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Krepier oder Stirb
Bela Sobottke im Gespräch mit Christian Endres

Wüste Western-Hommage aus Deutschland
Noch bevor er lesen konnte, hat sich Bela Sobottke die Comics seines Bruders angesehen. Nach den solchermaßen konsumierten Klassikern Asterix und Tim und Struppi war dann Lucky Luke dran, sein erster selbst gekaufter Comic und eine seiner frühesten Western-Erfahrungen. In seiner Jugend zeichnete Sobottke
zunächst neue Comic-Abenteuer mit seinen Helden, ehe er mit 15 erste eigene Zombie-Onepager schuf. In der Schülerzeitung blieben seine Comics wegen ihres schon damals ausgeprägten Härtegrades jedoch nicht allzu lange. Heute finden sich unter den Veröffentlichungen des Berliner Diplom-Designers, Grafikers und Comic-Künstlers so pulpige Perlen wie König Kobra, Knochen Jochen oder Ingo der integrale Ingenieur. Sein neuestes Werk Krepier oder Stirb erschien im Sommer 2012 bei Gringo Comics. Die darin geschilderten Erlebnisse des stotternden und deshalb meist reimenden Revolverhelden Sam Tom Rocco Anger alias S.T.R.ANGER sind eine ebenso würdige wie wüste Schwarzweiß-Hommage an den Spaghetti-Western. Im Interview spricht Bela Sobottke über deutsche Independent-Comics, seine Liebe zum Italo-Western und das Duell zwischen Blueberry und Comanche.

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Hallo Bela. Kannst du dich an deinen ersten Western erinnern?

Mein erster Western-Comic war vor langer Zeit Lucky Luke. Der erste filmische Western müsste diese alte ZDF-Serie Western von gestern gewesen sein. Daran habe ich nur rudimentäre Erinnerungen ... Fuzzy mit seinem Katschi ist hängen geblieben.

Was macht für dich die Faszination am Western- Genre aus?

Der Western basiert auf historischen Fakten, kann aber trotzdem irreal und überzeichnet sein. In dieser Gemengelage reicht das Spektrum von der Haudrauf-Komödie über den Weird Western bis zum Revolutionsdrama. Alles das bietet dir der Wilde Westen!

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Denkst du, die Leute reduzieren Western zu schnell und zu oft auf Bonanza, Karl May und John Wayne?


Ja, das ist wohl so. Wenn man beispielsweise vom deutschen Western spricht, assoziieren die meisten Karl May. Dabei gibt es viel mehr deutsche Western, z.B. Potato Fritz mit Hardy Krüger, oder Deadlock von Roland Klick ... Man bringt sich um viele aufregende Erfahrungen, wenn man sich mit der von dir umrissenen Seite des Genres zufrieden gibt.

Regisseure wie Leone und Corbucci haben den Western im Kino geprägt, europäische Künstler wie Charlier und Giraud das Genre im Comic. Weshalb haben Europäer ein solches Händchen für das uramerikanischste aller Genres?

Aus amerikanischer Sicht ist der Western ein emotional stark aufgeladenes Genre. Es wird verbunden mit nationalem Gründungsmythos und der damit einhergehenden Schuldfrage, was Sklaverei und den Umgang mit den amerikanischen Ureinwohnern angeht. Das führte zu Glorifizierung, Verdrängung und Uminterpretation. Die Europäer konnten viel unverkrampfter und leichtfüßiger an das Genre herangehen und so dem Western ganz neue Facetten und Sichtweisen abgewinnen.

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Merkt man beim Western am deutlichsten die Verwandtschaft von Comic und Film?

Im Prinzip sieht man die Verwandtschaft zum Film in jedem Comic: Das Zusammenspiel von Bild und Wort, Schnitt, Gegenschnitt, Kamerafahrt, all das hat seine Entsprechung im Comic. Wenn dann noch genrespezifische Bildsprache hinzukommt, tritt die Verwandtschaft allerdings noch deutlicher zutage. Zwei Beispiele aus Krepier oder Stirb: Im Comic gibt es viele großformatig-breite Landschaftsaufnahmen, wie man es auch aus Western-Filmen kennt. Damit werden Weite und beeindruckende Ursprünglichkeit kommuniziert. Als der S.T.R.ANGER in die Schlachterei der Kannibalen eindringt, wechselt die Erzählweise auf kleine, sehr dunkle, ausschnitthafte Panels, wie es auch im Horrorfilm gemacht wird, um Unübersichtlichkeit und Ungewissheit zu symbolisieren.

Die großen Tage des Westerns im Kino sind vorbei. Wieso hat er im franko-belgischen Comic den Raum gefunden, sich weiter zu entfalten?

Die Herstellung eines Comics ist, verglichen mit der Herstellung eines Kinofilms, eine günstige Sache. Hier ist es eher möglich, Durststrecken zu überwinden, was zu einer hohen Artenvielfalt im Comic geführt hat. Das straff auf kommerziellen Gewinn kalkulierte Kino mit seinen riesigen Produktionsapparaten reagiert auf rückläufige Besucherzahlen hingegen sofort mit Absetzung.

Was macht für dich die Ästhetik des Westerns aus? Und was kennzeichnet den Italo-Western hier noch mal besonders?

Der Western hat eine flirrende Atmosphäre, ist staubig und verschwitzt. Es gibt die bereits erwähnten Panoramaaufnahmen, kontrastiert mit Nahaufnahmen von zerfurchten Gesichtern und Händen, die nach Revolvern greifen. Die Italiener haben all das perfektioniert: Die “italienische Einstellung” treibt die Nahaufnahme auf die Spitze und zeigt formatfüllend die zu zwei Schlitzen zusammengekniffenen Augen des Protagonisten. Duelle werden zerdehnt, Langsamkeit wird zelebriert, um dann in plötzlichen Gewalteruptionen aufgelöst zu werden.

War es schwer, die typische Western-Bildsprache in Comicform einzufangen?

Wenn man im Leben genug Western angesehen hat, macht man vieles intuitiv. Natürlich habe ich vor und während der Arbeit an Krepier oder Stirb noch mal viele Western studiert. Das einzige, was ich nicht im Comic einsetzen konnte, war diese geniale Musik, die die Italiener, allen voran Morricone, für den Western erfunden haben. Das habe ich dann im Trailer zum Comic nachgeholt, zu sehen auf vimeo.com/channels/2werk.

Weiter geht es im Interview in Zack 161...


Special vom: 08.11.2012
Autor dieses Specials: Christian Endres
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Editorial von Georg "efwe" Tempel
Bärenmond
Die fünf Hurenkinder des Captain Crown
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