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Interview mit Filip Kolek
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Seit wann interessierst du dich für Comics und was waren deine ersten Comics?
stuck
Ich habe eine gewissen Genre- bzw. Kultur-Affininität in die Wiege gelegt gekriegt. Mein Vater war ein verrückter Plattensammler und Filmliebhaber und hat mich schon früh auf Börsen und Cons mitgenommen. Und Comics lagen zu Hause auch en masse rum. Und dann habe ich so ziemlich die klassische Comicleser-Karriere mitgemacht: Von den Ducks, Tim & Struppi und Asterix zu den Marvel-Superhelden, dann über „Bone“ und „Elfquest“ langsam an die Indies herangepirscht, mit „Love & Rockets“ und „Stuck Rubber Baby“ und den frühen Trondheim-Sachen die Liebe zu  Autoren-Comics entdeckt und mittlerweile würde ich mich sowohl beruflich als auch geschmacklich irgendwo zwischen Auteur und Unterhaltungs-Comic verorten.

Welche Vorraussetzungen muss man als Comicredakteur erfüllen?


Primär wahrscheinlich ein Grundinteresse, besser noch, Verständnis und optimal, Liebe zum Comic-Medium mitbringen. Der Rest rastet dann von alleine ein. Wenn man bei einem kleineren Verlag arbeitet, muss man sich drauf einstellen, so ziemlich alle Facetten des Verlagalltags bewältigen zu müssen, darunter natürlich auch wenig erfreuliche, wie Pappkartons falten und sich Papercuts holen ... Im Endeffekt teilt sich meine Arbeit hier in zwei große Hauptaufgaben auf: Die Pressearbeit bzw. PR & Marketing und die redaktionelle Arbeit an den aktuellen Comic-Projekten.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag eines Redakteurs beim Cross-Cult Verlag aus?

So einen richtig typischen Alltag gibt es in einem kleinen Verlag nicht, weil die Zahl der anfallenden Tätigkeiten so vielfältig ist. Je nach dem, was gerade ansteht, verbringt man schon mal den ganzen Tag am Telefon und versucht entweder Journalisten oder Buchhändler von der Qualität und dem Potential der eigenen Bücher zu überzeugen. Oder man bereinigt und lettert Comic-Seiten für neue Projekte, schaut sich Skripte und erste gezeichnete Seiten neuer, im Entstehen begriffender Comics durch und diskutiert mit den Künstlern, wie die Geschichte weitergehen kann,  koordiniert freie Übersetzer, Lektoren und Redakteure und versucht, nicht den Überblick zu verlieren ... Im Endeffekt macht man jeden Prozess mit, den ein Buchprojekt im Verlag durchläuft.

Was sind die unliebsamen Aufgaben an deinem Beruf?

Manchmal macht es einen wehmütig, zu wissen, wie viele interessante Comic-Stoffe da draußen noch lauern, und wie – vergleichbar – wenig man davon im Verlag umsetzen können wird, sei es aus schlichten Kapazitätsgründen oder weil der Markt für diese Werke nicht da ist. Da muss man dann zurücktreten und sich über die Publikationen freuen, die man tagtäglich betreuen darf (und die einen, ganz ehrlich, eh übers Maß beschäftigt halten ...).

Und in welchen Momenten wird dir klar, dass es die ganze Mühe doch wert ist?

Tscha, in allen, würde ich sagen. Jedes Cross-Cult-Buch, das ich im Buchhandel oder einem  Comicshop entdecke, jeder Artikel, der zu einem von unseren Büchern erscheint, jeder glückliche Leser, der uns auf einer Buchmesse anspricht, macht mich froh, diesen extraordinären Job ausüben zu dürfen.

Als Pressevertreter koordinierst du den Kontakt zu anderen Medienvertretern. Wie hat sich die Wahrnehmung des Comics geändert und was könnte noch besser werden?

Durch den Vormarsch der Graphic Novel haben in den letzten Jahren die Comics in den Feuilletons und Kulturredaktionen großen Zuspruch erfahren. Zum ersten Mal werden einem - erwachsenen  -Massenpublikum die Möglichkeiten des Comic-Medium vorgestellt. Trotzdem muss man außerhalb eines interessierten Journalistenkreises als Comic-PR-Mensch noch Pioniersarbeit leisten. Das kann dann je nach Tageslaune spannend und herausfordernd und manchmal auch nur müßig sein. Allgemein würde ich sagen, dass es, was die öffentliche Wahrnehmung, dem Comic im deutschsprachigem Raum so gut geht wie schon lange nicht mehr. U.a. durch groß angelegte Aktionen wie den Gratis-Comic-Tag. Trotzdem muss man drauf achten, dass die Pressearbeit nachhaltig wirkt und nicht nur große Werbeaktionen und einzelnen Gattungen heraushebt, sondern den Comic an sich in Szene setzt.

LostGirlsWas waren deine persönlichen Höhepunkte in den letzten 10 Jahren bei Cross Cult?

Redaktionell war das die Mitarbeit an so einmaligen Büchern wie „Lost Girls“ von Alan Moore oder aktuell „Stuck Rubber Baby“ von Howard Cruse. Pressetechnisch macht es natürlich Spaß, wenn man mit seinen Büchern größere Kreise ziehen kann und auf hohe Resonanz stößt, wie das z.B. letztes Jahr mit unserem deutschen Debüt „Jakob“ war oder die Food-Crime-Farce CHEW Anfang diesen Jahres, deren Erscheinen makabrerweise mit dem Dioxin-Skandal zusammenfiel.

Und wie kann das in den nächsten 10 Jahren noch überboten werden?

Tscha, noch mehr einmalige Projekte, noch größere Kreise, vielleicht ...  Allein die Tatsache, dass wir nach zehn Jahren hier stehen, hat ja unsere Erwartungen schon total übertroffen, die nächsten zehn können nur gut werden ...


Special vom: 01.07.2011
Autor dieses Specials: Marcus Koppers
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Interview mit Andreas Mergenthaler
Rezension University Freaks
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