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Comic-Besprechung - Mohnblumen aus dem Irak
Geschichten:Mohnblumen aus dem Irak
Autor: Brigitte Findakly, Lewis Trondheim, Zeichner: Lewis Trondheim, Colorist: Brigitte Findakly
Story:
Am 7. März 2015 zerstörte der Islamische Staat die antiken Löwenstatuen in der archäologischen Stätte von Hatra. Birgitte Findakly, die als Tocher einer Französin und eines Irakers im Irak aufgewachsen ist, hatte dort als Kind gespielt. Angesichts der Zerstörung werden die Kindheitserinnerungen erweckt. Zudem spiegelt die Geschichte ihrer Familie auch in einer gewissen Art und Weise die wechselvolle Geschichte des Landes.
Meinung:
Brigitte Findakly ist bisher nicht als Autorin aufgefallen. Vielmehr gibt sie mit der autobiographischen Graphic Novel Mohnblumen aus dem Irak ihr Debüt als Comicautorin. Aber das Medium ist ihr beileibe nicht fremd. Manche dürften sie als Koloristin kennen, die durch Francois Corteggiani zu ihrem Metier gekommen ist. Sie hat vor allem für Yoann Sfar, Manu Larcenet und Riad Sattouf gearbeitet. Und natürlich für Lewis Trondheim, dem sie es auch überließ, die Zeichnungen für den vorliegenden Band anzufertigen. Diese Zusammenarbeit ist wenig überraschend, denn Brigitte Findakly ist schließlich mit Lewis Trondheim verheiratet.
Nun könnte man gehässig sein und das Werk damit abtun, dass Findakly mit ihrer bisherigen Rolle unzufrieden ist und sich als Autorin profilieren will und sich dabei ihres Mannes bedient. Das wäre sehr böse und man täte ihr damit äußerst unrecht. Vielmehr sieht sie sich wohl durch aktuelle Begebenheiten mehr oder weniger dazu genötigt, eine autobiographische Graphic Novel zu verfassen. Dafür spricht, dass bereits auf der zweiten Seite geschildert wird, dass der Islamische Staat am 7. März 2015 die berühmten antiken Löwenstatuen in der archäologischen Stätte von Hatra zerstörte und ein jahrtausendealtes Kulturdenkmal vernichtete. Findakly kannte die Stätte noch aus ihrer Kindheit und hat oft dort gespielt. Denn sie ist im Irak geboren und nutzt die aktuellen geopolitischen Entwicklungen dazu, ihre Kindheitserinnerungen aufzuzeichnen. Dabei ist der Anfang geschickt gewählt, denn gerade die Zerstörung erweckt die Erinnerungen und als Folge davon eine ganze Reihe von Szenen aus der Vergangenheit die mehr oder weniger assoziativ auftreten.
Wobei die Autorin sich nicht darauf beschränkt, sich auf die Kindheit zu konzentrieren, welche oftmals durch eine Nostalgie verzerrt sein könnte, sondern benutzt vielmehr ihre Familiengeschichte dazu, die wechselhafte politische Geschichte des Irak seit den 1940er Jahren aufzufächern. Wer nun aber erwartet die Golfkriege und den Bürgerkrieg zu sehen, der wird enttäuscht werden, denn Findakly hat zu dem Zeitpunkt bereits in Frankreich gelebt. So berichtet sie in der zweiten Hälfte auch nur das, was sie selber bei Reisen beobachtet hat und was ihr Familienmitglieder berichtet haben. Sie ist vorsichtig und zieht keine voreiligen Schlüsse, was der Graphic Novel gut tut, da sie ehrlich bleibt und deutlich macht, das es nicht ihre eigenen Erlebnisse sind und alles subjektiv gefärbt ist.
Sie verurteilt auch nicht. Vieles konnte sie als Kind auch nicht einordnen. So gerät auch vieles dramatisches und tragisches auf eine subtile Art komisch. Es ist dann zwar nicht zum Lachen, aber das entbehrt nicht einer gewissen Absurdität die aus der Ideologie oder Religion erwächst und die einen durchaus lächelnd den Kopf schütteln lässt. Als Leserin und Leser wird man aber auch darauf gestoßen, dass der Irak natürlich auch vor Saddam Hussein eine Geschichte hatte, die von den aktuelleren Ereignissen überdeckt werden und so bekommt man einen spannenden Einblick in eine verlorene Zeit und Gesellschaft die wie die Löwenstatuen zerstört worden ist. Findakly macht sie wieder lebendig in einer äußerst charmanten Art und Weise. Wozu auf jeden Fall die Ehrlichkeit gehört, denn auch die nicht so positiven Eigenschaften ihrer Eltern, welche auch aus einem Culture Clash erwachsen (die Mutter ist Französin, der Vater Iraker), kommen zur Sprache.
Lewis Trondheim hat das mit einer Leichtigkeit zu Papier gebracht. Der reduzierte Stil der schon mehr an Cartoons erinnert, lässt alles schweben. Oft wird auch auf Hintergründe verzichtet, so dass die Figuren in einem luftleeren Raum zu schweben scheinen, was oftmals der gerade geschilderten Situation entspricht. So etwa wenn sie gerade emotional und psychisch den Boden unter den Füßen verlieren. Auch passt das zu dem assoziativen Erzählfluss, der sich nicht chronologisch vollzieht, sondern Sprünge und Einsprengsel vornimmt. Trotz des ernsten Themas und der Trauer um eine verlorene Zeit spürt man eine Leichtigkeit welche die Trauer schwerer wiegen lässt, aber der Einblick in die Mentalität und die geschichtlichen Umbrüche die auch jetzt gerade noch stattfinden, werden gut eingefangen und machen die Lektüre äußerst faszinierend.
Fazit:
Eine faszinierende Lektüre welche sowohl traurig als auch komisch ist. Vor allem aber gelingt der Autorin eine subjektive Schilderung der Geschichte und der Mentalität eines ganzen Landes.

Mohnblumen aus dem Irak
Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann
Verlag:
Reprodukt
Preis:
€ 18
ISBN 10:
3956401204
ISBN 13:
978-3956401206
112 Seiten
Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

- leichter Stil
- Vermischung Wehmut und Komik
- Einblick in Geschichte und Mentalität

- jüngere Geschichte kommt etwas zu kurz

Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic | ||
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Rezension vom: | 31.07.2017 | ||||||
Kategorie: | Independent | ||||||
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