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Geier – ein Interview mit dem Zeichner von Horst
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Geier – ein Interview mit dem Zeichner von Horst

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Jürgen "Geier" Speh, im Selbstporträt


splashcomics: Danke, dass du splashcomics für ein Interview zur Verfügung stehst. Mit deinen Beiträgen in „Menschenblut“, der Erotikserie „Horst“ und auch durch die leider nie vollendete Erzählung „Arsinoe“ bist du ja nicht gerade ein Unbekannter in der deutschen Comicszene.

Geier: Das ist anzunehmen, allerdings habe ich einiges mehr als die erwähnten Sachen gemacht (nebenbei bemerkt)

splashcomics: Dein bürgerlicher Name ist Jürgen Speh, der Öffentlichkeit bist du unter dem Namen Geier bekannt. Eigentlich wird dieses nützliche Tier ja eher mit negativen Eigenschaften in Verbindung gebracht, wie bist du zu diesem Spitznamen gekommen?

Geier: Das kommt noch aus meiner Schulzeit. damals war ich ein ziemlich dürrer Hering und ein Mitschüler hat mich irgendwann als Geier bezeichnet, was die anderen sofort übernommen haben. Bei Menschenblut hatten fast alle Pseudonyme und da habe ich das eben auch gemacht und dabei ist es geblieben.

splashcomics: Bei Künstlern gibt es die tollsten Werdegänge. Mancher hat schon recht früh erkannt, dass er Zeichner werden möchte und hat schon in der Schulzeit jede freie Ecke in den Schulheften mit Karikaturen verziert. Wie hat es bei dir angefangen?

Geier: Ebenso! Laut meiner Mutter mit einem Krokodil im Kindergarten, davor hatte ich mich angeblich geweigert Buntstifte auch nur anzufassen. Danach habe ich jeden Fitzel Papier inklusive Tapeten bekritzelt, oft zusammen mit meiner (nicht unbegabten) Schwester. In der Schule mußten dann Bücher, Tische und Hefte herhalten, gerade mein Matheheft bestand fast nur aus zT doppelseitigen Zeichnungen, mit Ecken hab ich mich erst garnicht aufgehalten - die Lehrer mochten das nicht wirklich, fanden es aber wohl eher schrullig als bedenklich.

splashcomics: Bei den Geschichten um Horst hast du mit Robi, alias Rochus Hahn ein geniales Team gebildet. Wie habt ihr beide euch kennengelernt? War das im Rahmen der Arbeiten für „Menschenblut“?

Geier: Genau. Robi hat ja die meisten MB-Storys geschrieben und weil mir selber nichts eingefallen ist habe ich einfach alle Manuskripte die er mir gegeben hat umgesetzt. Das hat sich bewährt und wir haben uns gut ergänzt.

splashcomics: Horst, Geschichten um einen triebgesteuerten Rammler. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, diese Figur in den Mittelpunkt zu stellen?

Geier: Robi hat bei den feuchtfröhlichen MB-Treffs oft knackige Anekdoten aus dem Rotlichtmilieu erzählt und irgendwann meinte ich daß das doch guter Stoff für Comics wären. Er und Mille hatten gerade den schwarzen Turm gegründet und waren von der Idee angetan. Uns war schnell klar, daß die Storys realistisch gezeichnet nicht funktionieren würden, eher als Funny. Kurz davor hatte ich die Kriegsfunnies für Gringo gemacht und diese Tierfiguren schienen uns gut geeignet, die haben auch einige Vorteile gegenüber "normalen" Funnyfiguren. Ein Hase als Protagonist war auch schnell klar - keine Heldenfigur und von Natur aus ein Rammler. Wir haben auch andere Figuren versucht, aber der Hase war von Anfang an der passendste. Und Horst war in MB-Kreisen schon immer ein beliebter Name.

splashcomics: Die ersten Bände kamen ja auch relativ schnell hintereinander, alleine im Jahre 2000 erschienen die Ausgaben 1 bis 4. da sind die Ideen wohl nur so gesprudelt. Manches, besonders die Catcher/Wrestling-Episoden orientieren sich an Begebenheiten aus eurem Leben. So war Robi ja in den 80ern tatsächlich als Horst Brack in „Catch up“ im Fernsehen zu bewundern. Gab es noch andere Quellen für Ideen?

