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Auf zum Röstigraben
Wenn ich ganz ehrlich bin, war die Schweiz eine ganze Zeit lang gar nicht auf meinem Zettel gestanden. Ich wohne an der Grenze zur Schweiz und somit ist das eigentlich falsch gewesen. Denn es ist durchaus so, dass jede Anfahrt zu einem Festival oder einer Veranstaltung in Deutschland deutlich länger dauert. Warum also nicht doch mal dorthin fahren, wo das Gute liegt so nah?

Angeregt durch Matthias Hofmann, der seit neuestem Redakteur bei uns ist und sich um die Verteilung der Rezensionen kümmert, ging es am vergangenen Samstag nach Murten. Dort sollte ein durchaus nicht alltägliches Comicfestival stattfinden, nämlich ein zweisprachiges. Murten liegt in der Nähe von Bern, direkt im „Röstigraben“, der gedachten Grenze zwischen der deutsch- und der französischsprachigen Schweiz. Und so stellten wir uns schon einmal darauf ein die nicht gerade üppigen Französisch-Kenntnisse benutzen zu müssen.

Doch zunächst noch ein wenig Vorgeschichte. Wie gesagt hatte Matthias die Idee zu der kleinen Reise. Nur einen Tag vorher wollten wir uns aber auch beim Dreiländereck-Treffen des Finix Clubs treffen. Dort hat sich eine kleine Gruppe comicbegeisterte bei einem nicht weniger comicbegeisterten Wirt zusammen getan um dieser Leidenschaft zu frönen und sich alle paar Monate über die schönste Nebensächlichkeit zu unterhalten. Das Treffen wird jedes Mal im Clubforum geplant und natürlich sickerte dort auch unser Plan durch nach Murten zu fahren. Schnell wollten zwei weitere Finixer mit und schlußendlich waren wir bei fünf Mitgliedern, die Murten besuchen wollten. Da war es gut, dass Wolfgang Studer mit seiner ganzen Familie im eigenen Auto kommen wollte, denn sonst wäre es eng geworden. Nur drei Mitglieder, die auch beim Treffen waren, konnten nicht mit kommen. Na, vielleicht beim nächsten Mal. Ist es da ein Wunder, dass der Finix Club auch ein wenig im Vordergrund der Reise stand? Doch dazu mehr etwas später.

Wie gesagt hatten wir uns am Vorabend getroffen und ich war froh, dass ich abgeholt und zurück gebracht wurde, denn zwei längere Fahrten an zwei Tagen hintereinander wären doch etwas stressig geworden. Und doch war die Nacht kurz mit gerade einmal rund sieben Stunden Schlaf. Um 8:00 Uhr morgens ging es hier in Waldshut-Tiengen los, um 9:00 Uhr sollte ich in Weil am Rhein sein. Kaum Verkehr sorgte für eine ruhige und schnelle Fahrt, so dass sogar 10 Minuten herausgefahren werden konnten. Ursprünglich sollten wir zu dritt im Auto sein, aber Holger (Exterminator18) hatte sich überraschend auch noch eingefunden und so ging es dann mit vier Passagieren (Marcus, Matthias, Holger und ich) gen Murten.

Ich liebe es nicht alleine fahren zu müssen. Denn man kann sich einfach unterhalten, die Zeit vergeht viel schneller. Wenn man dann auch noch reichlich gemeinsame Themen hat, ist das noch besser. Und im Notfall hat man dann noch jemanden dabei, der das Steuer übernehmen könnte, wenn das Ganze doch zu ermüdend ist. Deswegen hole ich bei Touren nach Frankfurt oder München oder Erlangen unsere Mitarbeiter sehr gerne ab und nehme sie mit. Die Fahrt nach Murten hielt, was ich mir versprochen hatte: Sie war kurzweilig und dadurch wenig anstrengend.

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Wir fuhren ein wenig auf gut Glück, denn keiner von uns wußte genau, wo denn das Festival stattfinden sollte. Unsere Hoffnung: Eine Ausschilderung in Murten. Doch die ließ zu wünschen übrig. Eine Nachfrage ergab, dass das Festival in Münchenswiler verortet werden konnte, in einem kleinen Vorort von Murtens. Und so ließen wir die wunderschöne Altstadt Murtens hinter uns und fuhren in die Außenbezirke. Und dort fanden sich dann auch die ersten Schilder.

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Eines konnte man gleich sagen: Das Ambiente war einmalig und wunderschön, oder hatte schon einmal jemand von einem Comicfestival in einem echten Schloss gehört? Historisch interessanter wird es wohl noch nirgendwo zugegangen sein. Ob der damalige Erbauer es sich hat träumen lassen, dass einmal die Neunte Kunst bei ihm zu Besuch kommen würde?

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Einen Nachteil hatte die Location aber in jedem Fall: Es ging hier verdammt eng zu. Der Veranstalter brachte es dann auch mir gegenüber auf den Punkt: „Wenn weniger als 2.000 Besucher kommen, haben wir ein finanzielles Problem. Wenn mehr als 3.000 kommen, haben wir ein logistisches Problem.“ Dabei gab es sogar Parkplätze in relativ großer Entfernung vom Schloss. Aber am Nachmittag konnte man deutlich erkennen, was er mit dem logistischen Problem meinte. Da ging es auf der Treppe zum Signierraum derart beengt zu, dass es schwierig wurde überhaupt in den Raum zu kommen. Und das obwohl maximal 30 Menschen in der Schlange standen, die bei Zep ihren Anfang nahm. Und auch die Parkplätze rund um das Schloss waren rar geworden.

