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Kapitel 7 - Von Variant-Covern und falschen Eltern
Von Variant-Covern und falschen Eltern
1990 - 1994



Der Toddster bekommt 'ne Extrawurst

Eine neue Ära im Leben des Netzschwingers begann im August 1990. Nicht genug, daß er seine mittlerweile vierte monatliche Serie mit dem schlichten Titel "Spider-Man" erhielt, diese Serie war auch noch einzig und allein auf einen Menschen zurechtgeschnitten: Todd McFarlane, der als Zeichner von "Amazing" bereits zum Fanliebling geworden war, sollte die neue Serie nicht nur zeichnen, sondern auch schreiben - wie er sagte, um seine kreative Freiheit voll entfalten zu können. Das sollte sich in erster Linie in grafischer Hinsicht auswirken, denn McFarlane durchbrach erstmals die strenge Aufteilung der Panels und präsentierte dem Leser eine bis dato beispiellose Grafikorgie.
Die erste Ausgabe, der Beginn des Fünfteilers "Torment", in dem es der Netzschwinger wieder mal mit der Echse zu tun bekam, die diesmal unter der Kontrolle von Kravens einstiger Geliebter Calypso stand, brach schon mit den Vorbestellungen sämtliche Rekorde. Das lag nicht zuletzt an der Tatsache, daß man bei Marvel auf die Idee gekommen war, einen Teil der Auflage mit einem anderen Cover zu drucken, ein Konzept, das zwar schon zuvor gelegentlich zum Einsatz gekommen war, aber erst jetzt seinen endgültigen Durchbruch schaffen sollte.
Neben der Silber-Edition von "Spider-Man" #1 wurde auch die in Folie eingeschweißte "normale" Ausführung ein begehrtes Sammlerstück, konnte der Leser auf diese Weise doch beweisen, daß sein Exemplar noch ungelesen war. Als man bei Marvel erkannte, daß der Sammlermarkt vor lauter Spekulationen regelrecht zu explodieren drohte, legte man kurzerhand noch einen drauf und brachte auch noch Gold- und Platin-Versionen auf den Markt, nach denen sich die Sammler abermals die Finger leckten.
Während "Spider-Man" #1 mit Verkaufszahlen von 2,5 Millionen Exemplaren, von denen heutige Comicserien nur noch träumen können, ein ganzes Jahr lang die Nummer eins der Verkaufscharts belegte, begründete es auf der anderen Seite den "Variant-Cover"-Wahn und legte somit zugleich den Grundstein für den späteren Zusammenbruch des Comicmarktes. Unterdessen wurde Todd McFarlane, der es aufgrund ausgeklügelter Vertragsverhandlungen geschafft hatte, anstelle eines bloßen Festhonorars an den Verkäufen beteiligt zu werden, zu einem reichen Mann.

Kurzer Alleingang

Nach dem Fünfteiler mit Calypso und der Echse folgte ein Zweiteiler mit dem Ghost Rider und dem Hobgoblin, der seit einem Kampf mit Dr. Strange während der "Acts of Vengeance" glaubte, wieder sein menschliches Gesicht zu besitzen und sich daraufhin zu einem pseudo-religösen Irren entwickelt hatte, der von dem krankhaften Wahn besessen war, alle "Sünder" - in seinen Augen alle Menschen außer kleinen, unschuldigen Kindern - auszurotten.
Weiter ging es mit einem weiteren Fünfteiler mit Wolverine und Wendigo, danach folgte ein Zweiteiler mit Morbius, in dessen Verlauf Peter wieder in sein schwarzes Kostüm schlüpfte und der Leser zudem interessante, um nicht zu sagen sehr... intime Details über das Eheleben der Parkers erfuhr.
Nach einem abschließenden Crossover mit der Serie "X-Force" verließ McFarlane die Serie aufgrund von kreativen Differenzen mit Marvel und gründete nach einem halben Jahr Schaffenspause gemeinsam mit anderen Künstlern wie Erik Larsen, Jim Lee, Rob Liefeld, Jim Valentino und Marc Silvestri den unabhängigen Verlag Image Comics, dessen Ziel es war, den Künstlern größere kreative Freiheiten einzuräumen, als die Branchenriesen Marvel und DC es taten, und zugleich die beiden Marktgiganten das Fürchten zu lehren. Mit der bereits zehn Jahre zuvor entworfenen Figur "Spawn" wandelte Todd nun endgültig auf Solopfaden und ließ Marvel und Spider-Man ein für allemal hinter sich.

