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Comic-Besprechung - Tante Wussi
Geschichten:Tante Wussi
Autor: Katrin Bacher, Zeichner / Colorist: Tyto Alba
Story:
Als die kleine Wussi mit ihren Eltern auf die spanische Insel Mallorca zog, war das Glück perfekt. Doch der spanische Bürgerkrieg machte auch vor den Balearen nicht halt. So entschloss sich der Vater, seine Frau und die Kinder zurück nach Deutschland zu schicken. Doch das war im Jahre 1936 und Wussis Mutter ist Jüdin.
Meinung:
Nicht wenige bezeichnen die spanische Insel Mallorca als weiteres deutsches Bundesland. Was eher zynisch zu verstehen ist, vor allem in spanischen Ohren, aber deutlich macht, dass die Beliebtheit als Urlaubsziel auch abseits vom berüchtigten Ballermann ungebrochen ist. Dabei hat sie die Exotik eingebüßt und gilt mittlerweile schon als ein weiteres Synonym für die deutsche Spießigkeit. Wer nach Mallorca fährt, so könnte man meinen, der will auf Nummer Sicher gehen.
Allerdings war das nicht immer so. Gerade an der Insel kann man die wechselvolle Geschichte und Verbundenheit von Spanien und Deutschland nachverfolgen. So gab es auch vor dem Massentourismus eine enge Verbundenheit und es existierte sogar eine recht große deutsche Gemeinde auf der Insel. Die durch den Zweiten Weltkrieg und den spanischen Bürgerkrieg ziemlich ausgedünnt worden ist. Die biographische Graphic Novel Tante Wussi nimmt sich dieses Themas an. Doch nicht nur diesem. Denn es geht auch wieder um den Holocaust und das Unfassbare wird anhand deiner Familie versucht greifbar zu machen. Da dürfte einiges verdichtet worden sein, doch die Fakten sind da und es wird eine Chronik erzählt, die von der Grundstruktur her an Maus erinnert. Die Autorin höchstselbst tritt auf und befragt ihre Tante über die Erlebnisse und das Schicksal der Familienangehörigen. So wird auch der Lebensbericht selbst thematisiert, allerdings ohne das Verhältnis der Protagonisten untereinander zu berücksichtigen und zu reflektieren wie etwa in Maus. Es dient einzig dazu, zu schildern das alles real ist und wirklich so geschah und schildert das spätere Leben von Tante Wussi, um sie dem Leser näher zu bringen und wie ihr Charakter nach den Erlebnissen so geformt worden ist. Die Rahmenhandlung ist also zum einen eine Referenz an das große Vorbild, gibt dazu auch eine Struktur und macht deutlich dass alles real ist und die Familie der Autorin selbst betrifft.
Da diese in den Wechselwirkungen der Geschichte einbezogen waren ist das durchaus repräsentativ zu verstehen und bringt einige sehr spannende Aspekte zu Tage, wobei manches durchaus mehr Raum verdient gehabt hätte. Dazu werden dann aber passende symbolische Bilder gefunden. Etwa wenn eine Schwester von Wussi einen deutschen Soldaten trifft, sich verliebt und dieser später im Krieg fällt, so wird das Verschwinden, das Unklare seines Charakters, Wussi schien ihn nie kennengelernt zu haben und es scheint kein Foto zu existieren, dadurch deutlich gemacht, das ihm hier in der Erzählung kein Gesicht gegeben wird, sondern der Kopf verschwimmt und keine klaren Züge gewinnt. Auch wird das Grauen des Holocaust ausgeblendet, aber dennoch erfahrbar gemacht, indem man die betroffenen Personen in die Schwärze eingehen sieht. Diese Szenen sind sehr eindringlich, obwohl die Symbolik nun nicht als besonders kreativ zu bezeichnen ist, aber destotrotz nichts von ihrer Wirkung verliert.
Manchmal gibt es in den Bildern auch einen ironischen Kommentar zu finden. Etwa wenn in einem Panel alle Personen den rechten Arm zum Hitlergruß erheben. Wenn man genau hinsieht, erkennt man in der Menge einen Hund, der dazu sein Bein hebt. Ein passender Kommentar.
Man erfährt auch mehr über die spanische Geschichte und was die Faschisten auf der Insel getan haben. Auch wenn das nicht in einem Völkermord wie in Deutschland mündete, so ist es doch lobenswert, dass die Verbrechen der spanischen Faschisten hier thematisiert werden. Durch das Biographische werden natürlich manche Sachen ausgeblendet, da das real Erlebte die Story, den dramaturgischen Aufbau, vorgibt. Am Ende wird aber eine Parallele zu der Pegida hergestellt und angesichts dessen was man vorher gelesen hat, wird auch ohne Kommentar die Gefährlichkeit aktueller Entwicklungen deutlich. Der einzige Wermutstropfen ist die etwas klischeehafte Gestaltung indem die Ereignisse in Spanien alle sonnig dargestellt werden und die in Deutschland düster und dunkel. Aber das erste Panel nach der Rückkehr nach Deutschland mit der Reminiszenz an die Gemälde eines George Grosz entschädigt dafür.
Fazit:
Ein spannender und interessanter Blick auf eine wechselhafte Familiengeschichte welche auch die Verbindung zwischen Deutschland und Spanien reflektiert. Eine gute Symbolsprache kann für manche Klischees entschädigen.

Tante Wussi
Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann
Verlag:
Carlsen
Preis:
€ 16,99
ISBN 10:
3551754292
ISBN 13:
978-3551754295
128 Seiten
Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

- Spannung und Dynamik
- gute Symbolsprache
- Einbindung historischer Fakten

- ab und an Klischees

Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic | ||
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Rezension vom: | 28.11.2016 | ||||||
Kategorie: | Alben | ||||||
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