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Comic-Besprechung - Tiresias
Geschichten: Tirésias Intégrale
Autor: Serge Le Tendre
Zeichner: Christian Rossi
Story:
Der Schönling und Hoplit Tiresias verführt Männlein wie Weiblein und wird selten von Reue geplagt, wenn er seine Liebesabenteuer hinter sich lässt. Egoistisch und unmoralisch wie er ist, denkt er sich nichts dabei, als er aufgrund einer Wette eine Priesterin der Athene vergewaltigt. Aber keine Handlung ohne Konsequenzen. Die Göttin sieht es jedenfalls gar nicht gerne, wenn Tiresias ihrer spottet. Die Strafe folgt auf dem Fuße und bringt das Leben des Schwerenöters gehörig durcheinander. Erst wenn er sich für das Wesen aufopfert, das ihm das Liebste ist auf der Welt, kann er Athenes Fluch von sich lösen. Und das ausgerechnet bei jemandem, der sich selbst immer nur das Wichtigste im Leben war.
Meinung:
Tiresias Schicksal ist mythologisch bekannt. Eine etwas andere Variante bieten jetzt Le Tendre und Rossi, die sich bei den wesentlichen Elementen bedient aber auch nicht sklavisch dran gehalten haben. Tiresias ist ein ansehnlicher Krieger und ein Schwerenöter, dem es Männlein wie Weiblein angetan haben. Die athenische Liebe ist für alles offen. Nicht ganz so tolerant empfinden es Tiresias Liebhaber, wie zum Beispiel Calypto. Er sieht es gar nicht gerne, wenn er nur einer von vielen ist. Liebe kann schon schmerzhaft sein. Oder ein luftig leichtes Ding auf dem Mann sich tragen lassen kann und dem nicht die Spur von Verantwortungsbewusstsein, Empathie oder Reue anhaftet. Es war eine Frage der Zeit, bis Tiresias mit diesem Verhalten den Göttern in die Quere kommt.
Le Tendre und Rossi ziehen den Leser mit in eine Welt, in der Mythos und Tatsache beschaulich nebeneinander standen. Mit sehr viel Liebe und einem schönen Auge für Details ersteht das antike Griechenland auf den Seiten. Was Goscinny bei Asterix leistete, die Sorgfalt für akkurate und historisch größtenteils korrekte Szenarien, da kommt auch Christian Rossi sehr nah heran. Selbst ohne die Geschichte wäre der Comic Tiresias ein Augenschmaus mit seinen warmen, südländischen Farben, den wunderschönen Bildern und den lebendigen Figuren. Hut ab, schon lange nicht mehr solche stimmungsvollen Arbeiten gesehen, die derart ausgereift und harmonisch sind. Leichtfüssig nannte sie jemand und trifft damit voll ins Schwarze. Rossis Fähigkeiten werden auch nochmal von einem mehrseitigen Skizzenabschnitt am Ende des Bandes illustriert, der die Vielseitigkeit des Zeichners zeigen.
Wie schön, dass dann die Geschichte ebenso Vergnügen bereitet. Teils Komödie, teils Drama, teils Tragödie, manchmal schwer, manchmal leicht. Glaubhafte Charaktere beleben das Ganze und ausgerechnet der Hauptprotagonist und Titelgeber ist zu Beginn alles andere als sympathisch. Eine mutige aber letztlich weise Entscheidung, denn so kann man mit seinen Erfahrungen mitwachsen und an seiner Entwicklung teilhaben, bis man zum Schluss auch sein Leid mitfühlt. Zu Beginn ist man als Leser davon weit entfernt und sieht die Verwandlung Tiresias beinahe schon als zu milde Strafe für den selbstsüchtigen Soldaten, der mit der Vergewaltigung einer jungfräulichen Priesterin die Göttin Athene gegen sich aufbringt. Die Göttin der Weisheit, als auch des Krieges, die in Sachen Rachsucht ihrer Stiefmutter Hera in nichts nachsteht.
Das alte Spiel des Geschlechtertausches ist ein altes Thema, welches bereits in vielerlei Versionen durch verschiedenste Medien geisterte und durch unterschiedlichste Genre. Le Tendre nimmt das Thema, welches sich naturgemäß für Komödien eignet, sehr ernst und führt die weitere Entwicklung von Tiresias folgerichtig fort. Mit allen daraus erwachsenden Konsequenzen. Neben der Entwicklung des Charakters liegt hierin eine weitere große Stärke des Bandes, der damit wirklich auf allen Ebenen überzeugen kann. Im Grunde eine einfache Geschichte, deren tiefere Schichten aber bewundernswert ausgeleuchtet werden.
Selbst wenn nicht alle historischen Details stimmen, die Designs der Epochen etwas vermischt wurden und man trotz Schlachten nicht die klassische griechische Phalanx sieht, haben Rossi und Le Tendre haben nichtsdestotrotz ein echtes Händchen für den historischen Stoff, der durch die Verwirkung mit den Mythen ohnehin außerhalb jedweder Zeit steht. Mit La Gloire d’Héra tauchten die beiden Macher schon einmal ab in antike Gefilde, wo die Götter ebenfalls ihre Finger nicht vom weltlichen Geschehen lassen konnten. Eine Serie, die sich für Schreiber & Leser ebenfalls als Komplettedition und Fortsetzung anböte. Altmeister Le Tendre sollte allen Frankophilen ebenfalls ein Begriff sein und selbst eher albenscheue Menschen können mit Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit etwas anfangen.
Ein Interview, wie es beim Comic-Guide angekündigt war, findet sich in Tiresias übrigens nicht. Stattdessen finden sich zu den einzelnen Skizzen kurze Kommentare über die Herangehensweise und Kommentare zu den Motiven der Geschichte.
Fazit:
Ein klasse Album mit einer unterhaltsamen, wie tragischen Geschichte, die mit wunderbaren Bildern glänzt. Der Leser wird in eine Welt geführt, in der die Götter noch handfest in das Leben der Sterblichen eingriffen, mit allen daraus folgenden Konsequenzen. Comics wie Tiresias sollte es häufiger geben. Aber Perlen wären nicht wertvoll, wenn es sie zu hunderten gäbe. Hier ist eine davon.
Tiresias
Autor der Besprechung:
Alexander Smolan
Verlag:
Schreiber und Leser
Preis:
€ 27,80
ISBN 10:
978-3-941329-72-2
ISBN 13:
978-3-941329-72-2
112 Seiten
Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser
- hervorragend abgerundete Geschichte in der Welt der Antike
- gute Charakterentwicklung
- warme und detailreiche Zeichnungen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic | ||
Bewertung: | ||
(1 Stimme) | ||
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Rezension vom: | 29.11.2011 | ||||||
Kategorie: | One Shots | ||||||
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Leseprobe | |||||||
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