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Comic-Besprechung - Lazarus 1: Die Macht der Familien

Geschichten:
Originaltitel: "Lazarus, Volume One"
Text: Greg Rucka
Zeichnungen: Michael Lark (unter Mithilfe von Brian Level)
Farben: Santi Arcas


Story:

Irgendwann in einer nahen Zukunft: Auf dem gefliesten Boden in einem dunklen Zimmer liegt der blutüberströmte Körper einer Frau – so gut wie tot. Um sie herum stehen drei Männer, bewaffnet mit Pistole, Machete und Vorschlaghammer. Als die Männer schon nach Essbarem in dem Gebäude suchen, schlägt die vermeintlich Tote die Augen auf und nimmt fürchterlich Rache an ihren „Mördern“. Mit dieser Einstiegssequenz beginnt Lazarus „Die Macht der Familien“. Die Welt, in die der Leser entführt wird, hat ihre traditionellen Autoritäten verloren. Statt Regierungen kontrollieren Familien die Gesellschaft, die sie einteilen in Knechte und Abfall. Knechte helfen den Familien ihre Macht zu erhalten und sind ihre Handlanger. Die als Abfall betitelten Menschen werden einzig und alleine als Material angesehen, über das die Herrschenden verfügen können. Die Geschichte ist angesiedelt im Grenzgebiet zwischen Kalifornien und Mexiko, wo sich die beiden Familien Carlyle und Morray gegenüberstehen. Zur Führung der Carlyle gehören neben dem Familienoberhaupt seine Söhne Stephen und Jonah sowie seine Töchter Bethany, Johanna und Forever, genannt Eve. Forever ist der Lazarus er Familie, ein genetisch modifizierter Mensch, der praktisch unsterblich ist. Jede Familie hat zur Festigung ihrer Macht einen Lazarus. Schon seit längerer Zeit liegen die Carlyles im Krieg mit den mexikanischen Morrays. Eve erhält von ihrem Vater den Auftrag, mit den Morrays über ein Friedensabkommen zu verhandeln. Doch das liegt nicht im Interesse aller Familienmitglieder. Ihre diplomatische Mission wird teilweise von ihrer eigenen Familie torpediert. Ihr einziger Verbündeter scheint in diesem Verwirrspiel der Lazarus der Morrays, Joacquim Morray, zu sein. 




Meinung:
Für seine Geschichte lässt sich Greg Rucka vom Johannes-Evangelium aus dem Neuen Testament inspirieren. Dort heißt es in Kapitel 11 – „Die Auferweckung des Lazarus“: „Daraufhin nun sagte es ihnen Jesus frei heraus: Lazarus ist gestorben (…) Als nun Jesus hinkam, fand er ihn schon vier Tage im Grab liegend (…) Jesus nun, indem er wieder bei sich selbst seufzte, kam zum Grab. Es war aber eine Höhle, und ein Stein lag darauf. Jesus spricht: Hebt den Stein weg! Martha, die Schwester des Verstorbenen, spricht zu ihm: Herr, er riecht schon, denn er ist schon vier Tage hier! Da hoben sie den Stein weg, wo der Verstorbene lag. (…) Und der Verstorbene kam heraus, an Händen und Füßen mit Grabtüchern umwickelt und sein Angesicht mit einem Schweißtuch umhüllt. Jesus spricht zu ihnen: Bindet ihn los und lasst ihn gehen!“ Lazarus der Untote, der seit jeher von der Kunst aufgegriffen wurde. Von Heinrich Heine bis hin zu Dostojewski, die literarische Bandbreite ist vielseitig.
Ruckas Werk spielt mit dem biblischen Mythos. Lazarus ist durchwoben von Anspielungen auf christliche Symbole. Neben Lazarus sind es unter anderem auch die Namen ihrer Geschwister: Jonah und Johanna rufen beim Leser ebenfalls Assoziationen an das „Buch der Bücher“ hervor. Und auch der Name des Lazarus der Morray-Familie, Joacquim, geht auf einen hebräischen Vornamen zurück. Geschickt verwebt der Szenarist, der bisher im Wesentlichen im Superhelden-Genre tätig war, Namensgebung und Machtanspruch miteinander. Die Autorität der Familien kommt einer göttlichen Allmacht gleich. Sie sind es, die über Tod und Leben entscheiden. 
Den Plot, den Rucka entwickelt, erinnert in vielem an die spätmittelalterliche Dekadenz, die Familien, wie beispielsweise die Borgia, ausstrahlen. Allmachtsverhalten, geschwisterliche Zuneigung, die über das normale Maß weit hinaus geht und Intrigen bestimmen den Alltag. Der erste Band, der 2014 als „Beste neue Serie“ mit dem Eisner-Award ausgezeichnete Reihe, hat alle Zutaten, die für ein fesselndes Familiendrama von Nöten sind.
„Gute Science-Fiction ist immer Social-Fiction, in der die Zukunft ein Mittel ist, um die Gegenwart zu untersuchen“ behauptet der Comicautor Warren Ellis in seinem Vorwort zu dem Band. Die Geschichte von Rucka kann in diesem Sinne als eine Zuspitzung der heutigen bereits existierenden Verhältnisse gelesen werden. Wie würde eine Welt aussehen, in der die Geschicke der Menschheit in den Händen einiger weniger mächtigen Protagonisten liegen. Für diese Vorgehensweise gibt es reichliche Beispiele. H.G. Wells hat in seinem Roman „Die Zeitmaschine“ nicht anders gearbeitet. Mit den Morlocks und den Eloi wollte er nichts Geringeres als auf die Klassenunterschiede seiner Gesellschaft bzw. deren Folgen für die Zukunft aufmerksam machen. Rucka befindet sich da also in guter Gesellschaft.
Festgehalten wird die Geschichte von Michael Lark. Sein Strick ist klar, schnörkellos und gibt die ganze Brutalität der Lazarus-Gesellschaft wieder. Es tut dem Band gut, dass der Zeichner sich ganz in den Dienst der Geschichte stellt und seine möglicherweise vorhandenen eigenen Interpretationen hinten anstellt. 


Fazit:

Rucka entwickelt im ersten Teil von Lazarus ein überaus spannendes Grundgerüst für eine fesselnde Geschichte. Vor allem das Verhältnis der Geschwister untereinander, ihr Umgang mit dem Lazarus Eve und die beginnende Liaison von Eve mit Joacquim lassen den Leser gespannt zurück. Wie es sich für einen ersten Band einer Reihe gehört, wirft „Die Macht der Familien“ viele Fragen auf. Das Können von Rucka besteht darin, den Leser einerseits neugierig auf die Antworten zu machen und andererseits gerade so viele Informationen zur Geschichte zu geben, das der Leser nicht komplett orientierungslos ist. Band zwei kann kommen.



Lazarus 1: Die Macht der Familien - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Lazarus 1: Die Macht der Familien

Autor der Besprechung:
Bernd Hinrichs

Verlag:
Splitter Verlag

Preis:
€ 19,80

ISBN 13:
978-3-95839-218-2

120 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • erstklassige Ausstattung
  • spannende Geschichte, schnörkellos erzählt
  • verwobene Handlungsstränge machen Lust auf mehr
Negativ aufgefallen
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Rezension vom: 23.02.2016
Kategorie: Lazarus
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