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"Und dann kam Willi Voltz eines Tages mit ein paar Schmierzetteln..."

Ein Interview mit Dirk Hess, dem Hauptautor von PERRY – UNSER MANN IM ALL        

Zu_Dirk_Hess_InterviewThiesen: Wie kam es eigentlich, dass der Stil so radikal gewandelt wurde, von den klassischen PERRYs zu der im SF-Bereich damals unvertrauten Popart? War das Verlagsstrategie oder Zeitgeist?

Hess: Ich würde sagen, es entsprach einerseits dem Zeitgefühl der frühen 70er Jahre und andererseits gaben die Zeichner des italienischen Studios entscheidende Impulse für den neuen Stil. Dort arbeiteten sehr kreative, experimentierfreudige Comic-Zeichner. Und dann hat man einfach einen Versuchsballon gestartet: "Mensch, wir versuchen mal etwas ganz anderes." So ein bisschen orientierte man sich natürlich auch an den amerikanischen Comics, den Super-Heroes, die damals schon vom klassischen Panel-Layout losgelöst waren. Den Sex im neuen PERRY verdanken wir eigentlich den Italienern, die da freizügiger waren und sich nicht so sehr an irgendwelche Konventionen gebunden fühlten, wie es in Deutschland damals noch der Fall war, die aber auch keine Bundesprüfstelle zu fürchten hatten und damals schon deftige, extrem harte Horror-Comics produzierten (Anm. d. SB-Red.: gemeint sind die sogenannten Fumetti Neri, die bei uns Mitte der 70er Jahre kurzzeitig beim Freibeuter Verlag erschienen sind, bevor sie der Zensur zum Opfer fielen).

Th.: Sie waren damals erst ungefähr Mitte 20. Wie kamen Sie dazu, plötzlich PERRY-Comics zu machen?
Hess: Ich kannte den Willi Voltz seit den 68ern – nicht von einer Demonstration, sondern durch die Begeisterung für PERRY RHODAN. Ich hatte damals für den Frankfurter PERRY RHODAN-Club ein Fanzine gestaltet und mit den Leuten des Clubs einen Con, den ersten Rhodan-Con in Frankfurt, organisiert. Ich kannte vorher schon Karl-Herbert Scheer von mehreren Besuchen und Gesprächen im benachbarten Friedrichsdorf, und auf diesem Frankfurt-Con habe ich dann Willi Voltz kennengelernt. Daraus hat sich eine ganz tolle Freundschaft ergeben. Wir waren ungefähr sieben Jahre auseinander, aber vom Geist her war der Willi immer ganz jung, frisch und beweglich. Ich denke heute noch gern an jene Jahre zurück, die – dank Willi – zu meinem kreativsten Lebensabschnitt gehören. In diese Zeit fallen auch meine ersten beiden ATLAN-Romane, die ich auf Ermunterung WiVos hin ge-schrieben hatte, ich glaube, Ende der 60er, Anfang der 70er war das (Band 21 und 25). Aber dann fing die Uni wieder an. Da wurde es ein bisschen eng mit der Zeit, und der Willi sagte: »Wenn Du schon bei den Romanen nicht mehr so dabei sein kannst, wie wär‘s denn mit einem Comic?" "Ja, was denn?" "Ich hab‘ hier von Bastei... aber ich bin ja auch an den Verlag gebunden und kann dann schlecht... Mensch, mach du das doch mal!" Und weil ich schon Comic-Fan war – heute würde man sagen "Freak" – die alten Lehning-Comics stapelten sich bei mir bis zur Decke – machte es kein Problem, für einen Verlag ein Comic-Drehbuch, ein Skript, zu schreiben. Das erste ist genommen worden, das zweite, dritte und vierte... und plötzlich war da ein kleines Geschäft daraus geworden. Und das war auch gut neben dem Studium her zu produzieren, weil so eine Geschichte nicht so viel Zeit brauchte, wie ein Heftroman oder ein Taschenbuch. Ich habe damals einen Western-Comic, das waren 35-40 Schreib-maschinenseiten, an nicht einmal einem Tag geschrieben.
Und dann kam WiVo eines Tages mit ein paar Schmierzetteln: "Ja, hier geht‘s um PERRY, den kennst Du doch." "Ja, ja." "Wir probieren jetzt auch den Popart-Stil, aber das läuft alles noch nicht so richtig. Ich kann mich nicht zersplittern. Guck mal, ich hab‘ hier ein paar Ideen, gefallen sie Dir?" Ich habe mich da reingekniet und wir haben am nächsten Tag weiter drüber gesprochen. Ich sagte dann: "Ich habe aber auch noch andere Ideen, nicht zu märchenhaft, sondern ein bißchen enger an die RHODAN-Serie angelehnt... ich denke an Planetenabenteuer, Explorerstorys." "Gut, mach‘ mal und schick das dem Redakteur!" Ich habe dann eine Geschichte entworfen, die von einem Explorerschiff, das auf einem Planeten notlanden muss, "Planet der Vampire". Die einzige Überlebende wird von der vampiristischen, urwüchsigen Natur des Planeten bedroht. Perry kommt mit seiner CREST dorthin, und daraus entwickelt sich dann eine Geschichte... Dann habe ich auch gleich noch die nächsten sechs, sieben geskriptet, aber dann kam erst mal aus München ein Stop: "PERRY erscheint monatlich, wir können keine zwei, drei Jahre vorausproduzieren!" PERRY lag also erst mal eine Weile auf Eis, und dann plötzlich wieder der Anruf: "Wir gehen auf vierzehntägig! Hess, pro-du-ziere!" Ich habe daraufhin gesagt: "Bei vierzehntägigem Rhythmus könnten wir etwas von den Einzelabenteuern wegkommen und einen Zyklus oder zumindest etwas Zyklusähnliches entwickeln, ohne uns natürlich zu streng an die Heftserie anzulehnen, die ja wöchentlich erscheint, sich an ein ganz anderes Publikum wendet und natürlich auch in der Form des Romans ganz andere Möglichkei-ten hat als der Comic. Wir könnten aber doch wenigstens einen Sinnzusammenhang herstellen." Und so kamen wir dann auf die Idee, die Sache mit der Suche nach dem "Zentrum der Universen", die ja vorher schon mal angeklungen war, zu vertiefen und zumindest als roten Faden durch die Geschichte laufen zu lassen.

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Special vom: 29.12.2011
Autor dieses Specials: Michael Thiesen
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