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Comic-Besprechung - Berichte aus Russland

Geschichten:
„Quaderni Russi“
Autor und Zeichner:
Igort


Nach der Ukraine nun Mütterchen Russland. Der italienische Zeichner Igort hat auf einer zweijährigen Reise durch Osteuropa die verschiedenen Krisenherde besucht und ist mit der Ortsansässigen Bevölkerung ins Gespräch gekommen. Daraus entwickelte sich bereits die Graphic Novel Bericht aus der Ukraine (ebenfalls bei Reprodukt erschienen), wo Igor sich intensiv mit der großen Hungersnot zu Stalins Zeiten auseinandersetzt.

Nun überschreitet der Künstler eine Ländergrenze und thematisiert ein seit Jahren andauerndes düsteres Kapitel der russischen Geschichte. Der Krieg in Tschetschenien findet in den weltweiten Medien im Grunde genommen nur Beachtung, wenn die dortigen Separatisten einen Anschlag verübt haben oder ein Massaker der russischen Streitkräfte aufgedeckt wird. Igor setzt zur Bearbeitung dieses Themas das Leben der Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Anna Politkowskaja in den Mittelpunkt seiner Erzählung. Dafür besuchte er Freunde der 2006 in Moskau ermordeten Frau und befragt sie zu ihren Erlebnissen mit Anna. Diese Infos verknüpft er mit den Berichten aus der russischen Zeitung "Novaja Gaseta", wodurch sich ein intensiver Tatsachenbericht über das Unterdrückungsregime Russlands in Tschetschenien ergibt. Zusätzlich, quasi zur Untermauerung der Berichte Politkowskajas, lässt Igort Einheimische und Soldaten zu Wort kommen. Nach einer kurzen Vorstellung erzählen die Personen mit hohem Detailgrad von ihren Erlebnissen.

In den dargestellten Szenen zeigt der Autor keine Zurückhaltung, wenn es um die Abbildung der alltäglichen Gräuel in Tschetschenien geht. Dadurch entwickelt sich die Graphic Novel zu einer schweren Kost, die den Leser mit brutalen, schonungslosen und äußerst direkten Bildern konfrontiert. Der Umstand, dass all diese Erlebnisse wirklich der Realität entsprechen, macht die Story noch grausamer und bedrückender. Man erkennt als Außenstehender, dass hier eine Tragödie am äußersten Rand von Europa stattfindet, die vollkommen totgeschwiegen wird, anstatt sich zu einem Aufschrei zu formieren.

Doch Igort will nicht nur schockieren, sondern auch informieren. So berichtet er über die Hintergründe, die zu dem andauernden Konflikt im Süden Russlands führten und zeigt in der zweiten Hälfte des Bandes verschiedene Personen des tschetschenischen Widerstandes.

Natürlich bleiben in dem Bericht auch die beiden Ereignisse in einem Theater in Moskau und in einer Grundschule in Beslan nicht unerwähnt. Die Geiselnahmen rückten weltweit das Drama des Konfliktes in das Gesicht der Öffentlichkeit (jedoch ohne merkbare Folgen). Alleine über diese beiden Tage wurden Bücher gefüllt, doch Igort stellt dies nicht in den Mittelpunkt, sondern beschäftigt sich vielmehr mit den alltäglichen Angriffen auf die Zivilbevölkerung.

Zum Abschluss der Ausgabe geht Igort auf den stalinistischen Terror gegen die Kulaken, eine Art Bauernklasse, ein. Dieser Teil wirkt angesichts des Tschetschenienkonfliktes etwas deplatziert, kann aber durch die Aufarbeitung eines wenig bekannten innerrussischen Konfliktes überzeugen.

Die grafische Seite überzeugt wieder durch die Verwendung von matten, erdigen Farbtönen und einem Aufbau, der durch die Verwendung von vollgeschriebenen Notizbuchseiten sehr an Reisaufzeichnungen erinnert. Dazu gesellen sich wortlose Darstellungen von Personen, alleine auf schwarzen Papier über mehrere Seiten hinweg, was die Gefühlswelt der Erzähler gekonnt widerspiegelt. Auch wenn einige Grafiken künstlerisch recht frei gestaltet wurden sind, so festigen sich die Bilder beim Leser so stark, dass er auch nach einiger Zeit noch an gewisse Szenen im Buch erinnert wird. Und genau dieser Effekt macht Berichte aus Russland empfehlenswert.

Der Band thematisiert ein oftmals vergessenes dunkles Kapitel der russischen Geschichte und zeigt die Ereignisse in einer schonungslosen Offenheit, die den Leser das ein oder andere Mal schlucken lässt. Dass der Künstler Igort hier auf die Artikel von Anna Politkowskaja und, als Untermauerung, auf Augenzeugenberichte zurückgreift, macht diesen Comic noch authentischer und damit zu einer lesenswerten Ausgaben über ein größtenteils ignoriertes Drama der westlichen Hemisphäre.


Berichte aus Russland - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Berichte aus Russland

Autor der Besprechung:
Christian Recklies

Verlag:
Reprodukt

Preis:
€ 24,00

ISBN 13:
978-3-943143-37-9

176 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • bedrückend, schockierend und durchgängig fesselnd
  • ungewöhnliches Layout
  • aktuelle und geschichtliche Aufarbeitung des Konfliktes
Negativ aufgefallen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
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Rezension vom: 30.04.2013
Kategorie: One Shots
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