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Interview mit Mauro Boselli
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Splashcomics: Vielen Dank, dass Du die Zeit für dieses Interview gefunden hast. Da in Deutschland noch niemand den Namen von Mauro Boselli kennt: Stell Dich doch bitte einmal unseren Lesern vor.

Mauro Boselli: Ich bin Autor italienischer Comics und ich arbeite in diesem Beruf seit etwa 25 Jahren. Neben Dampyr, der eine meiner Erfindungen ist, schreibe ich die Abenteuer zweier anderer berühmter und langjähriger italienischer Charaktere, die im Westerngenre angesiedelt sind: Zagor und Tex Willer. Letzterer ist der größte italienische Comic-Erfolg aller Zeiten. Nun ja, ich kann mich also nicht beschweren.

Splashcomics: Wie unterscheidet sich der italienische Comicmarkt vom frankobelgischen Comicmarkt?

Mauro Boselli: Ich denke der grundlegende Unterschied ist der, dass die Franzosen sich über ein Format definieren. Die frankobelgischen Comics erscheinen im Hardcover mit etwa 48 Seiten, so dass man vor allem viel Wert auf den äußeren Anschein legt, zusammen mit der verlegerischen Eleganz, dem Luxus des Covers usw. Unsere Comics, die am Kiosk erscheinen, sind mit vielen schwarzweißen Seiten vollgepackt. Es sind echte und wirkliche, sowie populäre Comicromane, bei denen der Inhalt zählt. Dabei ist die Geschichte sehr wichtig, sowie die Zeichnungen, wobei manchmal die Geschichte noch wichtiger ist.

Splashcomics: Italienische Comics werden sehr oft in schwarzweiß veröffentlicht. Warum wird das so gemacht und was ist die Faszination einer Geschichte in schwarzweiß.

Mauro Boselli: Es ist eine unserer Traditionen und dahinter steht sowohl ein praktischer, als auch ein ökonomischer Ansatz. Die Comics haben ungefähr 100 Seiten. Es würde mehr Zeit und Geld (und damit wären sie teurer) erfordern, wenn sie farbig wären (auch wenn wir es manchmal zu besonderen Anlässen machen). Darüber hinaus, so glauben wir, ist es sowohl für die Geschichte, als auch für den Zeichenstil ein viel direkterer und einfacherer Ansatz, der ohne Schnörkel auskommt, also eben so wie die Schwarzweiß-Technik. Wobei Horrorgeschichten dadurch viel mehr Angst machen: Ein sauberer und unverschmutzter schwarzer Schatten ist besser als Flüsse aus tomatenrotem Blut!

Splashcomics: Du bist auch Autor bei Tex. Vampire und Cowboys sind zwei ganz unterschiedliche Themen. Welches gefällt Dir besser?

Mauro Boselli: Mir gefallen beide. Ich lese Tex, seitdem ich lesen gelernt habe und ich bin aus der Generation, die John Wayne im Kino gesehen und sich wie Davy Crockett zu Karneval verkleidet hat! Aber ich bin auch schon immer ein leidenschaftlicher Anhänger der fantastischen Literatur und des Horrors gewesen, auch des klassischen expressionistischen deutschen Kinos von Fritz Lang und Murnau.

Splashcomics: Dampyr ist ein sehr düsterer Comic. Gefällt es Dir, düstere Geschichten zu erzählen?

Mauro Boselli: Ich weiß nicht, ob ich die Frage richtig verstanden habe: Mit düsteren Geschichten meinst Du „Dark“, „Noir“? Ja, ich denke, dass das Drama, der Suspense mich mehr anziehen, als die Comedy. Auch wenn ich Western schreibe.

Splashcomics: Es gibt sehr viele Vampirgeschichten. Was ist nun so besonders an Dampyr?

Mauro Boselli: Wir wollten unsere Neu-Interpretation des Mythos präsentieren. Keine Holzpflöcke, keine Mäntel, keine Särge, (auch wenn wir ab und zu mit diesen viktorianischen Verweisen in einigen Geschichten spielen). Unsere Vampire gehen mit der Zeit: Ein Rudel Jäger, jeder mit seinem Jagdterritorium und sie haben besondere Kräfte und keine Limits. Unsere Meister der Nacht haben kein Problem mit der Sonne, wie die Vampire aus Hollywood!

Splashcomics: Dampyr ist in einer Kriegszone angesiedelt, die nicht weiter benannt wird. Die Namen sind jedenfalls slawisch. Als Du die Geschichte geschrieben hast, hast Du da an das ehemalige Yugoslawien gedacht?

Mauro Boselli: Die Idee wurde aus der slawischen Folklore auf dem Balkan geboren. Der Dampyr existiert in der Tradition dieser Länder als der Erzfeind von einem der Vampire. Wir haben ihn auf unsere Art und Weise neu erfunden, und wir wollten dabei einen Kurzschluss zwischen der Fantasie und der Realität herstellen, indem wir fantastische Kreaturen wie die Vampire in den Zusammenhang mit einem sehr realen und vor allem europäischen Krieg brachten, der nahe bei uns stattfand, einer Gefahr, aus der man nur sehr schwer entfliehen kann. Ich und Colombo haben Dampyr etwa vor zehn Jahren angesiedelt, zum Ende des Krieges in Bosnien.

Splashcomics: Es sterben viele Personen in Dampyr. Kann Harlan schlussendlich über die Vampire obsiegen?

