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Karl May-Comics auf dem Prüfstand 2 - Bastei adaptierte nicht nur Bestseller
DAS FRÖHLICHE FEUERWERK

Von der May-Sammlerszene bis heute weitgehend unbemerkt oder ignoriert, erschien innerhalb dieser Taschenbuchreihe eine der umfangreichsten Comicumsetzungen.  Immerhin 26 (!) May-Romane wurden auf jeweils ca. 48  Seiten adaptiert, darunter sogar drei Titel aus dem Alterswerk. DAS FRÖHLICHE FEUERWERK (Titel ab Bd. 27: FELIX FEUERWERK) erschien ab Juni 1972 und brachte es bis zu seiner Einstellung 1977 auf 30 Bände. Der Hauptteil bestand aus Funnies, vorwiegend Lizenzmaterial aus Italien wie „Jonathan, der rasende Reporter“(im Original: „Giuseppe“) von Massimo Fecchi oder „Joe Razzo“ und „Tante Polly 1000 Volt“ (im Original: „Nonna HZ-333“) von Sandro Costa. Doch auch sonst sind einige Perlen enthalten: Willy Vandersteens „Wastl“ war zu Besuch in den Nummern 14 und 18-22. In Bd. 12-14 befinden sich Episoden der berühmten, hierzulande aber kaum erschienenen ONCLE PAUL-Serie aus dem SPIROU-Magazin unter dem Titel „Onkel Jo“. „Fanfan der Husar“ (von Gaty / Ollivier, nach dem großartigen Abenteuerroman von Benjamin Rochefort) durfte hingegen nur einmalig, in der Nr. 18, gegen die Mächtigen in den Krieg ziehen (war aber eine Zeitlang Zusatzcomic in Basteis ROBIN HOOD). Auch der Funny um die Indianerkinder „Moky und Pupy“ (Band 19-30) war sehr amüsant zu lesen.

Gleich in der Nr.1 durften sich die Leser über eine überaus gelungene Adaption von Mays „Durch wilde Kurdistan“ freuen. Der ansprechende Zeichenstil erinnert entfernt an Esteban Maroto, die Handlung hält sich eng an die Romanvorlage. Gleich auf der ersten Seite sticht die überraschend erotisch gezeichnete Tänzerin (die Tochter des Dorfvorstehers von Spinduri)  ins Auge. Man könnte hier trotz des unvorteilhaften Taschenbuchformats und der schrecklichen orange-rötlichen Zweifarbigkeit von einer der schönsten Umsetzungen sprechen. Nur die Darstellung von Hadschi Halef Omar sagt mir nicht zu, Kara Ben Nemsis im Original schmächtiger Begleiter wirkt hier eindeutig, als hätte er einen Diätplan der „Weight Watchers“ nötig. Mohammed Emins in Amadijeh befreiter (und im Buch erwachsener) Sohn Amad El Ghandur macht hingegen einen deutlich minderjährigen Eindruck. Manch jugendlicher Leser, der die die Romane nicht kennt, dürfte verwirrt gewesen sein, da der Comic relativ abrupt mit dem zweiten Teil des Orientzyklus beginnt, eingeleitet nur mit einem kurzen „Was bisher geschah“ in Textform.

Karl_MayKarl May musste in den Nummern 2-4 pausieren, hier übernahm „Bob Crockett“ den Abenteuerteil im FEUERWERK. Diese tolle Westernserie von Jorge Moliterni und Mino Milani dürfte jedoch bei den Lesern wenig  Anklang gefunden haben. Obwohl sie auch noch in den Nummern 5 und 6 neben den May-Stories enthalten war, verschwand sie danach aus dem FEUERWERK. Doch auch die liebevoll gestaltete BOB CROCKETT-Albenreihe von Salleck wurde nach nur zwei Bänden 2002/3 leider vorzeitig eingestellt. In FEUERWERK 5 kam es zu einem Comeback: auf dem Titelbild prangte der große Schriftzug: „Mit der großen Karl May-Geschichte IM BANNE DER VERSCHWÖRER“. – Hä?

Die Herkunft der May-Geschichten aus dem FEUERWERK ist so rätselhaft  wie die Identität von Lehning-Zeichner Harry Ehrt, denn Ursprungsland und Künstler sind selbst den renommiertesten Bastei-Experten bis heute unbekannt geblieben. Wir fragten bei Kennern aus der Szene nach, auch bei einem Fachmann für ausländische Trivialcomics, wir kontaktierten den ehemaligen Bastei-Redakteur Ewald Fehlau und wir suchten das Internet ab, aufgrund der spärlichen Angaben im Impressum der Bände – nichts! Hat Bastei das Material selbst produzieren lassen? Lediglich die in Bd. 5 enthaltene Story „Im Banne der Verschwörer“ ist den unsäglichen spanischen „Joyas Literarias Juveniles“ (Nr. 36) von Bruguera zuzuordnen, die man eher spanische Gurken nennen sollte anstatt literarische Juwelen (siehe SB 224, Seite 50-53). Auch bei Condor erschien diese Story, und zwar als Nr. 2 der KARL MAY- Heftreihe. Zählt man diese Folge hinzu, kamen im FEUERWERK sogar insgesamt 27 May-Comics zum Abdruck. Bei „Im Banne der Verschwörer“ handelt es sich wohl um eine Verschwörung gegen Karl May, denn die Handlung hat schlicht und ergreifend überhaupt nichts mit irgendeiner Erzählung von May zu tun. Aus dem Vorwort in FEUERWERK 5: „Dies ist die abenteuerliche Geschichte des deutschen Forschers Bernd Faber und des Apachenhäuptlings Jamo. Zwei Männer, die Zeugen eines grausamen Krieges in den Vereinigten Staaten werden, des Unabhängigkeitskrieges der Nord- und Südstaaten.“ Nun denn… Gott sei Dank verzichtete man auf den Abdruck weiterer „Meisterwerke“ aus dem Hause Bruguera. Karl May-Stories aber blieben ab der Nr. 5 fester Bestandteil der FEUERWERK-Bücher bis zum Ende der Serie. Die Titel der Geschichten entsprechen durchgehend jenen der „Gesammelten Werke“ des Karl May Verlags.