Erdgeister

1990 wagte sich der Fantasykünstler Charles Vess an eine neue Graphic Novel des Netzschwingers. In "Spider-Man: Spirits of the Earth" unternahmen Peter und Mary Jane eine Art zweite Hochzeitsreise nach Schottland, wo sie bald in eine mystische Geschichte voller Feen, Geister und dunkler Schlösser verwickelt wurden. Während die Geschichte Ähnlichkeiten mit den Serien aus DCs Sublabel "Vertigo" ("Sandman") aufwies, stellte Vess Mary Jane selbstbewußter dar als die meisten der regulären Autoren, die sie mehr und mehr auf die Rolle der Hausfrau reduzierten.

Der fantastische Spider-Man
Eine eher ungewöhnliche Rolle kam dem Netzschwinger in "Fantastic Four" #347 von Walter Simonson und Arthur Adams zu: Nach dem Verschwinden der Titelhelden gründete er gemeinsam mit Wolverine, dem Hulk und Ghost Rider die "neuen" Fantastischen Vier, die sich jedoch nach der Rückkehr des Original-Teams in Heft 349 wieder auflösten. Die Idee war allerdings zu gut, um sie endgültig zu begraben, und so durfte das Team neben der Parallelwelt-Fortsetzung der Geschichte in "What If...?" (vol. 2) #78 in "Fantastic Four" #374 einmal mehr zusammenfinden und in "Wolverine" #148 im Rahmen des X-Men-Events "Ages of Apocalypse" in einer alternativen Zukunftswelt die Nachfolge der verstorbenen Fantastischen Vier antreten.

Feel the vibration

Die Annuals des Jahres 1991 enthielten derweil mal wieder eine durchlaufende Geschichte: Im "Amazing Annual" #25, dem "Spectacular Annual" #11 und dem "Web Annual" #7 präsentierte David Michelinie gemeinsam mit Zeichner Guang Yap den Dreiteiler "The Vibranium Vendetta", in dem der Netzschwinger gemeinsam mit Iron Man und dem Black Panther gegen einen alten Feind der Rächer, den Roboter Ultron, kämpfen mußte, und auch Sunturion, ein alter Bekannter von Iron Man, mischte kräftig mit.

Tödliche Feinde

1991 erschien neben den nunmehr vier monatlichen Spider-Man-Serien auch eine vierteilige Miniserie von Danny Fingeroth, Al Milgrom und Kerry Gammill mit dem Titel "The Deadly Foes of Spider-Man". Wie es der Titel schon andeutete, spielte der Netzschwinger nur eine Nebenrolle, im Mittelpunkt standen vielmehr seine Gegner Rhino, Beetle, Speed Demon, Boomerang, Hydro-Man und Shocker, die als "Sinister Syndicate" in ständig wechselnden Zusammensetzungen mit- und gegeneinander kämpften. Die Geschichte endete, wie nicht anders zu erwarten, mit der Auflösung des Sinister Syndicate und der Verhaftung bzw. Flucht der Mitglieder.

