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Comic-Besprechung - Arzak - Der Raumvermesser

Geschichten:
Arzak L’arpenteur
Autor/Zeichner:
Moebius
Farben: Yves Chaland

Story:
Ein einsamer Reiter mit hoher Kappe fliegt mit seinem Reitvogel über ausgedehnte Wüstenlandschaften. Er ist der Raumvermesser, der auf einer abgelegenen Welt im Konflikt zwischen zwei Rassen wenn nicht vermitteln, so doch schlichtend eingreifen muss. Seine Welt ist nicht ohne Vorurteile oder Hass und als er dem Übel weiter auf den Fersen ist, muss er sich gar mit der Bevölkerung anlegen, die seinen Auftrag, hier am Rande des zivilisierten Universums, nicht mehr ganz ernstzunehmen vermag. Unterdessen wird unzählige Lichtjahre  entfernt ein Raumschiff von Piraten angegriffen, die es anscheinend auf die an Bord befindliche Prinzessin abgesehen haben. In letzter Sekunde versucht die Mannschaft sich in den Hyperraum zu retten, ohne zu wissen, ob die Piraten ihnen folgen oder an welchem Ende des Universums sie wieder herauskommen werden.


Dieser Comic wurde mit dem Splash-Hit ausgezeichnet Meinung:
Manche Geschichten verlangen nahezu erzählt zu werden. Mit Gewalt versuchen sie über den Kreativen in die reale Welt zu entfliehen. So ging es manchen Autoren, wie beispielsweise Philip K. Dick, dessen Umsetzung des Romans Die drei Stigmata des Palmer Eldritch für diesen wie eine Art Exorzismus war, mit dem er sich von dieser nach außen drängenden Geschichte befreite. Etwas Ähnliches scheint auch Moebius mit dem stummen Wüstenreiter auf dem urzeitlichen Vogel passiert zu sein. Arzak wollte einfach weitererzählt werden und gärte und rumorte in den Gedanken des Zeichners weiter.

Der erste Comic zu Arzak (oder Arzach) war eine Revolution. Nicht nur war ungewöhnlich, dass in der Geschichte kein einziges Mal gesprochen wird. Vielmehr umwälzend war die Tatsache, wie Arzak ganz neue Ebenen erforschte, die bis in die tiefsten Schichten des Unterbewussten vorstießen und Elemente der Traumdeutung ebenso in sich aufnahm wie solche des automatischen Schreibens. Keine Geschichte wurde hier mehr erzählt, sondern ein Bewusstseinsfluss sichtbar gemacht, der weder klassischen Erzählstrukturen folgte, noch sich in ein Schema pressen ließ.

Jetzt also Arzak – Der Raumvermesser. Etwas beunruhigt ist man ja schon. Die letzten (zugegebenermaßen hauptsächlich cineastischen) Versuche Fortsetzungen von alten Klassikern an das Publikum zu bringen, sind größtenteils gescheitert oder untergraben mehr das ihnen auferlegte Erbe, als dass sie es unterstützten. Ebenso drängt sich die Frage auf, kann man eine Geschichte aus den 70ern in die Moderne bringen? Ihre Wirkkraft mag noch spürbar sein, wenn man durch die Seiten blättert, aber ihre revolutionierenden Auswirkungen für die Branche sind längst vorbei, der Effekt ein anderer. Ebenso lebte der Comic damals von seiner Verschränkung mit dem Unterbewussten, dem Assoziativen. Jetzt verpasst Jean Giraud seinem stillen Helden nicht nur eine Stimme, sondern auch eine Geschichte.