Geier: An Ideen hat es nie gemangelt, eher an meiner Motivation und Zeit. Die meisten Storys sind (mehr oder weniger) authentisch, selber erlebt oder von Bekannten gehört. Dazu kommt natürlich dichterische Freiheit und die Notwendigkeit Änderungen vorzunehmen damit aus einer Anekdote eine Geschichte wird, oder Übertreibungen damit sie als Funny funktionieren. Ein paar Versuche mit Phantasiegeschichten waren suboptimal, zu Horst gehört ein Realismus den man sich nicht ausdenken kann, das Leben halt.

splashcomics: 2005 erschien Band 14, danach passierte nichts mehr. Als Fan von Horst hat man immer wieder gehofft, dass es nur eine künstlerische Pause war. Gerade wo die Serie mit den Wrestlinggeschichten richtig Fahrt aufgenommen hatte. Schade, über weitere Geschichten hätten sich die treuen Leser sicher gefreut. Parallel ist ja auch die schöne Geschichte „Arsinoe“ nach 5 Ausgaben eingeschlafen. Eine Geschichte, die eigentlich über 7 Bände gegangen wäre und sicherlich ein Ende verdient hätte.

Mittlerweile scheint es ja offiziell zu sein, dass die beiden Serien definitiv nicht mehr fortgesetzt werden.Im Forum des Schwarzen Turms war von Differenzen um Geld die Rede. Kannst du uns zu dem bedauerlichen Ende der beiden Serien noch nähere Informationen geben?

Geier: Finanzielle Engpässe auf beiden Seiten waren sicher mit ein Grund, aber auch das die Verkaufszahlen immer mehr zurückgegangen sind und ich mit zwei Serien gleichzeitig überlastet war, man hat ja auch noch anderes zu tun als Comics zeichnen.

Bei Horst kam noch dazu das für mich irgendwie die Luft raus war. Das Catchen war OK, aber mit den Hurengeschichten kam ich immer weniger klar, es hat sich in gewisser Weise auch wiederholt. Robi hat das ähnlich gesehen und vorgeschlagen Horst eine Familie gründen zu lassen, damit sich die Figur entwickeln und neu entdecken kann. Da habe ich mich allerdings quergestellt, mit Familienleben kann ich nicht allzuviel anfangen, mit Kindern schon gleich garnicht, wie hätte ich also sowas zeichnen können? Als ich mich durch die letzte Story mit ihren viel zu großen Veröffentlichungsabständen quälte hab ich praktisch über Nacht entschieden: Das wars! Aus!

Arsinoe ist etwas einfacher. Die Serie sollte eigentlich die gerade beendete Alraune ersetzen um Geld in die Kasse zu spülen. Ich hab allerdings ziemlich schnell gemerkt das mir Pornos garnicht liegen und der Zwang mindestens die Hälfte der Seiten mit Gerammel zu füllen war eher Last als Lust und ist mir auch immer schwerer gefallen. Erschwerend kam dazu das Arsinoe überall im Internet auf Paysites und für umsonst zu haben war und ist, während sich immer weniger Hefte verkauften. Ich bin einfach stocksauer das Raubkopierer (nicht nur an meiner) Arbeit mehr verdienen als die Zeichner und Verleger die das als Schicksal hinnehmen anstatt denen die Anwälte an den Hals zu hetzen. Da habe ich mich lieber entschieden nichts mehr zu machen. Wir haben zwar noch versucht jemanden zu finden der Arsinoe fertig macht, haben aber niemanden gefunden.

splashcomics: Im Namen aller Fans möchte ich mich für den tollen Blog Horst Bruckner bedanken. Da hast du dir die Mühe gemacht, die alten Geschichten noch einmal aufzubereiten und coloriert ins Internet zu stellen. Das war ja eigentlich mal beim Schwarzen Turm angekündigt, dass Horst neu und in Farbe herausgebracht wird. Wie so manches, hat sich auch das zerschlagen. Deshalb ist es besonders erfreulich, die Erzählungen noch einmal farbig lesen zu dürfen und dazu auch noch vollkommen kostenfrei. Vielleicht einige Worte zu dem Blog? Mittlerweile ist ja auch der eine oder andere Kommentar zu finden, gibt es Zahlen über Zugriffe? Reaktionen auf die Seite?

