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Comic-Besprechung - Die Berlin Trilogie — 1: Feuer in Berlin

Geschichten:

Die Berlin Trilogie — 1: Feuer in Berlin

Autor: Pierre Boisserie (nach Philip Kerr), Macha Séry (Nachwort)

Zeichner: François Warzala

Übersetzerin: Resel Rebiersch



Story:

Im Berlin des Dritten Reichs, zu Beginn der Olympischen Spiele dort, bekommet der ehemalige Polizist Bernhard Gunther als frischgebackener Privatdetektiv einen verdeckten Auftrag: er soll für den Industriellen Six einen Diamantdiebstahl aufklären, und zwar an der neuen Obrigkeit vorbei. Hierbei gerät er sehr schnell zwischen alle Fronten und muss feststellen, dass es sogar noch um weit mehr geht als nur um äußerst wertvolle Diamanten.



Dieser Comic wurde mit dem Splash-Hit ausgezeichnet Meinung:

Pierre Boisserie und François Warzala haben mit diesem Band die erste Geschichte aus Philip Kerrs Berlin-Trilogie in das Comic-Format umgesetzt, und das sehr gekonnt, wie ich finde. Obwohl die Geschichte selbst sicher sehr detailliert durch Philip Kerrs Roman vorgegeben wurde, hat Pierre Boisserie sie gekonnt zu einem Skript komprimiert, das als Comic funktioniert und keine Erzähllücken oder Sprünge erkennen lässt, auch wenn es vielleicht welche geben sollte (ich kenne leider den Roman nicht). Die Handlung ist hinreichend kompliziert und verschachtelt aufgebaut, sodass man ausgezeichnet unterhalten wird. Es tauchen zahlreiche Protagonisten auf, wobei sich erfundene mit tatsächlichen historischen Personen aus dem Dritten Reich gekonnt vermischen, was der Geschichte eine beinahe schon erschreckende Glaubwürdigkeit verleiht. Nachdem sich mehrfach die Allianzen zwischen den einzelnen Protagonisten verschoben haben, wird der Plot zum Schluss mit einer interessanten Wendung aufgelöst. Die hat man zwar als aufmerksamer Leser durchaus bereits ab ca. zwei Dritteln des Buches ahnen können, sie ist aber trotzdem recht originell, wie eigentlich die gesamte Ausgangsszenerie und das Setting der Story es sind.

Wie man dem sehr informativen Nachwort der französischen Literaturkritikerin Macha Séry entnehmen kann, war Kerr bei seiner Hauptfigur durch Raymond Chandlers Philip Marlowe inspiriert, den er quasi gedanklich von Los Angeles nach Berlin versetzt hat. Und das ist für mich das einzige Manko an dieser Geschichte: Gunther ist ein bisschen zu vorlaut für meinen Geschmack, ich weiß nicht, ob man sich zu dieser Zeit so viel gegenüber der Gestapo und der SS hat herausnehmen können, wie Gunther dies tut. Nun, dies soll seinen starken Charakter beschreiben, seinen Widerstand gegen die Nazis — aber ob das realistisch ist? Er muss zwar richtig Prügel einstecken, im wahrsten Sinne des Wortes, doch mehr auch nicht (zum Glück, sonst ginge die Serie ja nicht weiter). Das mag erklärbar sein, weil er als Ex-Polizist die Situation vielleicht tatsächlich immer richtig einschätzen kann. Doch mir war das ein bisschen zu amerikanisch, ein bisschen zuviel Marlowe. Aber das ist Geschmacksache.

Für François Warzala ist dies erst die dritte Comicveröffentlichung überhaupt nach zwei anderen Büchern in den Jahren 2008 („Monsieur Bertrand”) und 2018 („L’Histoire de la V’ieme République”). Hauptberuflich betreibt er ein Designbüro und arbeitet für den Trickfilm und die Werbeabteilungen verschiedener französischer Verlage, was diese etwas raren Ausflüge in die Comicwelt erklären mag. Er zeichnet in dem sehr klaren Stil der „Nouvelle-Ligne-Claire”, der ein bisschen an „Robert Sax” von Louis Alloing erinnert (auch bei S&L erschienen) oder (ein bisschen weniger) an André Taymans — Warzalas Figuren sind nicht so steif wie Taymans. Die Kolorierung ist hierbei unaufdringlich, aber gelungen, und er verwendet hier teilweise einen Schattenwurf, der die Figuren etwas räumlicher erscheinen lässt, was bei diesem Stil ungewöhnlich, oder zumindest selten ist. Doch sowohl Zeichnungen als auch Kolorierung passen zur Handlung und schaffen genau die Atmosphäre, die diese Geschichte aus der Nazizeit braucht.

Kerr hat die Abenteuer seines Helden Bernhard Guther übrigens nicht auf die Berlin-Trilogie beschränkt, sondern dieser im Weiteren nach einer Pause noch elf Bücher folgen lassen. In Comicform ist auch in Frankreich bisher nur dieser Band erschienen, wir wollen hoffen, dass es demnächst weitergehen wird. Beide Autoren haben sich, zu meiner Überraschung, seit Erscheinen dieses Bandes im Jahr 2021 in Frankreich erst einmal anderen Projekten gewidmet: Warzala hat eine weitere Geschichte aus dem Zweiten Weltkrieg über ein ungewöhnliches Kriegsgefangenenlager für französische Offiziersanwärter in Stalback gezeichnet (nach einem Szenario von Thomas Legrand), während Boisserie neben verschiedenen Szenarios zu historischen Themen den Zweiteiler „Das Gold der Belgier” (auf deutsch erschienen bei Blattgold) dazwischengeschoben, und aktuell die neue Abenteuerserie „Nostromo” gestartet hat. Hoffentlich kommen die beiden bald wieder auf die Berlin-Trilogie zurück. Doch der vorliegende Band enthält eine in sich abgeschlossene Geschichte, die nicht unbedingt einer Fortsetzung bedarf, zumal dem Vernehmen nach die weiteren Romanvorlagen weder zeitlich noch inhaltlich an diese Geschichte anzuschließen scheinen. Wir werden sehen, und freuen uns schon mal auf eine Fortsetzung.



Fazit:

Ein gelungener Auftakt zu dieser geplanten Trilogie und eine sehr schöne Umsetzung der Romanvorlage von Philip Kerr, der hier die Erlebnisse des Detektivs Bernhard Gunther erzählt, der im Nazi-Berlin zu Beginn der Olympischen Spiele in dunkle Intrigen verstrickt wird. Spannend erzählt und straff aber gelungen in ein Comic-Szenario übersetzt überzeugt diese Graphic Novel durch atmosphärisch passende Zeichnungen im Stil der „Nouvelle-Ligne-Claire”. Eine überzeugende Detektivgeschichte vor historischem Hintergrund, die ausgezeichnet zu unterhalten weiß. Sehr zu empfehlen.



Die Berlin Trilogie — 1: Feuer in Berlin - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Die Berlin Trilogie — 1: Feuer in Berlin

Autor der Besprechung:
Uwe Roth

Verlag:
Schreiber und Leser

Preis:
€ 29,80

ISBN 10:
3965821946

ISBN 13:
978-3965821941

144 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • Eine überzeugende Detektivgeschichte vor historischem Hintergrund.
  • Atmosphärisch passende Zeichnungen im Stil der „Nouvelle-Ligne-Claire”.
Negativ aufgefallen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
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Rezension vom: 10.04.2025
Kategorie: Alben
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