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Viva la Revolucion! Die Kubanische Revolution im Comic
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Am 16. April 2011 jährte sich die Verteidigung Kubas gegen die USA. Über 50 Jahre ist es also schon her, dass die USA Exil-Kubaner im konterrevolutionären Kampf gegen Castro und „Ché“ in der Schweinebucht unterstützt haben. Inzwischen hat der selbsternannte „Máximo Líder“ seinen Posten als Staatschef an seinen reformwilligen Bruder Raul Castro abgetreten. Eine Ära neigt sich dem Ende zu und ambitionierte Comickünstler halten ihre Reflexionen über Kuba und die Revolution auf ihre Weise fest. Aktuell ist es der Italiener Stefano Casini, der mit seinem vierbändigem Geschichtsthriller Hasta la Victoria! auf die Kubanische Revolution zurückblickt.

Dabei hat es keine 50 Jahre gedauert, bis ein Comic über Kuba erschien. 1968, also ein Jahr nach Ernesto Guevaras Tod, erschien La Vida del Ché. Die Argentinier Héctor Oesterheld (Text) und Alberto und Enrique Breccia (Zeichnungen) verfolgten in ihrer Ché-Biographie einen höchst anspruchsvollen Ansatz, indem sie das Leben ihres Landsmannes auszugsweise, in einer Mischung aus Konkretisierung und Abstraktion, inszenierten. Erstaunlich ist dabei, dass man den avantgardistischen Schwarzweißzeichnungen der Breccias heute keinesfalls ihr Alter anmerkt. Im Gegenteil: Die jeweils auf ihre Art stilistisHasta_la_victoria_1che Strichführung beider Zeichner wirkt nach wie vor innovativ. Die ungewöhnliche Zusammenarbeit von Vater und Sohn wurde damals vom Verleger initiiert. Alberto zeichnete Chés Werdegang von dessen Geburt bis zu dessen Abschied aus Kuba, während Enrique die Guerilla-Phase in Bolivien illustrierte. La Vida del Ché wurde gleichermaßen von Lesern und Kritikern geschätzt und verkaufte sich seinerzeit in vielen lateinamerikanischen Ländern außerordentlich gut. Erst 40 Jahre nach der Erstveröffentlichung erschien dieser Comic-Klassiker unter dem Titel Ché beim Carlsen Verlag auf Deutsch.
Im Zuge der Popularisierung von Graphic Novels folgten nach der Übersetzung des Comic-Meilensteins im Carlsen Verlag weitere Titel zum Thema „Kuba“. Der deutsche Comicautor Reinhard Kleist bereiste die Hauptstadt des kommunistischen Inselstaates 2008 aufgrund Fidel Castros Rückzug aus dessen politischem Amt. Die Eindrücke aus diesem vierwöchigen Aufenthalt präsentierte Kleist in demselben Jahr als authentisch illustriertes Reisetagebuch unter dem programmatischen Titel Havanna – Eine kubanische Reise. Darin stellt er die gewöhnlichen Bürger Havannas auf der Straße Viva la Revolucion!
Die Kubanische Revolution im Comicund im Alltag dar. Gesprächsfetzen und Dialoge verschmelzen mit stimmungsvoll illustrierten Bildern zu einem Reisejournal in Comicform. Doch Havanna stellt nur eine Art Fingerübung zu Kleists eigentlichem Kuba-Projekt dar. Denn der Reisebericht diente auch dazu, die Atmosphäre vor Ort einzufangen, um anschließend eine Comic-Biografie über den Máximo Líder umzusetzen, die 2010 unter dem Titel Castro erschien. Kleist benutzt die erfundene Figur des Exil-Fotografen Karl Mertens, der sich vom neutralen Journalisten zum Idealisten wandelt, um die Lebensgeschichte Castros und den Verlauf der Kubanischen Revolution zu erzählen: angefangen vom allerersten Arbeiteraufstands des jungen Fidels auf der väterlichen Finca bis zu den Jahrzehnten des wirtschaftlichen Niedergangs. Im Gegensatz zu Havanna verzichtet Kleist dabei auf die Kolorierung seiner Zeichnungen und belässt die Illustrationen in einem kontrastreichen Schwarzweiß.
Auch die Autorin Inverna Lockpez hat sich mit der Kubanischen Revolution auseinandergesetzt. In Cuba. My Revolution (Vertigo) von 2010 hat sich die gebürtige Kubanerin mit dem New Yorker che
Cartoonisten Dean Haspiel zusammengetan, um ihre Perspektive auf die Kubanische Revolution wiederzugeben. Als 17-jährige erlebt die Protagonistin Sonya 1959, wie die Revolutionäre Havanna erobern.
Als Medizinstudentin träumt sie davon, Malerin zu werden, schließt sich aber zunächst der Miliz an. Als Ärztin wird sie eingesperrt und gefoltert. Desillusioniert flüchtet sich Sonya in die Kunst. Doch egal, ob mit Flinte oder Pinsel: stets gerät Sonya in Konflikt mit der kubanischen Ideologie. Inspiriert durch die persönlichen Erlebnisse enthält Cuba. My Revolution gleichermaßen Geständnis und Kritik.
Das Artwork ist gekennzeichnet durch einen starken Schwarz-Rot-Kontrast des Comickünstlers José Villarrubia.
Mit Che Guevara. A Manga Biography (Pengiun) liegt seit 2010 ein Manga über die Kubanische Revolution vor. Der Autor Kiyoshi Konno und die Zeichnerin Chie Shimano haben darin das Leben Guevaras umgesetzt. Der Manga ist mehr ein illustriertes Geschichtsbuch als ein Comic. Das funktioniert nur deshalb halbwegs, weil sich die Biographie vorrangig um die historischen Ausmaße von Chés Taten dreht und weniger um dessen persönlichen Beziehungen. Als problematischer erweist sich jedoch der Wechsel der Erzählperspektive aus der ersten (Ché) und dritten Person. Auch das Artwork Shimanos ist zweischneidig. Auf der einen Seite wirkt Ché Guevara selbst in Kampfszenen noch freundlich, und auf der anderen Seite vermittelt diese Ästhetik den Charme, der im besten Fall verständlich macht, warum Guevara zu der Pop-Ikone geworden ist, die er heute ist.

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Special vom: 29.07.2011
Autor dieses Specials: Marco Behringer
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Editorial von Georg F.W. Tempel
Graphic Novels: Chance für den Comic zu mehr Akzeptanz? Eine Diskussionsrunde
VROOOAAAR oder über Freud und Leid eines Comic-Übersetzers
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