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Comic-Besprechung - Logicomix
Geschichten:Logicomix
Autor: Apostolos Doxiadis, Christos H. Papadimitriou
Zeichner: Alecos Papadatos
Colorist: Annie Di Donna
Story:
Apostolos Doxiadis und Christos H. Papadimitrou treffen sich in Athen, um dort ihr Comicprojekt über den Mathematiker, Logiker und Philiosophen Bertrand Russell zu besprechen. Im Verbund mit den Comiczeichnern Alecos Papadatos und Annie di Donna ringen sie um einen künstlerischen Zugang zu der Mathematik und zu dem philosophischem Gedankengut. So lassen sie dann ihren Helden Bertrand Russell in einer seiner berühmtesten Vorlesungen sein Leben selber erzählen. Das war geprägt auf der Suche nach Wahrheit und der Angst vor dem Wahnsinn.
Meinung:
Nach der Lektüre des Bandes Logicomix kann wohl niemand mehr behaupten, das Wissenschaft langweilig wäre. Das Ringen um Wahrheit und Erkenntnis fordert immer seinen Tribut und ist hier sehr spannend eingefangen. Hinter jeder Wissenschaft stehen nämlich Menschen, die, obwohl sie sich rein mit dem Geist und der Logik beschäftigen, natürlich voller Emotionen sind. So ist jede Motivation für die Beschäftigung mit den Wissenschaften manchmal schon ein sehr prägender Moment wie es etwa bei Russell der Fall war. Und längst nicht jeder Wissenschaftler hat ein langweiliges Leben am Tisch verbracht. Sonst wären ja auch Künstlerbiographien langweilig, weil sie angeblich ihre Zeit nur vor der Leinwand oder am Schreibtisch verbracht hätten. Allein die Erlebnisse eines Einstein, Newton, Darwin, Bacon, Galilei und Da Vinci seien hier als äußerst spannende Lebensläufe beispielhaft angeführt. Und wenn schon Nietzsche als Philosoph eine Comicbiographie bekommen hat, dessen Leben im Vergleich wahrlich weniger spektakulär verlief, so kann gerade Bertrand Russell als überzeugter Pazifist in Kriegszeiten zu Recht eine Biographie bekommen.
Aber hier wird nicht nur auf spannende und unterhaltsame Art und Weise sein Leben beleuchtet, sondern damit ist natürlich sein Werk und seine Arbeit untrennbar miteinander verbunden. Und dieses Ringen um Erkenntnis, auch gegen äußere Widerstände, machen selbst den trockenen Stoff der Mathematik sehr gut lesbar. Dabei halten sich die Macher, vor allem die Autoren Apostolos Doxiadis und Christos H. Papadimitrou die selber Mathematiker bzw. Informatiker sind, mit mathematischen Aspekten doch recht angenehm zurück. Aber es gelingt ihnen dennoch, die epochalen Erkenntnisse Russells deutlich werden zu lassen und diese verständlich einzuordnen.
Interessanterweise wird in diesem Band auf eine gewisse Art und Weise Wissenschaft mit Kunst gleichgesetzt. Durch die Nebenhandlung, in der die Autoren und die Zeichner selbst auftreten und ihr Handeln und ihre Entscheidungen sowie das Leben Russells und seiner Kollegen kritisch kommentieren, wird eine Selbstreferenzialität geschaffen anhand derer die Schaffung des Comics an Bedeutung gewinnt. Die Erschaffung von Logicomix zu thematisieren ist aber nicht nur eine selbstreferenzielle Spielerei, sondern die Macher stellen sich in einen thematischen Bezug zu ihren Helden. Nicht nur indem sie eine Sympathie oder Antipathie äußern und verschiedene Blickwinkel einbringen können, sondern vielmehr wird durch die Zwischenspiele deutlich, dass es sowohl dem Wissenschaftler als auch dem Künstler zu eigen ist, dass er sich abmüht, eine Ordnung zu schaffen. Denn die Wissenschaft schafft eine Ordnung im Chaos, jede Theorie ist ein Weg, die Welt, oder zumindest einen Teil davon, zu erklären. Genau dasselbe hat der Künstler vor. Er nimmt einen Teil der Welt und versucht diese zu bearbeiten. Er entnimmt dem Chaos also einen Teil, um diesen zu ordnen. Aber eine Ordnung, egal welcher Art, braucht auch ein Fundament, welches auch aus den Auswahlkriterien bestehen kann, und gerade dieses aufzufinden ist die Schwierigkeit mit der Russell sich sein Leben lang beschäftigt hat. Und eben ein solches Fundament, welches auch schon das Ziel des Projektes vorgibt, ist Thema der Autoren, die also das gleiche durchmachen wie ihr Held.
Das alles ist logisch und angenehm zu lesen und dynamisch und kraftvoll bebildert. Die Schöpfer werden also nicht nur als Abwechslung benutzt. Besonders gegen Ende wird ein immer wiederkehrendes Thema benutzt, was in der hochgradigen Symbolik schon fast unterzugehen droht: Instinkt gegen Wissen. Der Hund als triebgesteuertes Wesen, allein seinem Instinkt gehorchend, droht das Wissen, oder besser dessen Verkörperung in der Eule (wir sind schließlich in Athen), zu fressen. Aber vielmehr ist es so, dass der Instinkt die Weisheit immer wieder übertölpelt und so ist auch der Mensch nicht nur Geist, sondern auch ein instinktives und vor allem emotionales Wesen. Damit liefert er auch die Grundlage für psychische Profile der Menschen, die nichts mehr mit Psychologie als "weicher" Wissenschaft zu tun haben wollen, aber doch niemals hinter sie zurückfallen können, weil sie ein Teil von ihr sind. Dieses wird immer so sein. Diese Probleme, immer der Wissenschaft inhärent, sind im Grunde schon einer der Beweise für die Unendlichkeit, die Russell im Band sucht. Denn alle Erkenntnisse versuchen sich von Emotionen und Wertungen zu lösen. Und das werden sie wohl immer versuchen und selten ganz schaffen. Denn eine Interpretation von Daten ist immer auch emotional begleitet. Und wer jetzt noch einige im Band geschilderte Situationen übertrieben findet: bei Sprachwissenschaftlern kam es auf Konferenzen eine Zeitlang immer wieder zu Schlägereien, weil sich gewisse (Lehr-)Schulen unversöhnbar gegenüber standen.
Fazit:
Eine spannende, emotionale, angenehme und vor allem verständliche Wissenschaftlerbiographie, die nicht nur ein individuelles Leben huldigt. Russells Leben ist beispielhaft gewählt, durch sein Ringen um Erkenntnis, welches immer auch Opfer fordert. Anhand anderer Figuren kann man das gut sehen. Somit ist der Band nicht nur eine Biographie, sondern auch ein Über-Text über das Ringen um Ordnung.
Logicomix
Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann
Verlag:
Süddeutsche Zeitung GmbH
Preis:
€ 14,90
ISBN 10:
3864970040
ISBN 13:
9783864970047
352 Seiten
Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser
- Selbstreferenzialität
- Grundlegende Themen der Wissenschaft werden behandelt
- mathematische Aspekte verständlich
- Lebendigkeit der Darstellung
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic | ||
Bewertung: | ||
(1 Stimme) | ||
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Rezension vom: | 16.04.2012 | ||||||
Kategorie: | SZ Bibliothek Graphic Novels | ||||||
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