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Doch zunächst stand Finix auf dem Programm. Im Juni wird Buddy Longway zu Ende gebracht und dieser Comic stammt von Derib. Genau der war in Murten anwesend und auch noch der Schirmherr der ganzen Veranstaltung. Matthias hatte im Vorfeld bereits ein Interview vereinbart und wir konnten schon sehr bald nach unserer Ankunft dem Zeichner gegenüber sitzen. Es zeigte sich mal wieder, dass man nie genug Technik dabei haben kann. Dank der Videokamera konnte der Aussetzer der Batterien beim Ton-Aufnahmegerät ausgeglichen werden. Dass man besser immer einen Ersatz mitlaufen sollte, hatte ich vor ein paar Jahren erfahren müssen, als bei Katie Leung („Harry Potter“) das Aufnahmegerät versagt hatte. Man bekommt eben selten eine zweite Chance.

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Fast eineinhalb Stunden nahm sich Derib für uns Zeit. Das Interview wird als Special Feature beim 20. Band von Buddy Longway erscheinen und – mal schauen – vielleicht auch noch in Ausschnitten auf der Finix-Website und auf Splashcomics. Letzteres entscheiden wir in den kommenden Monaten im Club. Der sympathische Derib wurde nur zwischendurch von den eigenen menschlichen Bedürfnissen gebremst und musste einfach einmal den Ort mit der Wasserspülung aufsuchen.

Als wir aus dem Raum, in dem wir Derib interviewten heraus kamen, war der andere Raum, der für die Signierstunden vorgesehen war – gähnend leer. Kein Künstler, kein verirrter Besucher war zu sehen. So etwas in dieser Form hatte ich noch nicht erlebt. Da uns der Hunger antrieb beschlossen wir einen Abstecher nach Murten zu machen und ein Restaurant zu suchen.

Wir entschieden uns für lokale Küche und wurden zunächst einmal von dem Zigarettenrauch überrascht, der uns entgegen schlug. Ach ja richtig, in der Schweiz gibt es noch kein Rauchverbot wie in Deutschland oder in Italien. Eine unangenehme Tatsache, aber immerhin gab es ein Nichtraucherzimmer. Wenig positiv bot sich die Toilette dar. Da wäre eine Renovierung deutlich angebracht. Wenn der Heizkörper neben dem Pissoir vor lauter Urinflecken schon zu rosten angefangen hat und zum Abtrocknen ein eher bemittleidenswertes Handtuch zur Verfügung steht, vergeht mir einiges. Der Hunger war nicht davon betroffen und immerhin war das Essen einigermaßen gut, wenn auch etwas versalzen.

Zurück beim Schloss fanden wir nicht gleich einen Parkplatz. Das oben erwähnte logistische Problem kündigte sich an. Und tatsächlich war es überall deutlich voller geworden. Es schien, als hätten die Schweizer einfach den Nachmittag abgewartet, um zum Festival zu kommen. Wir hatten ein wenig die Möglichkeit uns die Ausstellungen anzusehen, die leider etwas versteckt waren. Eine der Ausstellungen war in einem Aufzugsschacht untergebracht. Rund um den gläsernen Aufzug erstreckte sich eine Treppe über die man auf die verschiedenen Ebenen kommen konnte. Keine alltägliche Ausstellung mit Sicherheit.

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Eine andere Ausstellung war ganz versteckt. Man musste aus dem Schloss herausgehen und hinter zwei Sequoias fand sich ein kleiner Holzpavillon mit einer Ausstellung zur Geschichte der schweizer Comics. Ob hier außer uns noch jemand anderes hingefunden hat? Eigentlich schade.

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Schade war auch, dass bei den anwesenden Händlern in einem Nebensaal von sechs Tischen nur einer mit deutschsprachigen Comics belegt war. Insgesamt schien sich das Festival ein wenig mehr in Richtung Französisch zu neigen. Ein Ungleichgewicht, das sicherlich beim ersten Mal vorkommen kann und das man bestimmt beheben wird, wenn es zu einer Neuauflage kommt. Ebenso schade ist sicher auch, dass die Location insgesamt unübersichtlich war. Hinter dem Raum mit den Signierstunden fand sich noch ein weiterer Raum mit Tischen für kleinere Verlage. Der war über den ganzen Zeitraum recht leer geblieben. Man hätte vielleicht darüber nachdenken sollen diese Anordnung komplett umzudrehen, um die Laufkundschaft zu erhöhen.

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Insgesamt ist aber der Comicfestival Bilingue eine interessante Veranstaltung gewesen und wird hoffentlich eine Neuauflage erfahren. Und dann werden wir doch sicher wieder hinfahren, oder Mit-Finixer?


Special vom: 09.11.2009
Autor dieses Specials: Bernd Glasstetter
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