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Interview mit Luisa Preißler, Autorin des Comics Hexenrichter
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Luisa_Preissler_Foto_393x322_RGBAbschließend möchten wir auch noch die Autorin des Comics Luisa Preißler zu Wort kommen lassen.

Die Veröffentlichung Deines Comics und vor allem Deine Bachelorarbeit ist ja schon eine ganze Weile her. Hat Dich die Beschäftigung mit Deinem Comic im Kulturausschuss der Stadt Lemgo überrascht?

Es hat mich schon etwas überrascht, dass mein Comic für solche Aufregung und Empörung sorgt. Ich finde es interessant, dass er von einigen Seiten so verteufelt wird - anscheinend sind wir doch noch nicht ganz im 21. Jahrhundert angekommen. Aber Comics werden ja oft schnell in eine Schublade gesteckt - und zwar meist in die unterste.

Wie wurde der Kulturausschuss überhaupt auf Deinen Comic aufmerksam?

Ich schätze durch einen Zeitungsartikel in der Lippischen Landeszeitung vom 23.01., der sich um die mögliche Verfilmung des Comics drehte.

Hat man Dich zu der Sitzung des Kulturausschusses eingeladen?

Nein, man hat mir lediglich mitgeteilt, dass mein Comic im Zusammenhang mit dem Umgang des Themas Hexenverfolgung in Lemgo spontan mit auf die Themenliste gesetzt wurde.

Hat Dich die Stadt nach der Sitzung kontaktiert?

Nein, mich hat niemand von der Stadt nach der Sitzung kontaktiert. Die Lippische Landeszeitung hat mich allerdings am nächsten Tag angerufen.

In der Ausschusssitzung wurde mehrfach der Comic als sexistisch und auch frauenfeindlich bezeichnet. Du bist selbst eine Frau: Wie siehst Du das?

Ich muss davon ausgehen, dass die Comic-Geschichte nicht zuende gelesen oder verstanden wurde. Meine weibliche Hauptfigur unterwirft sich absichtlich dem Bürgermeister, aber nur um sein Vertrauen zu erschleichen, ihn in den Tod zu treiben und dadurch Rache an ihm zu üben. Das wird am Ende des Comics aufgelöst. Natürlich nimmt sie dabei eine inferiore Rolle ein, denn der historische Hermann Cothmann war kein Nationalheld. Er war frauenverachtend, ja sogar menschenverachtend. Interessant ist dabei, das anders als in der Realität in meiner Geschichte am Ende die Frau die Starke und Überlegene ist und sich eindeutig in einer Machtposition befindet. Sie hat nach seinen bösen Regeln gespielt und gewonnen. Ich kann nicht nachvollziehen, was daran sexistisch ist.

Dem Comic wurde auch vorgeworfen historisch schlecht recherchiert gewesen zu sein. Herr Dr. Pohlmann präzisierte im Interview uns gegenüber, dass damit vor allem der Textteil der Arbeit gemeint gewesen sei. Wie siehst Du diesen Kritikpunkt?

Ich finde es generell schwierig, einer freien Interpretation vorzuwerfen, sie wäre schlecht recherchiert. Hätte ich historisch korrekt bleiben wollen, hätte ich mir ja keine eigene Geschichte dazu ausgedacht. Ich kenne die historischen Fakten jedoch und lege sie anhand von Quellenangaben im schriftlichen Teil meiner Arbeit dar und erkläre auch, warum ich von ihnen abweiche. Alle meine Recherchen sind korrekt und für die Umsetzung der Arbeit mehr als ausreichend.

Hast Du während der Recherche für den Comic das Stadtarchiv besucht und Dich mit Experten zu diesem Thema unterhalten?

Ein Besuch des Stadtarchiv wäre für meine Recherche möglich, jedoch viel zu umfassend gewesen. Ich habe einige Fachbücher zur Hexenverfolgung in Lemgo sowie zur Hexenverfolgung allgemein gelesen, um die Machtprinzipien, die Mentalität und den Ablauf der Hexenprozesse zu verstehen. Wie schon gesagt, es geht in meinem Comic nur um die groben Eckdaten der historischen Geschichte und nicht um eine geschichtswissenschafltiche Abhandlung.

Wie gestaltete sich die Arbeit zu Deiner Bachelorarbeit im Einzelnen?

Ich habe in einem Dramaturgie-Wahlpflichtfach an der FH die Geschichte zum Comic entworfen. Die Eckdaten um Hermann Cothmanns Leben habe ich dort schon durch eine intensive Internetrecherche miteingeflochten. Als es dann an meine Bachelorarbeit ging, habe ich mich mit Literatur zu dem Thema beschäftigt, um abzuwägen, welche Teile der historischen Realität ich in meinen Comic einflechten möchte und welche ich frei erfinde. Es stand auch ein Besuch des Hexenbürgermeisters sowie eine historische Kostümrecherche an, um mich visuell an die damalige Zeit anzulehnen. Schließlich habe ich meine Geschichte in ein Comicscript transferiert und den Comic gezeichnet. Später kam dann noch die theoretische Ausarbeitung hinzu, in der ich mich auch mit der Hexenverfolgung, aber vor allem mit dem Medium Comic auseinandergesetzt habe. Das alles geschah innerhalb von 8 Wochen.

Deine Abschlussarbeit sollte sich mit dem Thema Comic beschäftigen und auch einen solchen beinhalten. Würdest Du im Nachhinein gesehen eine komplett fiktionale Geschichte wählen?

Das würde bedeuten, dass ich mich durch Einschüchterung und Vorwürfe von Seiten der Stadt Lemgo in meiner künstlerischen Freiheit beschneiden lasse. Ich habe nichts falsch gemacht und jeder darf seine Meinung zu dem Thema haben. Kunst ist eben oft kontrovers.

Der Hexenrichter sollte auch verfilmt werden. Die Stadt will nun keine Genehmigung für die originalen Drehorte erteilen. Was wird nun aus dem Filmprojekt?

Das hängt in erster Linie nicht von der Genehmigung der Stadt ab, sondern davon, ob wir die Gesamtfinanzierung durch Förderanträge in NRW zusammen bekommen. Drehen können wir auch woanders, allerdings wäre es schon peinlich wenn sich die Stadt ein so werbewirksames Projekt entgehen lassen würde, nur weil der Ausschuss für Kultur und Touristik nicht Fiktion von Fakten unterscheiden kann.

Hast Du Reaktionen Deiner Leser zu der Kritik in der Ausschusssitzung erhalten und wie fallen diese aus?

Die Reaktionen meiner Leser waren durchweg positiv und aufbauend, teilweise unterhaltsam. Ein paar davon kann man auf der Seite der Lippischen Landeszeitung nachlesen...

Das Interview führte Bernd Glasstetter.
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Special vom: 15.02.2013
Autor dieses Specials: Bernd Glasstetter
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