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König Marti
Hommage an Josep Marti Capell

Marti ist der Herr über unzählige Comicfiguren, doch er ist ein König im Hintergrund, denn nur wenige wissen, wer ihr Schöpfer ist. Am 28. Februar dieses Jahres wurde der große Unbekannte 80 Jahre alt – 60 davon verbrachte er im Dienst an der Neunten Kunst. Die SPRECHBLASE gratuliert mit etwas Verspätung ganz herzlich und würdigt das Lebenswerk dieses vielseitigen Künstlers mit einer Hommage, in der seine wichtigsten Werke vorgestellt werden.


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Der andere PRINZ EISENHERZ: PRINCIPE VALIENTE

Martis frühe Werke entstanden ab 1953 für den spanischen Verlag Editorial Ferma, darunter 1956 diese interessante Ritterserie nach einem Szenario des anarchistischen Schriftstellers Joan Llarch. AVENTURAS DEL PRINCIPE VALIENTE benutzt nicht nur denselben Titel auf Spanisch wie Hal Fosters PRINCE VALIANT, auch der Protagonist ähnelte dem Prinzen aus Thule optisch zumindest durch seine markante Frisur und Haarfarbe sehr stark. Dieser Prinz ist jedoch ein spanischer Edelmann namens Ricardo de Mesta, und sonstige inhaltliche Übereinstimmungen gab es nicht. Stilistisch erinnert die Serie eher an den ungefähr zeitgleich entstandenen EL CAPITAN TRUENO von Victor Mora, auch wenn dessen Handlung in einer späteren Epoche angesiedelt ist. Auch Mora wurde, wie so viele andere Künstler, von Fosters Sage vom Singenden Schwert inspiriert. Martis AVENTURAS DEL PRINCIPE VALIENTE spielt im spanischen Frühmittelalter. Die Serie beginnt mit einem heimtückischen nächtlichen Angriff des finsteren Prinzen Olgar auf die Burg des Königs, der bei den Kämpfen ums Leben kommt. Dessen Sohn Ricardo – der den Spitznamen Principe Valiente „Prinz Tapfer“ trägt – gelingt die Flucht, und er schwört dem Mörder seines Vaters Rache. Martis realistisches Schwarz/weiß-Artwork ist zu diesem frühen Zeitpunkt in seinem Schaffen bereits ziemlich ausgereift und erzeugt durch eine atmosphärische Dichte, die den Leser trotz des heute vielleicht etwas altbacken anmutenden Zeichenstils in den Bann zu ziehen versteht.

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TOM DOOLEY – Tom und Biber werden erwachsen


