In der Datenbank befinden sich derzeit 18.265 Rezensionen. Alle Rezensionen anzeigen... |
Comic-Besprechung - Schwere Zeiten: Das Leben der Lili Grün
Geschichten:Schwere Zeiten: Das Leben der Lili Grün
Autor / Zeichner / Colorist: Thomas Fatzinek
Story:
Lili Grün hat es schon als Kind nicht leicht, da ihre Mutter früh stirbt und ihr Vater gesundheitlich schwer angeschlagen aus dem Ersten Weltkrieg zurück kommt. Lili fühlt sich eingeengt und strebt eine Künstlerkarriere an, die sie nicht nur nach Wien, sondern auch nach Berlin führt. Doch in Zeiten der Weltwirtschaftskrise ist es gerade als Künstler schwer, sich durchzuschlagen. Als Jüdin und Kommunistin beobachtet Lili das Erstarken der faschistischen Bewegung mit wachsender Sorge.
Meinung:
Es ist immer dieselbe Frage, die bei jedem neuen Buch, Film oder Dokumentation neu gestellt werden muss: wie soll man das Unfassbare fassbar machen? Das betrifft nicht nur Naturkatastrophen wie etwa den desaströsen Tsunami oder Terroranschläge wie die vom 11. September 2001, sondern vor allem und vor allen Dingen den Holocaust. Auch wenn man sich noch so oft damit beschäftigt, so kommt man aus dem Entsetzen nicht heraus, was Menschen anderen Menschen antun können.
Wie also dieses fassbar machen, was man einfach nicht verstehen kann? Ein Mittel ist da, das Monströse auf ein Einzelschicksal herunter zu brechen. Das hat nicht nur dramaturgisch das einfache Mittel, sich auf ein, reales, Leben zu beziehen, welches die Geschichte an sich schon vorgibt. Das unmittelbare Erfahren des Schicksals einer anderen Einzelperson kann auch die Empathie verstärken und das Entsetzen deutlich machen, wohingegen reine Statistiken oft zu abstrakt sind.
Für diese Beispielmachung an einer einzelnen Person gibt es sehr viele hervorragende Beispiele. Oft dienen Familienchroniken dazu oder eben eine ausgewählte Person. Leider gelingt das dem Buch Schwere Zeiten: Das Leben der Lili Grün nicht sonderlich. Was sehr bedauerlich ist, denn hier wird noch eine schillernde Person gewürdigt, die zum größten Teil wohl dem Vergessen anheimgefallen ist und vor allem in Deutschland nicht sonderlich bekannt sein dürfte. Dabei war die junge Jüdin im Wien und Berlin in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg eine Kabarettistin, Dichterin, Sängerin und Schriftstellerin. Zynisch gesagt, lief das Künstlerleben dabei recht klischeehaft ab. Ihre Werke wurden gewürdigt, aber sie litt permanent an Hunger, denn in Zeiten der Weltwirtschaftskrise war es besonders als Künstler schwer zu überleben und sein Auskommen zu finden. Krankheit und Einsamkeit waren denn auch oft die Folgen und nach diversen Hochs kamen wieder die Niedergänge. Ein wechselhaftes Leben welches auch so schon spannend gewesen wäre, indem man die Wechselwirkungen einer Künstlerexistenz in Zeiten der wirtschaftlichen Not, der politischen Spaltungen, Grün war eher den Kommunisten zugeneigt, und schließlich des Holocaust geschildert hätte. Leider rast man in diesem schmalen Bändchen nur so durch das Leben von Lili Grün ohne das prägnante Szenen gefunden werden, die dementsprechend auch keine hohe Symbolik für das kommende finden können. Man versucht möglichst viel hineinzupressen, bringt dabei aber nicht die Person näher.
Das ist der andere Nachteil: die Person bleibt einem fremd und so fällt es schwer ihr gegenüber eine Empathie aufzubauen. Was angesichts des Schicksals von Lili Grün für die Wirkung des Buches fatal ist. Auch ihr Ende und ihre tragischen Erlebnisse können so kaum Wirkungen und Empörung auslösen. Zu nüchtern bleibt der Blick. Der rudimentäre Zeichenstil, der sogar schon deutlich in das naive geht, ist da auch nicht hilfreich, da es kaum ein Minenspiel gibt und alles auf das notwendigste reduziert ist und damit abstrakt bleibt. Das macht das alles wieder nicht erfassbar, da so die Künstlichkeit in den Vordergrund gestellt wird. Schade, da hätte nicht nur die Person, sondern auch der Leser Besseres verdient gehabt.
Fazit:
Enttäuschend. Das Leben, die Person und damit die Tragik der Lili Grün bleibt einem fremd, was angesichts des Themas für die Aussage fatal ist.
Schwere Zeiten: Das Leben der Lili Grün
Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann
Verlag:
bahoe books
Preis:
€ 14
ISBN 10:
3903022411
ISBN 13:
978-3903022416
80 Seiten
Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser
- eine Künstlerin aus der drohenden Vergessenheit geholt
- Buch erweckt keine Empathie
- Person bleibt einem fremd
- rudimentärer Zeichenstil
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic | ||
Bewertung: | ||
(1 Stimme) | ||
|
|
|||||||
Rezension vom: | 26.11.2016 | ||||||
Kategorie: | One Shots | ||||||
|
|||||||
Leseprobe | |||||||
Zu diesem Titel liegt derzeit keine Leseprobe vor. Sie sind Mitarbeiter des Verlags und daran interessiert uns für diesen Titel eine Leseprobe zu schicken? Dann klicken Sie hier... | |||||||
Das sagen unsere Leser | |||||||
Zu diesem Titel existieren noch keine Rezensionen unserer Leser. |
?>