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Le Gall: Ein Standbild
"Comiczeichner ist der Beruf eines gebeugten Mannes", sagte Morris einmal. Es ist auch ein Beruf mit Momenten der leidenschaftlichen Erregtheit, voller Zweifel und zwischen Brillanz und Zwiespältigkeit. Ein Beruf, der weder definierte Regeln noch feste Arbeitszeiten kennt, ein Raum der Freiheit, in dem äußere Ereignisse eingreifen und sich ins Werk einmischen können, bewusst oder unbewusst. „Eine von vielen Erinnerungen, die ich an die Zeit habe, als ich diese vier Alben realisierte, ist vor allem die Geburt meines ersten Sohns Robin. Inzwischen ist er ein Kolorist, der sich in unserem Metier einen lustigen Namen gemacht hat: Robin Doo. Darüber hinaus ist er ein talentierter Sänger und Musiker.

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Wir schreiben das Jahr 1989. Ich bin in meinem dreißigsten Lebensjahr, Robin in seinem neunten Monat. Ich glaube, ich habe gerade George Towns Geheimnis zu Ende gezeichnet, denn am Tag seiner Geburt war ich auf Seite 31. Wieso man sich gerade an ein solches Detail erinnert, bleibt mir ein Rätsel!

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1986 in Cannes, auf dem Schiff, das als Kulisse für den Film Piraten von Roman Polanski diente.

Da werde ich - zum ersten Mal - zum Comicfestival nach Angouleme eingeladen. Dort ist mein Album Das Schicksal der Maria Verita neben zwei anderen Titeln für den Preis als "bestes Album des Jahres" nominiert. Ich begebe mich also dorthin, allein! Und ich bin mir gar nicht so sicher, ob ich von dort erfolgreich zurückkomme. Ja, ich bin sogar davon überzeugt, nur als Besucher dorthin zu fahren - trotz aller Ermutigungen meiner Freunde und der Familie. Im Theatersaal, in dem die Preise vergeben werden, schubst mich mein Freund Berberian wach: Gerade ist wohl mein Name aufgerufen worden! Wie ein Schlafwandler steige ich auf die Bühne, stammle ein paar Entschuldigungsworte und verlasse die Bühne wieder. Plötzlich stehe ich vor einem Reporter von Europe 1, der meine ersten Eindrücke dokumentieren möchte! Verdammt! Das alles ist ganz neu für mich. Später, in DER Disco von Angouleme, bin ich plötzlich einer der Könige des Abends! Man fragt mich, was mir Druillet auf der Bühne ins Ohr geflüstert hat, und ich antworte völlig verblüfft: "War das Druillet, der da auf der Bühne stand?" Später, zurück in Rouen, verlässt mich dieser Zustand des Wachtraums nicht mehr. Fernsehen, Radio und die lokale Presse wollen mich interviewen. Meine Verleger sind entzückt. Es ist eine seltsame Stimmung zu Hause, das Telefon klingelt ununterbrochen.

Ich kann mich noch an diese eine Fernsehreportage erinnern, in der wir alle drei, Dominique Thomas und ich mit dem lebhaften Robin auf meinem Schoß, gefilmt werden und so tun, als würden wir mein eigenes Album Das Schicksal der Maria Verita lesen. Als perfektes Baby beißt Robin genau in diesem Augenblick in eine Ecke des Albums. Daraufhabe ich diesen Satz gesagt, der zwar gefilmt wurde, jedoch der Nachwelt nicht erhalten geblieben ist: "He, Robin! Diese Bücher ernähren uns! Ja, aber sie sind nicht zum Essen da." Und dann wird es eines Morgens wieder Zeit, mit der Arbeit anzufangen. Während mein Kopf noch wegen dieser kurzen Berühmtheit brummt, öffne ich mein Tuschefläschchen. Und da passiert, was mir noch nie passiert ist: Das Fläschchen fällt auf meine letzte Seite. In diesem Augenblick glaubte ich, Jean Debucourts Stimme zu hören, also die Stimme von Jesus in den Don-Camillo-Filmen, die mir einige strenge Worte über den Wert von Bescheidenheit und Arbeit zuflüstert..."


Special vom: 22.11.2012
Autor dieses Specials: Ehapa
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Carsten Rittgarns Daumen zeigt nach oben
Porträts über Kreuz
Ein Passagier namens Theodor Pussel
Leseprobe
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