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Interview mit Dr. Oliver Herrmann, Präsident der Hochschule Ostwestfalen-Lippe
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Dr_Oliver_Herrmann_2Wir hatten die Gelegenheit ein Interview mit Herrn Dr. Oliver Herrmann zu führen. Er ist Präsident der Hochschule Ostwestfalen-Lippe. An der Hochschule hatte Luisa Preißler ihre Bachelorarbeit vorgelegt.

Der Kulturausschuss hat sich kürzlich mit dem Comic „Hexenrichter“ von Luisa Preißler und der zugehörigen Bachelorarbeit befasst. Waren sie darüber im Vorfeld informiert worden?

Ja, ich wusste darüber Bescheid, dass der Kulturausschuss zum Comic Stellung beziehen wird. Deswegen hat eine Mitarbeiterin der Pressestelle an der Sitzung teilgenommen.

Wie sehr hat sie die harsche Kritik des Kulturausschusses überrascht?

Ich war schon überrascht. Es handelt sich hier um eine fiktionale Arbeit einer Studentin aus einem kreativen Bereich. Ihr Hauptanliegen war es, die Rache einer Frau künstlerisch aufzuarbeiten. Die Studentin hat darüber hinaus eine fiktionale Verarbeitung des Themas Hexenverfolgung jederzeit deutlich gemacht. Ich denke auch, dass an dieser Stelle die Herangehensweise aus einem kreativen Feld mit einer geschichtswissenschaftlichen Bearbeitung verwechselt wird. Die Abschlussarbeit in der Medienproduktion zielt ja nicht auf die Prüfung von geschichtlichen Fakten.

Sind die Kritikpunkte für Sie nachvollziehbar?

Ich respektiere die Meinung des Kulturausschuss. Natürlich geht man mit dem Thema Hexenverfolgung in Lemgo sensibel um. Mit Blick auf die Abschlussarbeit zählt für mich, dass sich Luisa Preißler künstlerisch mit dem Thema auseinander gesetzt und dabei ihre Grundrechte Meinungs-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit ausgeübt hat. Ich möchte an dieser Stelle auch darauf hinweisen, dass sich die Studentin zwar von Maria Rampendahl hat inspirieren lassen, aber es sich bei der Figur Maria im Comic nicht um eben diese handelt. Darauf weist Frau Preißler auch in Ihrer Abschlussarbeit hin.

Wir haben mit Dr. Pohlmann, dem Fraktionsvorsitzenden der CDU, gesprochen. Er spricht davon, dass sein Standpunkt viel Unterstützung erfahren hat. Der Journalist Dieter Asbrock, der einen kritischen Kommentar über die Ausschusssitzung verfasst hat, spricht hingegen davon, dass sehr Viele seinen Standpunkt unterstützt haben. Wie haben insbesondere die Menschen in Lemgo Ihnen gegenüber auf die Angelegenheit reagiert?

Ich bin persönlich nicht auf dieses Thema angesprochen worden.

Herr Dr. Pohlmann hat auch von zustimmenden Reaktionen auf seine Kritik aus der Hochschule selbst berichtet. Wie schätzen Sie die Meinung zu dem Comic und der Kritik daran innerhalb der Hochschule ein?

Sicherlich gibt es an der Hochschule OWL unterschiedliche Meinungen zu dem Comic. Das ist ja auch nur gut so, denn Kunst soll unterschiedliche Reaktionen hervorrufen und Diskussionen anregen. Grundsätzlich steht man an der Hochschule OWL hinter der Absolventin und dem Fachbereich, in dem die Prüfung abgelegt wurde.

Ist dieser Comic die erste Bachelorarbeit in dieser Form an Ihrer Hochschule?

Comics sind in der Tat eher seltene Formen von Abschlussarbeiten.

Wie ist das Comicprojekt entstanden?

Frau Preißler ist begeistert von Comics, grafische Arbeiten liegen ihr. Es lag daher nahe, einen Comic als Abschlussarbeit zu wählen.

