Nein, diese
Geschichte nimmt kein gutes Ende. Hubert, Marie Pommepuy und Sébastien Cosset
(die gemeinsam den Künstlernamen Kerascoet tragen) wollen es nicht anders. In
der engen Welt ihres „Fräulein Rühr-mich-nicht-an“ gibt es zwischenmenschliche
Wärme allenfalls vorübergehend. Die gierige, gewalttätige Triebhaftigkeit der
Männer ist das erste und beinahe alles bestimmende Naturgesetz dieser
Wirklichkeit. Ihm sind auch die Frauen der Geschichte unterstellt: sei’s, indem
sie die Männerlust geschickt für ihre Zwecke manipulieren (wie die
Edelprostituierte Josephine), sei’s, indem sie sie zu liquidieren versuchen
(wie die Mutter von Blanches Geliebtem Antoine).
Aber alles der
Reihe nach. Hinter dem merkwürdigen Titel des Comics verbirgt sich seine
Hauptfigur, die junge Blanche, die mit ihrer Schwester Agathe ein schäbiges
Dachzimmer im Paris der 30er Jahre bewohnt. Die beiden sind aus der Provinz in
die Hauptstadt gezogen, um als Dienstmädchen zu arbeiten. Eines Tages aber wird
Blanche Zeugin der Ermordung ihrer Schwester. Der Hintergrund: Ein
Mädchenkiller treibt sein Unwesen im Umfeld der Guinguettes, der Tanzlokale bei
Paris. Blanche hatte durch ein Loch in der Wand beobachtet, wie nebenan ein blondes
Mädchen von zwei Männern abgeschlachtet wurde. Die Männer wiederum sind Blanche
auf die Schliche gekommen, als sie das Loch in der Wand bemerkten. Als Agathe,
noch ungläubig über die angebliche Beobachtung ihrer Schwester, beim nächsten Mal
durch das Guckloch spät, schießt ihr einer der Kerle eine Kugel in den Kopf.
Zutiefst
traumatisiert durch den Tod ihrer Schwester landet Blanche auf der Straße und
dann im Pompadour, einem Pariser Edelbordell. Dort gelangt sie unter dem
titelgebenden Namen „Fräulein Rühr-mich-nicht-an“ als jungfräuliche Domina zu
einigem Ruhm. Sie möchte aber eigentlich gar nicht als Prostituierte arbeiten,
sondern den Mörder ihrer Schwester und also den mittlerweile legendären
Serienkiller ausfindig machen. Neben einer schönen Milieustudie ist der erste
Teil von „Fräulein Rühr-mich-nicht-an“ deshalb vor allem eine
Kriminalgeschichte (deren delikater Ausgang hier natürlich nicht verraten
wird). Das ändert sich im zweiten Teil des Bandes, wo Blanche, die immer noch
im Pompadour ihren Lebensunterhalt verdient, einen Freier kennen lernt, der ihr
nach allen Regeln der Kunst den Hof macht. Zufällig ist der Mann, der Antoine
heißt, nicht nur hübsch und artig, sondern auch Spross einer
Industriellenfamilie und steinreich. Als er sie mit kostbaren Geschenken
überhäuft, in seinen Freundeskreis einführt und endlich auch seiner Mutter
vorstellt, scheint Blanches Leben die lang erwartete Wende zum Guten zu nehmen.
Aber irgendetwas stimmt nicht mit Antoine. Als er dann auch noch plötzlich
verschwindet, sieht sich Blanche erneut gezwungen, einer Katastrophe in ihrem
Leben detektivisch auf den Grund zu gehen.
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