daß eine Frau, die seine Tante "nett" findet, ihm wirklich zusagen würde, zum anderen hat er schon genug Probleme mit den Frauen, da sich Betty Brant und seine Mitschülerin Liz Allen, eigentlich die Freundin von Flash Thompson, immer wieder seinetwegen streiten (und da soll noch mal einer sagen, der Typ käme bei Frauen nicht an...).

Künstlerische Freiheit

Der normale Arbeitsablauf bei der Produktion eines Spider-Man-Heftes sah so aus, daß Stan Lee einen groben Handlungsentwurf vorgab, den Ditko dann in Bilder umsetzte, die von Stan Lee wiederum durch Dialoge ergänzt wurden. Ab Heft 26 sollte Ditko die Handlung sogar ganz alleine vorgeben, während Lee weiterhin als alleiniger Autor gehandelt wurde. Die Tatsache, daß Lee Texter und Redakteur in Personalunion war und somit niemand seine Texte korrigierte, führte anfänglich zu so kuriosen Stilblüten wie "Peter Palmer" (Heft 1) oder "Super-Man" (Heft 3).
Später ging man dazu über, besonders aufmerksame Fans, die solche und ähnliche Unachtsamkeiten entdeckten, mit dem sogenannten "No-Prize" zu belohnen, einem Umschlag, der... nichts enthielt.
In Heft 18 debütierte derweil der Daily Bugle-Reporter Ned Leeds, ein Heft später folgte der Privatdetektiv Mac Gargan, der wiederum ein Heft später als "Skorpion" zu Peters neuestem Gegner werden sollte.
1964 erschien auch das erste "Annual" des Netzschwingers, eine Art "Jahres-Sonderheft". In der ersten Ausgabe verbündeten sich sechs seiner (damals) schlimmsten Feinde zu den "Sinister Six", doch auch mit vereinten Kräften können sie den Netzschwinger nicht besiegen.
Im selben Jahr erschien das erste Heft der Nachdruckreihe "Marvel Tales", das unter anderem auch Material des Netzschwingers neu auflegte. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich "Marvel Tales" zu einer reinen Spider-Man-Nachdruckreihe, die sie bis zur Einstellung mit Ausgabe 291 im Jahr 1994 auch blieb.

Die jungen Wilden
Sei es nun Cross-Promoting, sei es, daß die Kombination einfach paßte, der häufigste Gaststar in den ersten Spider-Man-Heften war ganz eindeutig die Menschliche Fackel. Der Hitzkopf Johnny Storm und der nicht minder abenteuerlustige Peter gerieten immer wieder aneinander, doch auch wenn sie es wohl nie zugegeben hätten, waren sie sich ähnlicher, als es den Anschein hatte. Letztendlich standen sie auf derselben Seite, und so kam es, daß sie am Ende ihre Differenzen immer wieder beilegten und sich gemeinsam des eigentlichen Gegners annahmen (ein Konzept übrigens, das bis heute auf etwa 99 Prozent aller Team-Ups zwischen zwei Superhelden bzw. -teams zutrifft).
Ein anderer langjähriger Verbündeter Spider-Mans war und ist Daredevil, mit dem Peter beispielsweise in Ausgabe 16 und 17 von dessen eigener Serie zusammenarbeitete. Im Gegensatz zu Johnny Storm war das Verhältnis zwischen Peter und Daredevil allerdings von Anfang an eher von gegenseitigem Respekt denn von Rivalität geprägt.

Die grüne Gefahr

In den nächsten Ausgaben wurde Frederick Foswell alias der "Big Boss", der seine Strafe verbüßt hatte, wieder vom Daily Bugle eingestellt und ließ fortan seine Kontakte zur Unterwelt spielen, um an seine Storys heranzukommen, während Peter auf neue Gegner wie einen (im Auftrag Jamesons) vom Wissenschaftler Spencer Smythe gebauten Roboter, ein Vorgängermodell der "Spider-Slayer", den "Crime Master" und den Molten Man, aber auch auf alte Bekannte wie Mysterio oder den Grünen Kobold, der sich mit dem Verbrecherboß "Lucky" Lobo anlegte, traf. Bereits jetzt zeichnete sich ab, daß der Kobold zum großen Gegenspieler werden sollte, denn kein Gegner trat so häufig auf wie der grinsende Kerl auf seinem Gleiter. Im Gegensatz zu den anderen Gegnern gelang es Peter auch nicht, ihn gefangenzunehmen, dem Kobold glückte jedesmal die Flucht. Und als wäre das noch nicht genug, kannte niemand, nicht einmal der Leser, seine wahre Identität.
Nachdem Peter in Heft 27 seine Fotos erstmals bei einer anderen Zeitung, der "Picture", angeboten hatte, und sich wunderte, daß der Chefredakteur Barney Bushkin im Gegensatz zu Jameson scheinbar nicht darauf aus war, Spider-Man niederzumachen, durfte er in Heft 28 seinen Schulabschluß feiern - eine Tatsache, die den Lesern deutlich machen sollte, daß in den Marvel-Comics tatsächlich Zeit verging, im Gegensatz zu anderen Serien, die scheinbar ewig auf der Stelle traten. Doch schon bald sollte man bei Marvel erkennen, daß ein allzu rapide alternder Spider-Man eher unvorteilhaft wäre, weshalb man den Zeitverlauf in der Folge drastisch verlangsamte.

