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Animal’z
Die Veröffentlichung eines neuen Albums von Enki Bilal ist immer ein besonderes Ereignis. Seine außergewöhnlichen Erzählungen und die zum Staunen schönen Zeichnungen garantieren ein Leseerlebnis der besonderen Art, in dem er den Leser mitnimmt in die Sphären seiner eigenen Welten. Nun ist nach der verstörenden und nur wenig optimistischen, vierteiligen Trilogie um die drei Waisenkinder aus Sarajewo Leyla, Amir und Nike (Der Schlaf des Monsters, 32. Dezember, Rendez-Vous in Paris und Vier?!; 1998-2007) mit Animal’z eine überraschend optimistische und lebensbejahende Geschichte des Franzosen erschienen.

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Enki Bilal wurde als Enes Bilal am 7. Oktober 1951 in Belgrad geboren. Sein Vater war jugoslawischer Staatsbürger, seine Mutter Tschechin. Seine Eltern waren der Ansicht, sich selbst und ihrem Sohn im kapitalistischen Westen eine bessere Zukunft bieten zu können, und so emigrierte die Familie 1960 in die französische Hauptstadt. In Paris stand Enes als Zehnjähriger einer fremden Sprache und Kultur  gegenüber, mit der er sich anfangs schwertat, die für seinen Lebensweg aber entscheidend werden sollte. Die Lektüre der klassischen französischsprachigen Comic-Magazine wie Spirou, Tintin oder Pilote boten dem jungen Bilal mit ihrer universellen Zeichensprache den Zugang zum Fremden und gaben ihm Gelegenheit, sich selbst durch Zeichnungen auszudrücken.

1966 entdeckte er die Geschichten von Pierre Christin und Jean-Claude Mézières in Pilote und beschloss daraufhin, auch Comic-Zeichner zu werden. Deshalb studierte er nach dem Abitur für ein paar Monate an der Hochschule der Schönen Künste in Paris und zeichnete nebenbei erste Comics. Als er 1971 den Talentwettbewerb für Nachwuchszeichner von Pilote gewann, bedeutete das den entscheidenden Durchbruch: In der am 16. März 1972 veröffentlichten Ausgabe 645 erschien Bilals erste Geschichte.

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Den ebenfalls zu den engeren Mitarbeitern von Pilote zählenden, um dreizehn Jahre älteren Pierre Christin lernte Bilal nun persönlich kennen. Mit diesem arrivierten Szenaristen begann er 1975 eine Reihe von Erzählungen, die unter dem Serientitel Legendes d‘Aujourd‘hui (dt. Legenden von heute) liefen, und von denen La croiserie des oublies (dt. Die Kreuzfahrt des Vergessenen), La ville qui n‘existait pas (dt. Die Stadt, die es nicht gab) und Partie de chasse (dt. Treibjagd) bis heute zu den politisch ambitioniertesten und besten Comics der 1970er und frühen 1980er Jahre zählen.

Als weiterer Meilenstein seiner Arbeiten kann das für das französische Magazin Métal Hurlant entstandene Sciencefiction-Album Exterminateur 17 (1976/77; dt. Exterminator 17) zählen, das er gemeinsam mit dem Chefredakteur des Magazins Jean-Pierre Dionnet gestaltete, und das als einflussreiche Inspiration diverser Hollywood-Blockbuster der 1980er Jahre gilt.

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Danach war Enki Bilal bereit für seine eigene Serie. In Pilote begann im Januar 1980 die Vorveröffentlichung von La Foire aux Immortels (dt. Die Geschäfte der Unsterblichen), dem ersten Teil der als Nikopol-Trilogie legendär gewordenen Reihe um Alexander Nikopol. Mit dem zweiten Teil La femme piège (1986; dt. Die Frau in der Zukunft) gelang es Bilal nicht nur, eine zeitgemäße und spannende Geschichte zu erzählen, sondern auch das Lebensgefühl der 1980er Jahre mit seiner digitalen Revolution und dem Beginn des als Perestroika bezeichneten Prozesses zur Modernisierung von Wirtschaft, Kultur und Politik in den Ostblockstaaten abzubilden.

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Bilal verarbeitete mit diesem Album auch seine eigene Vergangenheit und Herkunft; ein Thema, das ihn bis heute nicht loslässt. In den ausgehenden 1980er und beginnenden 1990er Jahren beendete Bilal mit Froid Équateur (dt. Äquatorkälte) den Nikopol-Zyklus und war als Zeichner diverser Einzelbände aktiv. Außerdem war er als Illustrator in der Werbung und auch als bildender Künstler für Kunstgalerien begehrt. Und vielleicht war es die Erkenntnis, im graphischen Sinne alles erreicht zu haben, die ihn schließlich dazu brachte, einen Kinofilm zu drehen. Während sein Erstling Bunker Palace Hotel 1989 noch unter einfachen Bedingungen gedreht wurde, wenngleich mit prominenter Unterstützung von Jean-Louis Trintignant in der Hauptrolle, erhielt der Film große Aufmerksamkeit in den Medien und in der Öffentlichkeit.

Dieses Interesse konnte er beim Start seines zweiten Films Tykho Moon (1997) noch steigern, und es verschaffte ihm den Status eines angesehenen Regisseurs unabhängiger Filmproduktionen. Sein dritter und bislang letzter Film Immortal (2004; dt. Immortal – Die Rückkehr der Götter), der vom ersten Nikopol-Album beeinflusst wurde, hatte mit hochkarätiger Besetzung und zeitgemäßer Tricktechnik international den bislang größten Erfolg.

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Special vom: 27.03.2010
Autor dieses Specials: Volker Hamann
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Editorial von Georg F.W. Tempel
Von Hasen, Enten und anderen Menschen
Die weiteren Serien in dieser Ausgabe
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