In der Nr. 6 ging’s weiter mit „In den Schluchten des Balkan“, zeichnerisch und inhaltlich eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Vorband. Schon das Splash-Panel wartet mit einer beeindruckenden Szenerie der besagten Schluchten auf. Der unbekannte Zeichner verstand sein Handwerk. Hier hielt man sich trotz teilweise starker Verkürzungen zumindest in der ersten Hälfte relativ eng an die Romanvorlage, auch versuchte man den May-typischen Humor hineinzubringen, etwa mit der Szene als Kara der tollpatschigen Bäckersfrau unter Wahrung der islamischen Kleidungsvorschriften aus dem Strassengraben hilft. Für den jugendlichen Leser gab es allerdings erneut Grund zur Verwirrung: da wiederum anderes Lizenzmaterial verwendet wurde, sahen Kara Ben Nemsi und Halef nun völlig anders aus als in Band 1. Auch inhaltlich ging man chaotisch vor: fand sich in Band 1 der zweite Teil des Orientzyklus, folgte nun der vierte.  Dafür wurde in FEUERWERK Nr. 7 der dritte Teil nachgereicht – „Von Bagdad nach Stambul“. Diese Adaption enttäuscht jedoch auf ganzer Linie, obwohl hier der Zeichner des letzten Bandes zugange war. Die lieblos aneinandergereihte Abfolge von Actionsequenzen langweilt schnell, die Darstellung von Sir David Lindsay als Feigling („Ich bin Wissenschaftler und kein Krieger!“) schockiert den May-Kenner. Einzig der Auftritt des alten Polen Dozorca und seines fetten Dieners in Stambul lässt ein gewisses May-Feeling aufkommen. FEUERWERK 8 sollte dafür entschädigen: „Durch das Land der Skipetaren“ (der fünfte Teil des Orientzyklus“) war wiederum eine gelungene Umsetzung der Vorlage. Zwar beginnt man wieder einmal ziemlich abrupt mitten in der Handlung, als sich die Gefährten vor den abergläubischen Orientalen als kugelfest ausgeben. Die Comicfassung bügelt hier übrigens einen schweren Logikfehler Mays aus dem Roman aus, aus dem man schließen kann dass Kara Ben Nemsi und Old Shatterhand ursprünglich keineswegs als ein und dieselbe Person konzipiert waren. May beschreibt Shatterhand als blond, Kara Ben Nemsi hingegen als schwarzhaarig und – bärtig (auch sein Kriegsname Kara -„Der Schwarze“- leitet sich davon ab). Im Roman färbt sich Kara nun die Haare blond, um in seiner Verkleidung als frommer Scherif von den räuberischen Aladschy nicht erkannt zu werden. Interessanterweise wurde dieser Logikfehler auch in den stark bearbeiteten „grünen Bänden“ des Karl May Verlags nie korrigiert. Nur in dieser Comicfassung färbt sich Kara die blonden Haare  schwarz, damit die inhaltliche Geschlossenheit gewahrt bleibt. Mit dem Orientzyklus war nun leider vorläufig Schluss im FEUERWERK, erst im letzten Taschenbuch Nr. 30 wurde er mit dem sechsten und letzten Teil „Der Schut“ abgeschlossen.

In FEUERWERK 9-11 folgte nun endlich die Winnetou-Trilogie.  „Winnetou 1“ ist eine bei aller Verkürzung ziemlich werkgetreue und durchaus gelungene Umsetzung der Romanvorlage. Auffallend ist hier, dass Winnetou bis hin zum Filmkostüm wie Pierre Brice aussieht. Der jugendlich wirkende Old Shatterhand und alle anderen Charaktere haben mit Ausnahme von Nscho-Tschi keine Ähnlichkeit mit den Filmcharakteren. Besonders „Winnetou 2“ macht deutlich, dass dem Zeichner als Vorlage die Version der „grünen Bände“ (bzw. eine ausländische Übersetzung) gedient haben müssen, denn nur in dieser Textfassung findet sich die von Lektor Franz Kandolf verfasste Szene mit dem Überfall der Poncas auf Fort Niobrara. Das deutet auch auf die theoretische Möglichkeit hin, dass diese Comics ab FEUERWERK 6 als Auftragsarbeit für Bastei entstanden sein könnten. Erst „Winnetou 3“ weicht sehr deutlich vom Roman ab. Eine Parallele zu Helmut Nickels Winnetou findet sich, wenn der Häuptling da wie dort von Santers Kugel gefällt wird, anstatt von der eines Sioux wie in Mays Roman. In der FEUERWERK-Fassung fällt der Ärmste danach auch noch von einer Klippe, ehe er endgültig von seinen Leiden erlöst wird.

(Den ganzen Artikel findet Ihr in SPRECHBLASE 225)
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Special vom: 17.09.2012
Autor dieses Specials: Stefan Meduna
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