Comic-Besprechung - Tiger

Geschichten:

Tiger

1.) Blutige Taïga

2.) Blutbad

Autor: Gregorio Muro Harriet

Zeichner: Alex Macho (d.i. Alejandro Macho Andrès)

Übersetzerin: Karolina Heidinger

Story:

In der ostsibirischen Taïga wird das bereits etwas wackelige Gleichgewicht aus Einheimischen, Wildschützern und der chinesisch-russischen Holzfällermafia empfindlich gestört, als die deutsche Umweltaktivistin Sabine Köditz zum wiederholten Male mit einem Filmteam eintrifft um über die maßlosen Abholzungen in diesem Teil der Welt zu berichten. Doch als dann im Laufe der Ereignisse noch ein sibirischer Tiger angeschossen wird, spitzt sich die Handlung für sämtliche Beteiligten gefährlich zu. Plötzlich ist nicht mehr der Mensch des Menschen größter Feind…

Meinung:

Das in Deutschland weitestgehend unbekannte spanische Autorenteam um den Zeichner Alex Macho und den Szenaristen Gregorio Harriet legt hier einen spannenden Zweiteiler vor, den man früher vielleicht als „Öko-Thriller” tituliert hätte — was es aber auch ganz gut träfe. Gemischt mit Bezügen zur mafiösen und auf einer hochgradig korrupten Verwaltung vertrauenden Holzbranche und angereichert mit einer Riege von wirklich erstklassigen Bösewichten trifft eine Gruppe von Öko-Aktivisten auf eine Situation, die sie absolut nicht überblickt, und gerät zwischen die Fronten aus Fremdenhass, Korruption, alten Fehden und … einem verwundeten Tiger, der als „Geist des Waldes” einen Rachefeldzug startet, der es in sich hat. Das alles ist erstklassig choreografiert und meisterhaft in Szene gesetzt, denn die Autoren lassen sich einerseits anfangs ein bisschen Zeit, um die Szenerie auf den Leser wirken zu lassen und gleichzeitig die handelnden Figuren quasi zusammen mit dem Leser ankommen zu lassen. Doch im rechten Moment wissen sie, wann die Handlung Fahrt aufzunehmen hat, lassen sie immer neue Figuren auf der Bildfläche erscheinen, die dann vor allem den Titel des zweiten Bandes wie ein Fanal erscheinen lassen: „Blutbad”. Und das ist es, ähnlich wie im kürzlich ebenfalls bei Schreiber & Leser erschienen Band „Hekatombe” aus der Serie „Bouncer”, was ja ebenfalls Blutbad bedeutet. Doch diesmal kommt noch ein Tiger hinzu, und das ist wirklich originell. Zumal die Geschichte nicht so flach und horrormäßig überdreht daherkommt wie man es in amerikanischen Kinofilmen über eine durchdrehende Fauna gesehen hat, und auch nicht so mystisch wie in Hitchcocks „Die Vögel”, sondern glaubwürdig aufgebaut, gut konstruiert und meisterhaft inszeniert. Harriet hat hier wirklich Großes geleistet, und es ist schade, dass das einzige von ihm auf deutsch erschienene Werk bereits nach einem Band eingestellt wurde: „Tränen der Sonne” im alten Splitter-Verlag. Auch dort konnte er mich vollends überzeugen.

Alex Macho, der in Deutschland bislang vollkommen unbekannt sein dürfte, hat bislang hauptsächlich in seiner Heimat veröffentlicht, und auch da vor allem im Bereich Trickfilm. Seit einigen Jahren ist er auch im franko-belgischen Comicraum aktiv, mit seinem bisher festen Koautoren Harriet, mit dem er neben „Féroce”, wie Tiger im Original heißt, die historische Serie „La honte et l’oublie” (dt. etwa „Die Schande und das Vergessen”) begonnen hat. Macho zeichnet in einem hyperrealistischen Stil, vielleicht vergleichbar mit dem von Juri Schigunow („Agent Alpha”) oder Philippe Francq („Largo Winch”), und er weiß die schneebedeckte Weite der Taïga meisterhaft einzufangen. Seine Bildeinteilungen sind perfekt, die gewählten Perspektiven und Perspektivwechsel unterstreichen die Handlung meisterhaft und schaffen es, sowohl Ruhe zu vermitteln, als aber auch Tempo in die Handlung zu bringen, ganz so, wie benötigt. So stelle ich mir einen guten Comic vor!

Ich finde es einen guten Entschluss von Schreiber & Leser, diesen Zweiteiler direkt in einem Band zu veröffentlichen, denn die Serie hat so viel Drive, dass man sie unbedingt an einem Stück lesen wollen wird — und das kann man ja jetzt auch. Ungewöhnlich finde ich, dass die Namen der Autoren nicht auf dem Cover genannt werden! Ich denke, das war ein Versehen? 

Der wieder einmal sehr hochwertig aufgemachte Hardcoverband enthält neben zusätzlichen Covern als Kapiteleinleitungen der beiden Bände keine weiteren Extras, doch das kann den Wert dieses Buches nicht schmälern: dieser exzellente Thriller ist einfach klasse!

Fazit:

Ein Ökothriller vor der ungewöhnlichen Kulisse Ostsibiriens und mit einer Riege sehr gemischter Charaktere versehen, deren Originalität nur von einem von ihnen selbst getopt wird: einem Sibirischen Tiger als Racheengel. Das super Szenario und die meisterhaften Zeichnungen heben dieses Werk in die Spitzenklasse, und es kann nur uneingeschränkt empfohlen werden — was ich hiermit tue. Kaufen!

Tiger

Autor der Besprechung:
Uwe Roth

Verlag:
Schreiber und Leser

Preis:
€ 24,80

ISBN 10:
3965821768

ISBN 13:
978-3965821767

112 Seiten