In jedem von uns steckt ein kleiner Junge

"Spectacular" wurde derweil ab Heft 178 von J.M. DeMatteis geschrieben, der zusammen mit Sal Buscema mit dem Sechsteiler "The Child Within" den legitimen Nachfolger von "Kraven's Last Hunt" vorlegte. Die Geschichte drehte sich um drei Figuren, die aus unterschiedlichen Gründen von übermächtigen Vaterfiguren heimgesucht wurden: Harry Osborn, der an seinem Vaterkomplex zerbrach und endgültig zum Grünen Kobold wurde und zugleich begann, seinen Sohn Norman zu manipulieren, Vermin, der sich im Verlauf seiner Therapie bei der Psychiaterin Dr. Ashley Kafka, die hier erstmals auftrat, mit den Mißhandlungen durch seinen Vater auseinandersetzen mußte und diesen nach seiner Flucht angriff, sowie Peter Parker, der seinen eigenen Vater nie kennengelernt hatte und sich so mit der Ungewißheit um den unbekannten Vater herumplagte.
In den folgenden Ausgaben mußte nach Harrys endgültiger Kobold-Werdung ausgerechnet der Molten Man seinen Platz als "starker Mann" in der Osborn-Familie einnehmen, während Peter in einer Art Fortsetzung von "Marvel Team-Up" #131 (1983) einmal mehr an der Seite des "fabulösen Frog-Man" gegen White Rabbit und Human Walrus kämpfte.
Nach einem Dreiteiler mit dem Geier, der an Krebs erkrankt war und alte Rechnungen begleichen wollte, wozu auch May Parkers Vergebung für den Tod Nathan Lubinskys gehörte, entführte Harry Osborn seinen Sohn, seine Frau und ihren Stiefbruder, den Molten Man, um sein perverses Bedürfnis nach einer intakten "Familie" zu befriedigen, was Peter natürlich nicht zulassen konnte. Obwohl sich Harry derselben Behandlung ausgesetzt hatte, die schon seinem Vater und dem ersten Hobgoblin Superkräfte verliehen hatte, war er dem Netzschwinger letztendlich nicht gewachsen und kam schließlich bei Dr. Kafka in Therapie.

Unter jedem anderen Namen

In "Web" präsentierten der neue Autor Howard Mackie und Stammzeichner Alex Saviuk inzwischen den Sechsteiler "The Name of the Rose", in dem Peter und seine Familie aufgrund eines fälschlicherweise unter seinem Namen veröffentlichten Fotos von Nick Katzenberg vor den Leuten des Kingpins flüchten mußten, woraufhin es der Netzschwinger mit dem neuen Rose zu tun bekam, unter dessen Maske diesmal nicht Richard Fisk steckte, der mit Rose zusammenarbeitete, sondern ein Polizist, der insgeheim Kingpins Imperium zerschlagen wollte. Nach dessen Tod streifte sich ein Unbekannter dessen Maske über und wurde zum mörderischen "Blood Rose". Derweil gelang es dem Hobgoblin, sich endlich von seiner dämonischen Hälfte zu trennen. Am Ende stürzte Richard scheinbar tödlich verwundet in den Fluß, während Nick Katzenberg aufgrund einer Richtigstellung fortan seinerseits untertauchen mußte.
[Bild: howard_mackie.jpg] In den folgenden Ausgaben brachte Mackie Spideys früheren Manager Max zurück und ließ in einem Zweiteiler eine ungewohnt kriegerische Betty Brant gegen den Foreigner antreten, um Rache für den Tod ihres Mannes Ned zu nehmen. Bei der Gelegenheit erfuhr sie auch endlich, daß Ned der Hobgoblin gewesen war.

Die Rache des Sidekicks

In "Amazing" gab unterdessen der neue ständige Zeichner Mark Bagley, der mittlerweile durch die Serie der "New Warriors" bekannt geworden war, sein Debüt. Nach einem Zweiteiler, in dem Peter an der Seite von Nova gegen den "Tri-Sentinel" kämpfte und ihn diesmal endgültig zerstörte, folgte der nächste zweiwöchentliche Sommer-Sechsteiler.
In "Round Robin: The Sidekick's Revenge" bekamen es Spidey, Moon Knight, der Punisher, der mittlerweile als "Held" seiner eigenen Serien äußerst erfolgreich war, der neue Held Darkhawk sowie Nova und Night Trasher von den "New Warriors"- die Bagley vor seiner Zeit bei "Amazing" bis Ausgabe 25 gezeichnet hatte - mit der Untergrundorganisation namens "Secret Empire" sowie Moon Knights verstorbenen Ex-Partner Midnight, der vom Empire als Cyborg wiederbelebt worden war, zu tun.