Etwa Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre beauftragte Rolf Kauka Peter Wiechmann mit der Reanimierung des FIX & FOXI-Funny-Westernklassikers TOM UND BIBER in einer zeitgemäßeren, erwachseneren und international konkurrierenderen Form. Wiechmann verwendete die Time Life-Buchreihe „Der Wilde Westen“ (die, nebenbei bemerkt auch Hansrudi Wäscher für BUFFALO BILL als Quelle diente) als Inspiration für seine Themenwahl, den Wettstreit der Eisenbahngesellschaften Union Pacific und Central Pacific um den Bau der Schienenverbindung zwischen Ost- und Westküste der USA. Dramaturgisch dient ihm der Spannungsbogen der LUCKY LUKE-Stories als Vorbild, die den fiktiven Helden in einem an wahre historische Begebenheiten angelehnten Setting zeigt, flankiert von reizvollen Nebengeschichten samt liebevollen Details in Wort & Bild. Die Geschichte trägt den Arbeitstitel: „Tom und Biberherz: Das Rennen der Feuerrosse“. Peter Wiechmann schrieb in SPRECHBLASE 195: „Im Run um den Löwenanteil an den goldenen Strömen der Regierungsgelder treiben die beiden Railway-Gesellschaften Union Pacific und Central Pacific ihre Trassen ohne Rücksicht auf Menschenleben, Pfusch und irreparable Naturvergewaltigung von Osten und Westen aufeinander zu. Die Regierung macht dem unverantwortlichen Wettrennen der Feuerrosse am 28. April 1869 ein Ende, indem sie Promontory Summit per Fingerzeig auf der Landkarte zum Treff- und Verknüpfungspunkt der gegnerischen Gleisanlagen bestimmten. Vollbeladen mit Prominenten aus Politik, Industrie und Gesellschaft dampfen die prächtigsten Züge der konkurrierenden Gesellschaften aufeinander zu… bis sich die Kuhfänger der steamenden Lokomotiven berühren. Und genau da wird der Nagel in die goldenen Gleisanlagen geschlagen, um den historischen Moment für immer zu verankern…“ So weit der historische Hintergrund der Story, die die neue TOM & BIBER-Ära einläuten soll. Damit der Wettstreit der Railwaygesellschaften fair über die Bühne geht, wird von jeder Seite ein neutraler Begleiter ins Rennen geschickt. Die Wahl der Westler fällt auf den uns aus den klassischen TOM & BIBER-Geschichten wohlbekannten Opa Nikodemus, der delegiert diese mehr oder weniger ehrenvolle Aufgabe jedoch an den jugendlichen Nachwuchs in Gestalt von Tom und Biberherz. Ihnen zur Seite steht der irische Lokomotivführer Roary McIntosh, eine fluchende, saufende und raufende Urgewalt von einem Mannsbild. McIntosh ist einem heiligen Schwur verpflichtet, die zweifellos interessante Geschichte dahinter würde er gerne einmal fertig erzählen, wird jedoch stets im spannendsten Moment durch Pfeil, Schuss, Explosion oder anderes im Wilden Westen alltägliches Ungemach daran gehindert. Erst am Ende der Story erfährt der Leser, was es damit auf sich hat. Martis Artwork für diese albenlange Episode zählt zweifellos zu seinen schönsten Arbeiten. Die graphische Wucht mit ihrer atmosphärischen Dichte braucht sich vor keinem frankobelgischen Semifunny-Klassiker zu verstecken.

Doch die gelungene TOM & BIBER-Neuinterpretation stand unter keinem guten Stern. Peter erinnert sich an Rolf Kaukas Reaktion auf seine Arbeit: „Er schreibt auf mein Manuskript TOM TOOLY & BIBERZAHN… Diese verbale Irreführung mag Blinde mit Krückstock von der Spur abbringen, aber Rolf Kauka setzt auf Abschreckung. „Da sollen sie sich erst mal die Zähne ausbeißen!“ Wer? Nun, ich denke er hat weniger Walter Neugebauers scheintot-ruhende Rechtsansprüche in Sachen TOM & BIBER im Auge, sondern mehr den Vertrag mit den neuen Inhabern der Rechte-Lizenzen. TOM & BIBER spielt dabei augenscheinlich eine gesonderte Geige.“ Diese Kalamitäten führen dazu, dass Martis „erwachsenes“ TOM & BIBER-Epos erst 1983 in der Nr. 9 der Taschenbuchreihe KAUKA GOLD COMIC BUCH unter dem Titel TOM DOOLEY: HÖCHSTE EISENBAHN erscheint. Das Ergebnis ist mehr als ernüchternd: die als 44-seitiges Album konzipierte Geschichte wurde auf 81 Taschenbuchseiten ummontiert und die knallige Farbgebung kleistert Martis zeichnerische Feinheiten zu. Die Texte entsprachen in keiner Weise den ursprünglichen Intentionen des Autors, aus dem Wortwitz der Vorlage wurden nichtssagende Routinedialoge. Von dem ursprünglichen „erwachseneren“ Konzept sind nur noch Spurenelemente übrig geblieben.

(Viel mehr in SPRECHBLASE 226)


Special vom: 09.01.2013
Autor dieses Specials: Stefan Meduna
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
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