Geier: Ich fand es einfach schade das die Farbseiten keiner sehen konnte, ich hatte mit dem colorieren angefangen als wir über eine bunte Neuauflage redeten. Nun dachte ich mir die Verkaufszahlen dürften inzwischen gegen Null tendieren, es schadet somit keinem und ich mach ein paar Leuten einen Gefallen. Ein Blog hat sich einfach angeboten, der kostet nix im Unterhalt und man kann schnell und einfach Sachen draufladen. Ich hab da keinen Zähler, aber Zugriffe gibt es wohl noch nicht allzu viele, Blogs funktionieren über Mundpropaganda dh die User müssen sich gegenseitig informieren wo etwas Interessantes ist, von selber werden die eher nicht gefunden. Vor kurzem habe ich eine Weltkarte installiert auf der man sieht von wo die Besucher kommen. Nicht überraschend das die meisten aus der deutschsprachigen Hemisphäre kommen, aber es sind auch ein paar aus dem Ausland dabei. Etwas irritierend ist allerdings das bei Horst mehr Australier als Österreicher vorbeisehen... Auf dem Blog gibt es schon ein paar fleißige Kommentatoren und ich seh zu das ich meinen Senf dazu gebe, aber die meisten lesen halt und sagen nix, das war schon immer so. Dabei sind Lesermeinungen oft sehr hilfreich und auch eine Bestätigung für Zeichner das ihre Arbeit überhaupt wahrgenommen wird.

splashcomics: Im Blog klang eine gewisse Resignation durch, dass sich das Comiczeichnen in Deutschland nicht unbedingt lohnt. Das hörte sich fast so an, als ob du den Pinsel endgültig an den Nagel gehängt hast. Gelegentlich ist mal wieder ein Werk zu bewundern, so hattest du für Weissblech ein tolles Cover gestaltet. Das wäre auch zu schade, wenn ein in meinen Augen begnadeter Zeichner komplett aufhören würde. Und ist eigentlich auch nicht vorstellbar.

Geier: Oh doch, die meisten Zeichner hören irgendwann mit Comics auf, das ist nichts Neues. Ich mache ja auch bei Stefan Hagenows MacTrap die Cover und für Weißblech habe ich zwei Geschichten getuscht. Aber das wird die Ausnahme bleiben, es gibt da momentan nichts mehr was mich reizen würde ganze Geschichten zu zeichnen. Einzelne Bilder malen macht mir mittlerweile viel mehr Spaß, es ist weit weniger zeitaufwendig und abwechslungsreicher als Comics. Allerdings kann ich auch nichts anderes außer zeichnen, also werde ich auch weiterhin versuchen damit meine Brötchen zu verdienen.

splashcomics: Was können wir in nächster Zukunft von dir erwarten? Gibt es Arbeiten oder Projekte von dir, die wir demnächst bewundern dürfen?

Geier: Die Wirtschaftskrise hat bei mir voll zugeschlagen, da gilt es erstmal etliches neu aufzubauen aber die meisten meiner Sachen aus den letzten Jahren sind sowieso nicht für die Öffentlichkeit sondern zum internen Einsatz in Firmen und Seminaren gedacht. Daneben versuche ich mich mit Covern und Illus zu etablieren, aber das läuft erst an. Ich muß da auch erst noch eine Menge lernen, ich male ja erst seit ca drei Jahren.

splashcomics: Allerbesten Dank, dass du uns zu den Fragen Rede und Antwort gestanden hast. Hoffentlich können wir noch viele Werke von dir bewundern, ich bin sicherlich nicht der Einzige, der dich vermissen würde.

Geier: Ich habe zu danken. Aber trotz dieser wohlgewählten Schlußworte werde ich nix Größeres mehr machen.


Interview vom März 2009 im Rahmen des großen Horst-Specials auf  splashcomics.de Die Fragen zu dem Interview wurden gestellt von Rolf Niemann

Die Grafik wurde mit freundlicher Genehmigung dem Blog "Horst Bruckner" entnommen


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Special vom: 09.03.2009
Autor dieses Specials: Rolf Niemann
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Horst - die Geschichten
Wer ist Horst? – Versuch einer Analyse
Die Figuren aus der Serie Horst
Horst - Bemerkenswertes
Horst - Geiers Blog
Horst - Kurzrezensionen
Horst - Die kleine Seifenoper und Links
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