Das Blutbad

Da Bagley mit sechs Ausgaben innerhalb von drei Monaten wohl etwas überfordert war, wurde der folgende Zweiteiler mit Cardiac vom Gastzeichner Chris Marrinan gestaltet. Anschließend kehrte er mit einem Dreiteiler zurück, in dem es Spidey mit einer Figur zu tun bekam, die Bagley gemeinsam mit Autor David Michelinie erfunden hatte: Eddie Brocks ehemaliger Zellengenosse, der Serienkiller Cletus Kasady, hatte sich mit einem Ableger des schwarzen Symbiontenkostüms, der bei Venoms Flucht zurückgeblieben war, verbunden und war zum mörderischen Carnage geworden, dessen Philosophie des Chaos und der daraus resultierenden sinnlosen Gewalt am ehesten mit Batmans Erzfeind Joker zu vergleichen ist.
Da Peter alleine Carnage nicht gewachsen war, blieb ihm keine andere Wahl, als Venom aus seinem selbstgewählten Inselexil zu erlösen. Michelinie hatte nämlich beschlossen, die Figur des Venom ein wenig umzuschreiben, und so stand für Eddie Brock plötzlich der Schutz "Unschuldiger" an erster Stelle. Gemeinsam mit dem verhaßten Spider-Man bereitete er Carnages mörderischem Treiben ein Ende, bevor Peter auch ihn außer Gefecht setzte und den Behörden übergab.

Die Seele des Jägers

1992 taten sich J.M.DeMatteis und Mike Zeck nach auffallend genau fünf Jahren noch einmal zusammen und brachten das Sonderheft "Spider-Man: Soul of the Hunter" heraus, einen Epilog zur Saga "Kraven's Last Hunt" von 1987, in der Peter sein "Begräbnis"-Trauma endlich aufarbeitete und zudem dem "Geist" von Kraven Vergebung gewährte.

Die Rache des unheilvollen Erik

Nach Todd McFarlanes Abgang wurde die adjektivlose Serie "Spider-Man" für eine Ausgabe von den Gastkünstlern Ann Nocenti und Rick Leonardi gestaltet, die auch gleich mit einer Sensation aufwarteten: In Heft 17 starb Spider-Man. Infolge eines Unfalls mit Gefriermittel blieb sein Herz für mehrere Minuten stehen, und Spidey bekam es im Totenreich mit Thanos und dessen Geliebter Death zu tun.
McFarlanes Nachfolger wurde schließlich, wie schon zuvor bei "Amazing", Erik Larsen, der diesmal ebenfalls sowohl schrieb als auch zeichnete. Er begann mit dem Sechsteiler "Revenge of the Sinister Six", in dem Dr. Octopus einmal mehr das Team aus "Amazing" #334-339 zusammentrommelte. Der Sandman, der einmal mehr nur durch Erpressung zur Kooperation bewegt werden konnte, wechselte bei der erstbesten Gelegenheit die Seiten und schloß sich dem Netzschwinger an, und auch der Hulk, der "Anti-Terrorist" Solo, der Cyborg Deathlok, der Ghost Rider, Sleepwalker, Nova und die Fantastischen Vier traten Octopus' Team entgegen.
Neben einer "Schockerszene" in Heft 21, in der Peter scheinbar in einen Cyborg verwandelt worden war, war das Interessanteste an der Geschichte vermutlich die Nebenhandlung: Ob Mary Jane nun vor der Frage stand, ob sie in einem Film eine Nacktszene spielen sollte, oder sie und Peter ihren unterschiedlichen Musikgeschmack diskutierten, selten wirkten die Figuren so lebensecht wie hier.
Ursprünglich war "Revenge of the Sinister Six" nur als Fünfteiler geplant gewesen, doch nachdem Larsens Haus einem Feuer zum Opfer gefallen war - Larsen und seine Familie blieben dabei zum Glück unverletzt -, kam es zu einer Verzögerung, und so wurde das zweite Kapitel auf zwei Hefte aufgeteilt, während der verbleibende Platz mit einem Zweiteiler von Terry Kavanagh und dem späteren "Daredevil"-, "Nightwing"- und "Batman"-Zeichner Scott McDaniel gefüllt wurde, in dem es Spidey mit Diablo, einem alten Feind der Fantastischen Vier, zu tun bekam.
Nach dem Sechsteiler verließ auch Larsen die Serie und Marvel an sich, um sich Todd McFarlane anzuschließen, der sich - wie weiter oben schon erwähnt - daran machte, den Image-Verlag zu gründen.

