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Zwei Meister - ein Genie: Eine Visite des Lebens Jean Girauds
Die Moebiusschleife, ein Band welches weder ein Innen noch ein Außen hat, ist einer der am häufigsten zitierten Begriffe im Zusammenhang mit dem Künstler Jean Giraud, der sich selbst das Pseudonym Moebius gab. Eine weitere Besonderheit dieses Bandes ist, dass es im Grunde kein Ende hat. Ein Umstand, der leider nicht auf den im Jahre 1938 geborenen Giraud zutraf. Am 10. März 2010 starb der Zeichner und mit ihm ging einer der ganz Großen nicht nur der (frankobelgischen) Comicwelt.

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Wie kaum ein anderer Künstler seiner Generation prägte Jean Giraud nicht nur das Genre in dem er beheimatet war, sondern befruchtete mit seinen Ideen und Werken auch die Filmwelten Hollywoods und die Vorstellungswelten von Millionen. Dabei waren es vor allem seine Arbeiten als Moebius, denen er dies zu verdanken hatte. Ein Name den er mit 25 Jahren das erste Mal verwandte, der aber erst in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts seine wahre Kraft entfalten sollte.

Zuvor stand jedoch erstmal eine andere Zeit. Bereits in jungen Jahren wuchs Jean Giraud vor allem mit Comics aus Frankreich auf, da der Zugang zum amerikanischen Markt versagt war. Zeichner wie Hergé oder Jijé, Magazine wie Tintin oder Spirou prägten das Bild dem Giraud nacheiferte. Er selbst zeichnete bereits eigene Comics von denen einige sogar veröffentlicht wurden. Dann kam seine Reise nach Mexiko.

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Seine Mutter war dorthin zu ihrem Liebhaber gereist und der siebzehnjährige Giraud sollte ihr für acht Monate dorthin folgen. So kurz der Aufenthalt war, er sollte den jungen Zeichner so sehr prägen, dass alles was danach kam von diesen gewonnenen Erfahrungen und Eindrücken zehren sollte. Die Wüste war es, die Giraud in ihren Bann zog. Ihre Farbspiele, ihre Konturen, ihre Formen, ihr Zauber und ihre scheinbare Unendlichkeit. Das Bild der Wüste führt durch Girauds Werk. Es findet sich explizit in den phantastischen Werken des Moebius, sollte ihn allerdings zuerst in ein etwas naheliegenderes Universum entführen: den Western. Nach einem Studium an der Académie des Beaux-Arts und der Ableistung seines Wehrdienstes zeichnete Giraud erst bei dem Magazin Spirou, bevor er später 1963 bei Pilote die Serie beginnen sollte, die seine Karriere endgültig anstoßen sollte. Leutnant Blueberry hieß sie und sollte den Anfang seines Ruhmes begründen.  

Der Comic um den Westernhelden und amerikanischen Offizier Blueberry, dessen Ähnlichkeit mit Jean-Paul Belmondo nicht von ungefähr herrührt, entstand nach einem Szenario von Jean-Michel Charlier. Ein zur damaligen Zeit bereits etablierter Szenarist und, wenn man es so ausdrücken will, der Stein an dem Jean Giraud gänzlich zu der Person namens Moebius geschliffen werden sollte. Charlier war streng in der Form und der Zusammenarbeit. Giraud war als Zeichner eher ausführendes Instrument, als selbständiger Kreativer. Eine Rolle, die für jemanden wie ihn selbstverständlich zu klein sein sollte. Sollten manche Arbeiten Girauds bereits vor Pilote mit Moebius signiert worden sein, die tatsächliche Geburt des Pseudonyms begann in der Arbeit mit/gegen Charlier und lässt sich schließlich sogar auf ein genaues Datum beziehen.

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1973 kehrte die zweite Persönlichkeit des Jean Giraud mit Macht zurück und sollte von da an untrennbar mit dem Künstler verbunden sein. Giraud, oder jetzt besser Moebius, lebte nun das aus, was unter der Ägide von Charlier bei Blueberry nicht möglich war. Es begannen Ausflüge in die Phantastik und die Science-Fction, die sich keiner Form mehr beugten. Mit überkommenen Erzählstrukturen wurde gebrochen und Handlungen im eigentlichen Sinne ad absurdum geführt. Die Geschichten des Moebius orientierten sich mehr an unbewussten Bewusstseinsströmen und Einflüsse aus Traumwelten flossen ebenso in sie ein, wie Ansätze eines automatischen Zeichnens, wo die Handlung sich erst im Prozess des Ahbeitens weiterentwickelte. Moebius schaffte sich auch gleich ein Forum für diese Art von Geschichten und gründete zusammen mit Jean-Pierre Dionnet, Bernard Farkas und Philippe Druillet 1975 das Magazin Métal Hurlant. Danach war die Comicwelt eine andere.