Gab es während des Projektes einen Zeitpunkt, an dem Kritiker ihre Sichtweise hätten einbringen können?

Es handelt sich hier um eine eigenständig abzuleistende Abschlussarbeit. Sinn und Zweck der Prüfungsleistung ist es, die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten von Frau Preißler zu überprüfen und zu bewerten. Es ging Frau Preißler darum, eine fiktionale Geschichte zu erzählen und nicht um die Abbildung von Realität. Natürlich steht ein Kunstwerk, so es abgeschlossen ist, der Kritik offen.

Dr. Pohlmann von der CDU hat die Hochschule dazu aufgefordert Stellung zu beziehen. Wie stehen Sie zu dieser Aufforderung?

Die Stadt Lemgo und die Hochschule OWL arbeiten sehr gut zusammen. Nachdem Bürgermeister Austermann mich persönlich gebeten hat, komme ich der Bitte nach einer Stellungnahme gerne nach. Ich freue mich über den gemeinsamen Dialog über Kunst und Geschichte in der Region. Hier können sicherlich neue Perspektiven eröffnet werden und das ist in meinen Augen auch das Anliegen von Wissenschaft und Kunst.

In unserem Interview mit Dr. Pohlmann hat er insbesondere den Textteil der Abschlussarbeit kritisiert. Die Arbeit wurde mit der Note 1 bewertet. Wie sehen Sie rückblickend diese Bewertung?

Der Prüfungsausschuss hat dieser Benotung zugestimmt. Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Fachbereich haben da die entsprechende Expertise, an dieser zweifle ich nicht. Der Textteil dreht sich hauptsächlich um das Medium Comic und um die Dokumentation der Herangehensweise an den kreativen Part. So ist es in der Medienproduktion üblich. Frau Preißler erklärt außerdem in einem Kapitel, woher sie ihre Inspiration für die Geschichte nimmt, wie plausibel vor diesem Hintergrund ihre fiktionalen Ideen und welche Aspekte tatsächlich ausgedacht sind. Ich möchte noch einmal betonen, dass es sich schon von der Art und Weise nicht um eine geschichtswissenschaftliche Arbeit handelt und daher auch entsprechende Maßstäbe angelegt werden.

Der Comic wurde ohne die begleitenden Fachtexte in der Publikation „Horrorschocker“ aus dem Weissblech-Verlag veröffentlicht. Wäre es im Rückblick besser gewesen, die reine Comicgeschichte stärker redaktionell zu begleiten als es geschehen ist?

Die Comicgeschichte ist mit einem begleitenden Text erschienen, in dem auf die geschichtlichen Aspekte hingewiesen wird. Die fiktionalen Elemente der Geschichte wurden historisch eingeordnet. Die Leserschaft konnte sich also über die historischen Umstände informieren.

Welche Schlussfolgerungen zieht die Hochschule aus der Diskussion über den Comic, insbesondere was zukünftige Abschlussarbeiten in Comicform betrifft?

Die Hochschule bildet junge Menschen dazu aus, sich kreativ und kritisch – auch in Form eines Comics oder eines anderen fiktionalen Werkes – mit Themen ihrer Wahl auseinanderzusetzen. Es gibt keinerlei Bestrebungen, die Studierenden oder Lehrenden in ihrer Entscheidungs- und Meinungsfreiheit zu beschneiden. Das käme in meinen Augen einer Zensur gleich – das Gegenteil einer frei forschenden und lehrenden Hochschule.

Das Interview führte Bernd Glasstetter.
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Special vom: 15.02.2013
Autor dieses Specials: Bernd Glasstetter
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Comic erregt Politikergemüter
Interview mit Dr. Harald Pohlmann, Fraktionsvorsitzender der CDU in Lemgo
Interview mit Luisa Preißler, Autorin des Comics Hexenrichter
Der Skandal, der keiner war - Ein Kommentar
Gastbeitrag: Szene eines tödlichen Gerichtsverfahrens
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