Gnom vs. Gnom

Nach Larsens Abgang bei "Spider-Man" sprang für ihn kurzfristig Howard Mackie ein, der in Heft 24 gemeinsam mit Larry Alexander nicht nur den Hobgoblin und sein nunmehr von ihm getrenntes dämonisches Gegenstück, den "Demogoblin", zurückbrachte, sondern auch einen eigenartigen sechsarmigen Doppelgängers des Netzschwingers einführte.
Der Grund dafür war das neueste Marvel-Mega-Crossover "Infinity War", in dem der schurkische Thanos und der nicht minder böse Magus verzerrte Doppelgänger der bekannten Marvel-Helden gegen diese ins Feld schickten. Die Herkunft des etwas wortkargen Spinnen-Doppelgängers sollte jedoch zunächst die einzige Verbindung zu dem Crossover bleiben. Mackie setzte die Geschichte kurz darauf in seiner eigenen Serie "Web of Spider-Man" fort, in der der Hobgoblin einmal mehr gegen den verhaßten Demogoblin und den "Doppelgänger" kämpfte, während Spider-Man und Moon Knight zwischen allen Fronten standen.
Während der vor dem Hobgoblin fliehende Nick Katzenberg nach einem Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert wurde, griff zu allem Überfluß auch noch Venom in den Kampf ein, der schließlich in ein vierteiliges Crossover mit der ebenfalls von Mackie geschriebenen Serie "Ghost Rider/Blaze: Spirits of Vengeance" mündete.
[Bild: web_of_spider-man_100.jpg] Anschließend übernahm Terry Kavanagh "Web" und brachte in einem Vierteiler erst mal die Saga um Blood Rose, unter dessen Maske einmal mehr Richard Fisk steckte, zu einem Abschluß, während sein totgeglaubter Doppelgänger, Richards früherer Freund Alfredo, auf den neuen Helden Nightwatch, der verblüffende Ähnlichkeit mit Todd McFarlanes "Spawn" hatte, traf. Nightwatchs Entstehungsgeschichte erfuhr der Leser dann in der Jubiläumsnummer 100, die zugleich auch das Ende der Blood Rose-Saga enthielt.

Tod eines Kobolds

In "Spectacular" ließen DeMatteis und Buscema derweil Puma endgültig zum Tier werden und augenscheinlich sterben, erlaubten Dr. Kafka, trotz des Eingreifens von Captain Americas Gegner Baron Zemo Vermin zu heilen und wieder zum Menschen zu machen, und ließen nach einem Zweiteiler mit den X-Men als Gaststars schließlich die Geschichte um den Grünen Kobold mit einem großen Knall enden: Nach einem spektakulären Kampf starb in der Jubiläumsnummer 200 Harry Osborn an den Nebenwirkungen des Serums, das ihm seine Superkräfte verliehen hatte.

Die verlorenen Eltern

Nicht minder bedeutende Dinge ereigneten sich derweil in "Amazing": Bereits am Ende von Heft 363 hatte Michelinie ein älteres Ehepaar auftreten lassen, das Peter nach Kämpfen gegen den Shocker und die Echse - letzterer enthielt zudem eine Remineszenz an die berühmte Szene aus "Amazing" #33, in der sich Peter unter tonnenschweren Trümmern befreite - schließlich bei Tante May antraf: Richard und Mary Parker, seine totgeglaubten Eltern, hatten, wie sie sagten, die letzten Jahre in einem russischen Gefangenenlager verbracht.
Nachdem er gemeinsam mit Solo gegen Red Skulls Untergebenen Taskmaster gekämpft hatte und in Skulls Datenbank eingedrungen war, fand er genug Hinweise, die die Geschichte seiner "Eltern" zu bestätigen schienen.
Es folgte der nächste und zugleich letzte zweiwöchentliche Sommer-Sechsteiler, "Invasion of the Spider-Slayers", in dem Alistair Smythe seine neusten Spider-Slayers auf den Netzschwinger hetzte.
Das Besondere an der Geschichte war zum einen die Rückkehr der Black Cat, die ihre verlorenen Superkräfte nunmehr durch diverse technische Hilfsmittel ausglich, die ausgerechnet der "Bastler" entwickelt hatte, zum anderen die Tatsache, daß ein "Maulwurf" in den Reihen des FBI versuchte, Peters vermeintliche Eltern zu töten, da sie, ihn, wie er glaubte, auffliegen lassen könnten.
Nicht minder schockierend dürfte eine Szene aus Heft 366 gewesen sein, in der Mary Jane scheinbar beiläufig als Raucherin dargestellt wurde - tatsächlich hatte sie aus lauter Frustration über Peters gefährliches Doppelleben angefangen zu rauchen.