Nicht nur revolutionierte Métal Hurlant (vor allem Moebius) mit Geschichten wie Arzach die Comiclandschaft, sondern inspirierte auch zahlreiche bekannte Autoren, Musiker und Filmemacher. Zu den bekanntesten zählen hier Dan O’Bannon und Ridley Scott, die ihre durch Moebius gewonnenen Eindrücke in Filmen wie Alien oder Blade Runner verarbeiteten. Aber auch Werke wie Abyss, Tron oder Das Fünfte Element profitierten von den Bilderwelten eines Moebius und wären ohne sein Wirken nicht denkbar. Zusammen mit Alejandro Jodorowsky machte sich Moebius gar an eine Umsetzung von Dune - Der Wüstenplanet für die große Leinwand. Das Projekt scheitert, begründete aber eine fruchtbare Zusammenarbeit der beiden Künstler, die ihren Auftakt gleich mit einem anderen Klassiker haben sollte. Viele der Ideen aus der Postproduktion zu Der Wüstenplanet wurden in dem seit 1981 erschienenen Comic John Difool/Der Incal verarbeitet.

Zu dieser Zeit zählte Jean Giraud zu den Anhängern der Ufo-Sekte von Jean-Paul Appel-Guéry und lebte mitsamt seiner Familie - 1967 hatte Giraud Claudine Conin geheiratet und mit ihr eine Tochter und einen Sohn - mit der Sektengemeinschaft auf Tahiti. Einflüsse aus dieser Zeit lassen sich bei John Difool nicht verhehlen und erst 1988 konnte sich der Künstler von dieser Gruppierung endgültig lösen. Wie so vieles im Leben des Giraud sollte auch diese Zeit sein weiteres Schaffen prägen und Eingang in seine Werke finden. Überhaupt merkt man Moebius Arbeiten an, dass sie von bestimmten Elementen und Themen in regelmäßigen Abständen beherrscht werden. Sei es die Wüste aus seiner Jugend, seine Erfahrungen mit bewusstseinserweiternden Drogen oder die häufige Verwendung bestimmter Figuren (wie die des Major Grubert). Nicht nur am Zeichenstil, den Moebius wie kein zweiter variieren konnte, erkennt man die Handschrift des Mannes, der mittels des Mediums Comic zu neuen Horizonten aufgebrochen war.

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Die großen Erfolge des Moebius blieben dann auch nicht unbemerkt und so kamen bald amerikanische Verlage auf ihn zu. 1988 gestaltete er für Marvel eine Geschichte des Silver Surfer für die sich kein anderer als Stan Lee verantwortlich zeichnete. Es sollte kein langer Ausflug in die Welt der Superhelden werden. Der Mann, der seinen Freigeist über die Comics auslebte, konnte sich nicht mit den zeichnerisch, wie spirituell „beengenden“ Verhältnissen des amerikanischen Comic abfinden. Dementsprechend kurz gestaltete sich diese Episode.

Die 90er standen wieder mehr im Zeichen des Blueberry, nachdem Jean Giraud sein Leben nach dem Bruch mit der Ufo-Sekte wieder in andere Bahnen lenken konnte. Von 1990 bis 1994 arbeitete er unter anderem an dem vierbändigen Comiczyklus Die Sternenwanderer, dessen Ursprünge sich in einem Reklamecomic für Citroën finden lassen. Überhaupt machte Moebius bekannter Strich in für die Werbeindustrie attraktiv, für die er bereits seit einigen Jahren als Illustrator arbeitete. Natürlich neben seiner Arbeit als Comiczeichner. Zusätzlich war er wegweisend bei dem Verkauf des eigenen Portfolios, seien es Drucke, Skizzen oder andere Werke. So erschloss er sich mit seiner Kunstfertigkeit weitere Einnahmequellen.

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In neuester Zeit knüpfte Moebius wieder an alte Erzählungen an. Anfang des Jahrtausends erschien John Difool nach dem Incal, wieder in Zusammenarbeit mit Alejandro Jodorowsky. Im selben Zeitraum entstand die Serie Mister Blueberry, wo die Leser einem gealterten Blueberry begegneten, und die Giraud inzwischen allein verwirklichte, nachdem Jean-Michel Charlier bereits 1989 verstorben war. Zuletzt entstand die von Giraud selbst lang ersehnte Fortsetzung seines Helden Arzach, mit dem er seinen ersten großen Erfolg als Moebius feierte. Der erste Band erschien 2010. Es sollte Moebius letztes Werk werden.


Special vom: 05.02.2013
Autor dieses Specials: Alexander Smolan
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Veröffentlichungen von und mit Moebius - Eine Auswahl
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