Optionen und weiterführende Links



In der Datenbank befinden sich derzeit 477 Specials. Alle Specials anzeigen...

Paul Levitz: Das Goldene Zeitalter (1938-1956), Auszug
«  ZurückWeiter  »

75_years_dc_comics_01_1008061032_id_323664

Abbildung oben:
Doppelseite 72/73
© 2010 DC Comics. All Rights Reserved. Courtesy of TASCHEN.

Das Goldene Zeitalter: 1938-1956

Im Großen und Ganzen waren die amerikanischen Dreißigerjahre des vergangenen Jahrhunderts, zwischen der bedruckenden Weltwirtschaftskrise und den am Horizont aufziehenden Wolken des drohenden Weltkriegs, der in Übersee bereits seinen Lauf nahm, eine düstere Zeit. Nur die beruhigende Stimme Präsident Franklin D. Roosevelts, die über den Rundfunk in jede Stube gelangte, machte den Menschen ein wenig Hoffnung. In dieser Lage waren sie bereit, eine neue Art von Helden in ihre Herzen zu schließen – doch sie wussten schlicht und einfach nicht, woher diese kommen sollten. Sicherlich setzte man keine hohen Erwartungen in die ersten Comic-Hefte, außer dass sie vielleicht ein Lächeln hervorzaubern und ein paar Minuten Unterhaltung spenden würden, hauptsächlich hervorgerufen von Figuren, die man bereits aus den Zeitungsstrips kannte. Die Redakteure dieser Hefte stellten eine Ausgabe zusammen, indem sie zu ihren wuchtigen, mit Zeichnungen gefüllten Ablageschränken aus Metall gingen. Sie pickten Geschichten heraus, manchmal thematisch ausgewogen und manchmal nicht. Man stelle sich vor: Im Büro von National, 480 Lexington Avenue, nödlich des Bahnhofs Grand Central, öffnet Vince Sullivan die großen flachen Schubladen eines solchen Zeichnungsschranks und überlegt, wie er die erste Ausgabe von Action Comics, dem vierten Titel des Verlags, gestalten solle. Vor ihm liegen Werke von Homer
Fleming und Bill Ely, die regelmäßig Beiträge lieferten, aber es gibt auch neue Ideen: Fred Guardineer mit Zatara, der zum Zaubern rückwärtsspricht, Bernard Baily mit Tex Thomson, dem künftigen Mister America, und Shelly Moldoff mit Witzen für die dritte Umschlagseite.
Doch es bleibt noch eine beachtliche Lücke, die es zu schließen gilt.

An dieser Stelle lasst uns die zuverlässige Geschichtsschreibung im Stich, denn der Erfolg hat bekanntlich immer viele Vater. Die Rolle des Geburtshelfers für Superman in diesem ersten Heft haben ebenfalls schon viele fur sich in Anspruch genommen – vom Verlagsgründer Malcolm Wheeler-Nicholson, der sich damals bereits auf dem absteigenden Ast befand, bis hin zu Max Gaines (der zu diesem Zeitpunkt das McClure-Syndikat betrieb, dem man Superman angeboten hatte) und seinem weitsichtigen Gehilfen Shelly Mayer (der seine Comics seit New Comics Nr. 1, als er 17 war, an DC lieferte). Doch Sullivan hatte bei Siegel und Shuster bereits Geschichten fur National bestellt. Wie dem auch sei: Unbestritten ist, dass die erste Geschichte fur sagenhafte 130 Dollar (was dem damals sehr hohen Seitenhonorar von zehn Dollar fur die 13-Seiten-Geschichte entsprach) angekauft wurde, um jene Lücke im ersten Action-Heft zu füllen. Unterzeichnet wurde der Vertrag von Jack Liebowitz, der behauptet, er habe das inzwischen zum Klassiker gewordene Titelbild selbst ausgesucht: Der Mann, der mittlerweile
Kultstatus besitzt, hebt ein Auto in die Luft – seither ist diese Darstellung ein fester Bestandteil unseres Bildvokabulars als Symbol körperlicher Kraft. Bedauerlicherweise zogen die geschäftlichen Konsequenzen dieser Transaktion eine lange Kette von Streitigkeiten nach sich, die ein eigenes Buch ganz anderer Art füllen würden. Die Auswirkungen auf unsere Kultur waren jedoch zweifelsohne phänomenal: Die erste Auflage von Action Comics Nr. 1 war im Nu ausverkauft, das Heft musste mehrmals nachgedruckt werden. Gleichzeitig war eine Kultfigur entstanden, die uber Hochhauser springen konnte und fur alle Zeiten das Antlitz der amerikanischen Comics veränderte. Zu einer Zeit, als sich die populäre Kultur noch sehr gemachlich entwickelte, als Filme von einem Kino ans nächste
weitergereicht wurden, als nur wenige Haushalte einen Fernseher besaßen und nur der Rundfunk über die Macht verfügte, von einem Augenblick auf den anderen "Ereignisse" zu schaffen – wie Orson Welles ein paar Monate später mit seinem (von vielen Hörern missverstandenen) Hörspiel War of the Worlds (dt. Krieg der Welten) bewies –, war Superman ein Phänomen. Das "Goldene Zeitalter" der Comics hatte begonnen.

[Fortsetzung in: 75 Years of DC Comics: The Art of Modern Mythmaking]



Special vom: 05.12.2010
Autor dieses Specials: Paul Levitz
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Paul Levitz: Es gibt Figuren, und es gibt Charaktere.
Optische Orgasmen: Taschen inszeniert die »Geschichte von DC Comics« als Nonplusultra
Ausführliche Rezension und weitere Leseproben
Zurück zur Hauptseite des Specials


?>