Waffenstillstand
Anschließend brachte Michelinie Venom zurück, der Peters Eltern entführte, um sie vor ihm zu "retten", während Peter Eddie Brocks Ex-Frau aufspürte. Nachdem er ihr das Leben gerettet hatte, erklärte sich Venom bereit, einen Waffenstillstand mit Peter zu schließen.
Die Geschichte war somit wenig mehr als ein Sprungbrett für die Solokarriere Venoms, der anstelle einer fortlaufenden Serie Miniserien von wechselnden Kreativteams erhalten sollte. Die erste davon, der Sechsteiler "Venom: Lethal Protector" von Michelinie, Mark Bagley und Ron Lim, führte den "Beschützer der Unschuld" in seine neue Heimatstadt San Francisco, wo er es sogleich mit der "Jury" zu tun bekam, die sich an ihm für den Tod eines Freundes rächen wollte.
Um die Serie zu promoten, folgte ihm Spider-Man nach San Francisco, und die beiden kämpften schließlich gemeinsam gegen fünf neue Symbionten, die aus Teilen von Venoms Kostüm geschaffen worden waren.
Venom setzte seine Solokarriere in weiteren Miniserien wie "Venom: Funeral Pyre", "Venom: The Madness", "Venom: The Mace", "Venom: The Enemy Within" und "Venom: Seperation Anxiety" von wechselnden Kreativteams fort, während Michelinie in "Amazing" gemeinsam mit Gastzeichner Jeff Johnson einen weiteren Zweiteiler mit Cardiac bot, der sich diesmal gemeinsam mit dem Netzschwinger mit dem Killerduo Styx & Stone anlegte.

Die Zukunft des Marvel-Universums

Im November 1992 versuchte man es bei Marvel mal wieder mit einer Expansion des Marvel-Universums. Unter der Leitung von Redakteur Joey Cavalieri starteten die vier neuen Serien "Doom 2099", "Ravage 2099", "Punisher 2099" und "Spider-Man 2099", die, wie die Titel es schon andeuteten, alle in der Zukunft des Jahres 2099 spielten.
"Spider-Man 2099", geschrieben von Peter David und gezeichnet von Rick Leonardi, erzählte von Miguel O'Hara, einem Mitarbeiter der Firma Alchemax, der von seinem Boss Tyler Stone unter Drogen gesetzt und bei dem Versuch, sich von seiner Sucht zu heilen, durch einen Unfall mit der DNA des ursprünglichen Spider-Man infiziert wurde und so selbst zu Superkräften gelangte. Fortan versuchte er, die Bürger des futuristischen New York aus dem Griff von Alchemax zu befreien.
Während der Netzschwinger der Zukunft es mit neuen Gegner wie Venture, dem Specialist, dem Geier 2099, Thanatos, Bloodsword, Risque, Venom 2099, dem Kobold 2099 und immer wieder mit seinem Erzfeind Tyler Stone, der sich schließlich als Miguels Vater entpuppen sollte, zu tun bekam, wurde das 2099er-Universum um neue Serien wie "X-Men 2099", "Fantastic Four 2099", "Ghost Rider 2099" und "2099 World of Tomorrow" erweitert. Außerdem war es dem Netzschwinger der Zukunft im November 1995 schließlich vergönnt, in der Sonderausgabe "Spider-Man 2099 Meets Spider-Man" auf seinen Vorgänger zu treffen.
Nachdem die Leser von der Überdosis Zukunft schlichtweg übersättigt worden waren - ein Problem, daß die Comicverlage bis heute nicht verstanden zu haben scheinen, hält man sich die analoge Ausschlachtung von einstmals populären Figuren wie dem Punisher oder Venom vor Augen -, gingen die Verkaufszahlen rapide zurück, und so endete schließlich auch "Spider-Man 2099" im August 1996 mit Ausgabe 46, die mit dem Tod mehrer Nebenfiguren aufwartete. Immerhin was es ihm jüngst vergönnt, in den Ausgaben 27-30 von Peter Davids neuer Serie "Captain Marvel" aufzutreten.