Mauro Boselli: Du fragst mich danach, wie der Schluss der Serie sein wird? Das kann ich Dir nicht sagen! Ganz sicher handelt es sich um eine sehr, sehr komplizierte Saga… Lasst Euch nicht von der scheinbar einfachen Strickart der ersten Ausgaben täuschen. Es gibt Dutzende an wichtigen Charakteren und eine erkleckliche Anzahl an Nebenfiguren, die nach und nach abgemurkst werden!

Splashcomics: Wie viele Freiheiten hast Du, um diese Geschichten zu schreiben? Bist Du bei Dampyr oder bei Tex freier?

Mauro Boselli: Das ist sehr unterschiedlich. Dampyr ist unsere Erfindung. Ich habe alle Freiheiten die Geschichten zu erfinden, aber ich habe mir dennoch selbst einige Regeln aufgestellt, die ich befolge. Das gilt vor allem für die Hauptpersonen, die Gegner usw. Bei Tex muss ich mich an die Regeln halten, die von seinem Autor G.L. Bonelli aufgestellt wurden und die sich aus den Geschichten ableiten, die er geschrieben hatte. Aber ich kenne Tex sehr gut, und es fällt mir auch hier leicht Geschichten zu schreiben.

Splashcomics: Was ist schwieriger: Eine neue Geschichte auszudenken oder – wie im Falle von Tex – 50 Jahre an Geschichte mit sich herumzutragen?

Mauro Boselli: Das ist die Fortsetzung der vorhergehenden Antwort! Bei Dampyr habe ich mir meine eigene ganz neue Welt geschaffen und ich kann alles machen, was mir einfällt: Geschichten in Corsica, in Island, in Alaska, in Asien und in Deutschland stattfinden lassen… Ich habe keine Probleme Anregungen zu finden, die mehr oder weniger originell sind, auch weil mein Held ein Weltenbummler ist, der auf Jagd nach Vampiren und Monstern in allen Ländern der Erde ist. Bei Tex ist es nach fast 60 Jahren freilich schwierig, insbesondere was den Level der dramatischen Erzählung anbelangt, etwas zu erfinden, was noch nie gemacht wurde. Aber es ist nicht unmöglich! Und dann ist es so, dass beim Western-Genre nichts Überraschendes oder absolut Neues erzählt werden sollte, sondern mehr klassische und bekannte Geschichten. Dem gegenüber steht der Horror, der verstören, eindringen und das Unbewusste und die Angst ausloten soll…

Splashcomics: In Deutschland sind italienische Comics nicht sonderlich bekannt, wenn man einmal von Dylan Dog absieht. An was liegt das Deiner Meinung nach?


Mauro Boselli: Das müsste ich eher Euch fragen!

Splashcomics: Du arbeitest seit 1984 bei Bonelli, am Anfang als Redakteur. Was hat Dich dazu gebracht als Autor zu arbeiten?

Mauro Boselli: Ich habe mir schon immer gewünscht als Comicautor zu arbeiten, etwas, was ich jetzt seit mehr als 20 Jahren mache!

Splashcomics: Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei Dir aus?

Mauro Boselli: Ich stehe um 6:30 Uhr auf und gehe mit meinen Hund, einem Husky, spazieren. Danach gehe ich eine halbe Stunde im Park joggen, kaufe Zeitungen, dusche und frühstücke. Um 8:15 Uhr bin ich im Büro. Ich korrigiere und verschicke meine Seiten, kontrolliere die Zeichnungen und mache sonstige redaktionelle Arbeiten bis 12:30 Uhr. Danach gibt es ein italienisches Mittagessen (Anmerkung der Redaktion: Italiener gehen selten nur kurz zum Mittagessen, das geht dann auch schon mal 1,5 Stunden oder länger). Ich lese meine Zeitungen. Zwischen 15:00 Uhr und 18:30 bis 19:00 Uhr schreibe ich. Ich bin nicht mit mir zufrieden, wenn ich nachmittags nicht mindestens acht Seiten schaffe. Bis 19:30 Gymnastik (Anmerkung der Redaktion: In Italien ist das „palestra“, das Gymnastikstudio sehr beliebt). Danach Abendessen und dann, sofern ich zu Hause bleibe, lese ich bis 22:30 (auch um mich auf dem Laufenden zu halten) oder schaue mir einen Film an. Am Wochenende mache ich Ausflüge mit meiner Familie (ans Meer, in die Berge, italienische Städte), aber manchmal schneide ich mir auch einen halben Tag für mich ab, um zu Schreiben oder zu Lesen usw.

Splashcomics: Was siehst Du, wenn Du aus dem Fenster blickst?

Mauro Boselli: Im Büro sehe ich den Garten des Palazzo di Via Buonarroti, wo Sergio Bonelli Editore seinen Sitz hat. Von meinem Büro zu Hause aus sehe ich nur eine Strasse in Mailand, aber ich schaue dort nie hinaus, weil die weiße Seite (ich schreibe auf der Schreibmaschine, nicht am Computer) vor mir viel interessantere Dinge bietet, von der Wüste Arizonas über die Nebel verhangenen Ländereien Schottlands hin zur Welt der Fantasie…

Splashcomics: Wir bedanken uns für das Interview.


Das Interview führte Bernd Glasstetter per E-Mail.
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Special vom: 24.04.2007
Autor dieses Specials: Bernd Glasstetter
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Die Autoren
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