Now I'm here... but you won't see me...

In "The Amazing Spider-Man" #25 hatte derweil eine bereits zuvor erwähnte Person ihren ersten Auftritt: Die beiden erbitterten Konkurrentinnen um Peters Gunst, Betty Brant und Liz Allen, trafen im Hause der Parkers auf die von Tante May so hochgeschätzte Nichte ihrer Nachbarin, deren Namen der Leser hier erstmals erfuhr: Mary Jane Watson, die die beiden mit einem flotten "Hallo, Mädels" begrüßte. Im Gegensatz zu Betty und Liz wurde dem Leser jedoch ihr Gesicht vorenthalten, allerdings deuteten ihre Reaktionen schon an, daß Peters Befürchtungen, Mary Jane müsse eine "langweilige" Person sein, wohl eher unbegründet waren.

And I'm giving it all...

In Heft #32 und #33 kam es zur bis dato spektakulärsten Sequenz: Auf der Suche nach einem Heilmittel für seine mal wieder erkrankte Lieblingstante gerät Peter einmal mehr an den schurkischen Dr. Octopus und wird im Kampf mit ihm unter tonnenschweren Trümmern begraben. Doch Peter wäre nicht Spider-Man, wenn er nicht alles daransetzen würde, seine Tante zu retten. So mobilisiert er seine letzten Kräfte und vollbringt tatsächlich das schier übermenschliche Wunder, sich zu befreien, Octopus zu besiegen und sogleich seine Tante zu retten. Die Szene gilt bis heute als eine der beeindruckendsten der Serie.
Nebenbei stellte auch die Rahmenhandlung ein Novum dar, die aufgrund von Ditkos zunehmendem Einfluß auf die Geschichten eine willkommene Abwechslung vom bekannten Schema "Bösewicht tritt auf und wird am Ende besiegt" darstellte: Ein ganzes Heft wurde darauf verwendet, die Bande des "Meisterplaners" einzuführen, der dann auf Seite 2 des folgenden Heftes als Dr. Octopus entlarvt wurde. Diese sich im Verlauf mehrerer Hefte aufbauenden Nebenplots sollten bald auch in anderen Serien Verwendung finden.

Neue Freunde...

In der Zwischenzeit hatte Peter beinahe das Wichtigste verpaßt: Nach seinem Schulabschluß wechselte er in Heft 31 zur Empire State University, wo ihm sein alter Rivale Flash Thompson zwei Personen vorstellen wollte, die später noch sehr wichtig für ihn werden sollten: Harry Osborn und Gwen Stacy (letztere wirkte bei ihren ersten Auftritten übrigens sowohl optisch aus auch vom Auftreten her noch viel erwachsener und selbstbewußter als in späteren Heften). Doch Peter war zu diesem Zeitpunkt in Gedanken nur bei seiner Tante, weshalb ihn Harry und Gwen anfangs für arrogant hielten.

... neue Feinde

Über mangelnde Gegner konnte sich Peter derweil nicht beklagen: Neben alten Bekannten wie Kraven, dem Jäger und dem Molten Man bekam er es mit dem eher nervigen denn wirklich gefährlichen Looter (später auch bekannt als "Meteor Man") und dem schurkischen Mendell Stromm zu tun. Letzterer wollte sich am hier erstmals auftretenden Norman Osborn, dem Vater von Peters Kommilitonen Harry, rächen, der ihn betrogen und ins Gefängnis gebracht hatte. Zu diesem Zweck griff er Osborns Fabriken an, doch Spider-Man konnte ihn aufhalten - ohne zu merken, daß Norman Osborn selbst alles andere als unschuldig war. Denn Peter hatte zur Zeit mal wieder andere Sorgen: In Heft 35 hatte seine Angebetete Betty Brant New York verlassen - wie er glaubte, um den Reporter Ned Leeds zu heiraten.
Daß er Harrys Vater besser mehr Aufmerksamkeit hätte schenken sollen, spürte er jedoch schon zwei Hefte später am eigenen Leib, als er es erneut mit dem Grünen Kobold zu tun bekam. Dieser erfuhr durch Zufall die Geheimidentität seines erbittertsten Widersachers, nahm Peter gefangen und lüftete vor dessen Augen seine Maske, und darunter steckte... Norman Osborn!


Special vom: 23.05.2002
Autor dieses Specials: Torsten B Abel
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Kapitel 2 - Romita attacks
Kapitel 3 - Die Conway-Ära
Kapitel 4 - Bewegte Jahre
Kapitel 5 - Die frühen Achtziger
Kapitel 6 - Die Venom-Ära
Kapitel 7 - Von Variant-Covern und falschen Eltern
Kapitel 8 - Die Spinne und der Klon
Kapitel 9 - Back to basics
Kapitel 10 - Die Retro-Ära
Spider-Man in Deutschland
Der multimediale Spider-Man
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