Nichts zu befürchten außer...

1992 erschien auch wieder eine Graphic Novel mit dem Netzschwinger. "Spider-Man: Fear Itself" von Gerry Conway, Stan Lee und Ross Andru, in deren Verlauf Peter gemeinsam mit Silver Sable gegen eine Nazi-Baronin (!) und ihren Gehilfen, den "White Ninja" (!) antrat, die die Welt mit furchterzeugenden Chemikalien bedrohten, war allerdings im Gegensatz zu vorangegangenen Werken wie "Hooky" oder "Spirits of the Earth" eher eine bodenständige Actionstory, die ebensogut im Rahmen eines Annuals hätte erscheinen können.

Die Anfänge

Zum dreißigjährigen Jubiläum des Netzschwingers erschienen in den Heften von Juni/Juli 1992 Zweitgeschichten, die die Entstehungsgeschichte des Netzschwingers aus verschiedenen Perspektiven nacherzählten. Während Tante May in "Spectacular" #182 ihr Verhältnis zum Netzschwinger überdachte und ihn schließlich als einen der positiveren Aspekte ihres Lebens akzeptierte, Spideys ehemaliger Agent Max in "Web" #90 eher den wirtschaftlichen Aspekt hervorhob und J. Jonah Jamesons Phantasie in "Amazing" #365 in krassem Gegensatz zur Wirklichkeit stand, hatte Peter in "Spider-Man" #26 von Gastautor Autor Tom DeFalco - dem einzigen Heft, das die "Rückbesinnung" zur Haupthandlung erhob - eine Begegnung mit einem jungen Dieb, der möglicherweise der Neffe von Ben Parkers Mörder gewesen sein könnte und dem er am Ende die Möglichkeit zu einem Neuanfang gab. Eine von Mark Bagley gezeichnete Zweitgeschichte erklärte zudem detailliert die Funktionsweise von Spider-Mans Kräften, was spätere Autoren allerdings nicht daran hindern sollte, die ausführlichen Erläuterungen in dieser Geschichte nach Belieben zu ignorieren.

Notlügen

Weiter ging es in "Spider-Man" mit Mehrteilern von wechselnden Kreativteams. Ann Nocenti brachte gemeinsam mit Chris Marrinan im Dreiteiler "Return to the Mad Dog Ward" Dr. Hope, Brainstorm und den Möchtegern-Helden "Captain Zero" aus ihrer "Mad Dogs"-Saga von 1988 zurück und beschäftigte sich nebenbei mit den vielen Notlügen, die das Leben sowohl von Peter als auch von Mary Jane ausmachen, während Steven Grant und Bob McLeod im Dreiteiler "Vengeance" den gleichnamigen Superschurken einführten, der es nicht nur mit Spider-Man, sondern auch mit dem Punisher zu tun bekam. Das Ende der Geschichte stellte eine nette Hommage an die alten Lee/Kirby-Ausgaben dar, als Peter seinem Gegner die Maske vom Gesicht zog und mit dessen Gesicht rein gar nichts anzufangen wußte.

