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Comic-Besprechung - Aale und Gespenster
Geschichten:Aale und Gespenster
Autor / Zeichner / Colorist: Marius Schmidt
Story:
1947, die Lübecker Bucht. Der Krieg ist zwar vorbei, aber die Spuren allgegenwärtig und die Wunden sind frisch. Casimir und Rimsky könnten unterschiedlicher nicht sein, aber dennoch freunden sie sich an. Um etwas zu verdienen, schlachten sie das Wrack eines Schiffes aus welches in der Lübecker Bucht liegt. Dieses wurde in den letzten Tagen des Krieges bombardiert und Tausende von KZ-Häftlingen, die an Bord eingesperrt waren, kamen um. Die Aale in den Jahren sind besonders dick und überall lauern die Gespenster der Vergangenheit. Auch 1987 als auf einem Campingplatz ein Skelett gefunden wird. Ein Opfer der Bombardierung oder gab es einen Mord?
Meinung:
Die Graphic Novel Aale und Gespenster von Zeichner und Autor in Personalunion Marius Schmidt basiert auf wahren Ereignissen. Zwar betrifft das nicht die Handlung an sich, aber den Hintergrund. Am 03.05.1945 wurde in der Lübecker Bucht das Schiff „Cap Arcona“ von britischen Flugzeugen angegriffen. Der Zweite Weltkrieg lag schon in den letzten Zügen und wenige Tage später sollten die Deutschen bedingungslos kapitulieren. Insofern war dieser Angriff besonders tragisch da sich in dem Schiff KZ-Insassen befanden welche von der SS dort eingesperrt waren. Noch Jahre später wurden Knochen gefunden von den Tausenden die bei dem Angriff ums Leben kamen.
Dieses tragische Geschehen, welches wohl vor allem in der Umgebung über Jahrzehnte im Bewusstsein verblieben ist, bildet nun den historischen Hintergrund für die Graphic Novel. Der Angriff kommt zwar vor, steht aber nur insofern im Mittelpunkt da er den Hintergrund für die eigentliche Handlung bildet. Vielmehr geht es hier um eine Freundschaft und um einen Krimi. Wobei die Story nicht so recht einem bestimmten Genre zugeordnet werden kann. Ja, es ist eine Geschichte über die Freundschaft zwischen Casimir und Rimsky, aber keine Coming-of-Age Geschichte. Beide sind junge Erwachsene und als Flüchtlinge in die Lübecker Bucht gekommen. Casimir hat dabei ein paar Zehen verloren und Rimsky ist ursprünglich Pole und wurde als Zwangsarbeiter gepresst und ist nun in dem Fischerdorf gestrandet. So unterschiedlich sich die beiden auch sein mögen: durch den Krieg haben sie alles verloren und schlachten nun das Wrack der Arcona aus, um etwas zu verdienen. Nebenbei geht es um die Träume von der Zukunft und der Liebe.
Vor allem ist die Geschichte aber auch ein Krimi, denn 1987 werden Knochen entdeckt die zunächst für die Überreste eines Opfers des Luftangriffs gehalten werden. Doch schien es sich hier um einen Mord zu handeln und der Großteil des Buches ist in einer Rückblende erzählt die schließlich aufgreift und enthüllt was 1947 geschehen ist und wessen Knochen das eigentlich sind. Da hier der Krieg allgegenwärtig ist, ist es im Grunde auch eine Kriegsgeschichte. Und doch wieder nicht. Es gibt keine Action, keine Schlachtenszenen und der Ort bleibt vom Krieg an sich weitgehend unbehelligt. Dazu kommt das die eigentliche Geschichte 1947, also zwei Jahre nach Kriegsende, angesiedelt ist. Natürlich kommt der Holocaust zur Sprache, aber der Blickpunkt des Buches liegt eher darin wie es nach dem Krieg weiterging. Flüchtlinge aus allen Ecken des bisherigen Deutschlands kommen an, man versucht sich mit den Besatzern, hier die Briten, zu arrangieren und versucht mit dem Elend der Nachkriegszeit und vor allem auch der Schuld klar zu kommen. Die Geschehnisse sind noch zu frisch als das wirklich jeder sich auch schon innerlich von dem NS-Regime loseisen konnte. Ausgerechnet die Hauptfigur Casimir ist da sehr indifferent und er erfährt eher die Geisteshaltungen anderer durch Gespräche während seine eigene Einstellung, welche für den Leser das Identifikationspotential gewesen wäre da er eindeutig die Hauptfigur ist, undefiniert bleibt.
Im Grunde ist die Geschichte vollkommen überladen und will sehr viel, Da sich Schmidt auf kein einziges Thema konzentriert, bleibt vieles nur unscharf umrissen oder wird angedeutet. Dennoch wird man in die Geschichte hineingesogen. Man spürt regelrecht die sommerliche Idylle und richtet sich gemütlich in einem Strandkorb ein. Aber dieser steht auf Treibsand und das Fundament ist alles andere als stabil. Ebenso wie die Charaktere wird die Leserschaft zunehmend in die Abgründe hineingezogen.
Das hat einen enormen Reiz. Leider sind die Zeichnungen aber arg reduziert. Oftmals gibt es keinerlei Hintergründe und sieht nur die Figuren bis zur Hüfte die vor einem kahlen Hintergrund agieren. Auch sind manche Charaktere sehr schwer zu unterscheiden und die Mimik verrutscht bisweilen etwas. Andererseits sind das Aquarellhafte und die Wasserfarben für die Story gut gewählt da sie nicht nur durch das Flüchtige etwas Maritimes haben und somit das Setting unterstützen, sondern auch das Fragile der Psyche der Charaktere und der Gesellschaft verdeutlichen. Alles ist im Fluss, alles undefiniert und alles muss sich neu erfinden. So bleibt sowohl inhaltlich als auch zeichnerisch etwas Konsequenz aus. Es hätte schärfer umrissen werden können, aber es hat seinen Reiz.
Fazit:
Inhatlich und zeichnerisch hätte die Graphic Novel etwas konzentrierter und schärfer konturiert sein können, aber sie entwickelt einen großen Sog und lässt einen letztlich in die Abgründe fallen.

Aale und Gespenster
Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann
Verlag:
Avant Verlag
Preis:
€ 25,00
ISBN 10:
3964451320
ISBN 13:
‎ 978-3964451323
224 Seiten
Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

- Gesellschaft und Charaktere im Wandel
- gutes Setting und trügerische Atmosphäre
- Twists

- etwas überladen
- sehr reduzierte Zeichnungen

Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic | ||
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Keine Bewertung vorhanden | ||
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Rezension vom: | 15.05.2025 | ||||||
Kategorie: | Alben | ||||||
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