Blutbad hoch 10

Nachdem Danny Fingeroth die Redaktion der Netzschwinger-Serien übernommen hatte, machte er sich sogleich daran, die Netzschwinger-Serien inhaltlich enger zu verzahnen, als es bislang der Fall gewesen war. Im Juni 1993 erreichte die Crossover-Manie einen ersten Höhepunkt: Passend zum Start der neuen, vierteljährlich erscheinenden Serie "Spider-Man Unlimited" von Marvels damaligem Chefredakteur Tom DeFalco und Ron Lim, die sicherstellen sollte, daß künftig wirklich jede Woche ein neues Spider-Man-Heft am Kiosk zu finden war (eine Idee, die DC zwei Jahre später mit der ebenfalls vierteljährlich erscheinenden fünften Superman-Serie "Superman: The Man of Tomorrow" kopierte), begann in Heft 1 die vierzehnteilige Saga "Maximum Carnage", die sich abwechselnd durch alle Monatsserien des Netzschwingers zog und schließlich im August in "Spider-Man Unlimited" #2 endete.
Die Geschichte selbst, in der sich Spider-Man, die Black Cat, Venom, Captain America, Firestar, Iron Fist, Deathlok, Nightwatch, Cloak & Dagger und Morbius dem Wahnsinn in Gestalt von Carnage, seiner Geliebten Shriek - die in "Unlimited" #1 ihren ersten Auftritt hatte -, Carrion, dem Demogoblin und dem "Doppelgänger" entgegenstellen mußten, war, ähnlich wie seinerzeit die "Secret Wars", wenig mehr als eine Prügelorgie in Überlänge, trotz einiger interessanter Szenen - so wurden Peters Moralvorstellungen mehr als einmal auf eine harte Probe gestellt, während sich sein Vater Richard mit Gewalt gegen einen Straßenmob zur Wehr setzen muß.

Helden-Killer und Killer-Helden

Die Spider-Man-Annuals des Jahres 1993 präsentierten derweil den Vierteiler "The Hero Killers" von David Michelinie und Scott McDaniel, der im "New Warriors Annual" #2 abgeschlossen wurde und in dessen Verlauf Spidey Seite an Seite mit den New Warriors gegen den Schurken Sphinx antrat.
Die Annuals des Netzschwingers enthielten als Zweitgeschichte zudem den Dreiteiler "Venom: First Kill" von Michelinie und Aaron Lopresti, in dem der Leser erstmals erfuhr, wie Eddie Brock und das schwarze Symbiontenkostüm zueinander gefunden hatten.

Die Ruhe vor dem Sturm

Nach "Maximum Carnage" gingen die Netzschwinger-Serien einmal mehr ihre eigenen Wege. "Spectacular" bot unter dem neuen Autoren Steven Grant den Dreiteiler "Death by Tombstone", einen Zweiteiler mit Shroud und einen weiteren Zweiteiler mit dem Foreigner, während eine Zweitstory das Ende der Beziehung zwischen der Black Cat und Flash Thompson behandelte, "Web" präsentierte unter Terry Kavanagh und Alex Saviuk den Dreiteiler "Infinity Crusader", der Teil des neuesten Marvel-Mega-Crossovers "The Infinity Crusade" war, einen Zweiteiler mit Sandman und den neuen Figuren Quicksand und Sandstorm sowie einen weiteren Zweiteiler mit der Echse, die die Figur des Söldners Warrant einführte, und "Spider-Man" bot einen Dreiteiler mit Electro von J. M. DeMatteis und Klaus Janson sowie einen weiteren Dreiteiler mit Iron Fist und der neuen Figur Platoon von Terry Kavanagh und Jae Lee, bis in Heft 44, einer Geschickte mit dem Hobgoblin, schließlich das neue Kreativteam, bestehend aus Howard Mackie und Tom Lyle, sein Debüt gab.
In "Amazing", weiterhin unter Michelinie und Bagley, bekam es Peter inzwischen der Reihe nach mit dem Hulk und dessen Therapeuthen Dr. Samson und der aus "Venom: Lethal Protector" bekannten "Jury" zu tun, während Mary Jane in "Amazing" #385 nach einem Besuch bei dem an Lungenkrebs erkrankten Nick Katzenberg von einem Moment auf den anderen ihre Nikotinsucht überwand, während Katzenberg noch im selben Heft starb. Damit waren die Weichen gestellt für den ersten von zahlreichen Schicksalsschlägen, die den Netzschwinger die nächsten Jahre über von einer Krise in die nächste stürzen sollten.


Special vom: 23.05.2002
Autor dieses Specials: Torsten B Abel
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Kapitel 1 - Lee & Ditko: Meister ihres Fachs
Kapitel 2 - Romita attacks
Kapitel 3 - Die Conway-Ära
Kapitel 4 - Bewegte Jahre
Kapitel 5 - Die frühen Achtziger
Kapitel 6 - Die Venom-Ära
Kapitel 8 - Die Spinne und der Klon
Kapitel 9 - Back to basics
Kapitel 10 - Die Retro-Ära
Spider-Man in Deutschland
Der multimediale Spider-Man
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