Eine Umwälzung sollte man also nicht erwarten. Dafür bietet Arzak allerdings einen weiterhin meisterhaften Moebius, der selbst in seinen schwachen Moment glänzt, und einen Hauch Nostalgie, da hier ein Erzähler alter Schule am Werke ist. Erstaunlich flüssig und mit spielerischer Leichtigkeit variiert Moebius seinen Stil und stellt mal wieder seine Vielseitigkeit unter Beweis. Detailverliebte Wüsteneien und cartoonige Raumschiffinterieurs wechseln sich hier übergangslos ab und verweben sich dennoch ohne erkennbare Brüche zu einer Geschichte. Die Wüste faszinierte den großen Künstler stets und in Arzak kann er ihr wieder huldigen. Man erlebt sie in allen ihren Variationen, vom Strich am Horizont bis zur zerklüfteten Felssteppe. Da werden die Figuren beinahe zur Nebensache.

Ein Urteil, welches für die Geschichte vielleicht zu hart wäre, aber es ist nicht gerade einfach einem stummen Blatt mit Kultstatus plötzlich ein Motiv und eine echte Handlung aufzudrücken. Hier merkt man, dass Giraud noch in den Erzählungen „seiner“ Zeit verhaftet ist und für das eigentliche Szenario zumeist jemand anderen an der Hand hatte. Vermutlich hätte man die Geschichte vor 20-30 Jahren von ihm nicht viel anders präsentiert bekommen, an moderne erzählerische Grundsätze kommt sie aber einfach nicht heran. Auch hier startet also wieder die Nostalgiemühle und warum nicht? Arzak war für Moebius anscheinend eine Herzensangelegenheit und ein lange gehegter Wunsch. Sonst hätte sich der Meister nicht einfach nochmal an den Zeichentisch gesetzt und wäre in die von ihm erschaffene Welt Arzaks abgetaucht. Wie eingangs erwähnt, manche Geschichten wollen einfach erzählt werden.

Natürlich geht bei diesem Prozess das enorm vielschichtige des ersten Arzach verloren. Es wäre zumindest ein Wunder gewesen, wenn es Moebius gelungen wäre, die vielen Ebenen des Vorgängers aufrecht zu erhalten. Stattdessen wendet sich die Handlung in Richtung einer klassischen Science Fiction-Geschichte, holt den Leser nicht ab, sondern erwartet von ihm, dass er die ihm bisher unbekannte Welt des Arzak entdeckt. Auf seinem großen Vogel reitet er weiterhin und die Landschaft kann nicht nur dank des Killerkrautes tödlich sein. Ansonsten erfährt man jetzt jedoch, dass er ein Landvermesser ist und auf dem öden Wüstenplaneten (nein, nicht Dune – das wäre es auch noch), den er bisher immer überflog, für Recht und Ordnung sorgt. Zumindest, was man auf so einer wilden Welt an Recht und Ordnung überhaupt durchsetzen kann.

Währenddessen entwickelt sich aus einem Überfall im freien Weltall ein ganz anderes Problem, welches sich auch auf Arzaks Treiben auswirken könnte. Das ist allerdings der Teil, den man (vermutlich) nie in Erfahrung bringen und der ewig ungelöst bleiben wird. Denn Arzak ist das letzte Werk des am 10. März 2012 verstorbenen Künstlers Jean Giraud alias Moebius. Mit ihm hat die Comicwelt einen der wirklich Großen verloren, der nicht nur die Comics prägte wie kein anderer, sondern auch die Bilderwelten anderer Genres revolutionierte.

Vielleicht also die passende Schlussnote nicht nur für den einsamen Reiter, sondern auch für den Künstler selbst, dessen Werk und Schaffen damit unvollendet bleibt und auch Generationen neuer Leser wieder wird begeistern  und ihre Fantasie wird anregen können. Moebius wird weiterleben und sei es auch „nur“ in den Welten unserer Vorstellung. So ist das Schlusswort des Bandes vielleicht nicht melancholisch oder gar tragisch aufzufassen, wenn Moebius schreibt: „Ich muss euch leider verlassen, Band 2 ruft. Arzak will leben!“ Das wird er auch, wie alles, womit Jean Giraud unser Leben bereichert hat.


Fazit:
Die Erzählung ist vielleicht nicht auf der Höhe ihrer Zeit, aber Moebius ist in den Comic-Olymp auch nicht wegen ausgefeilter Geschichten, sondern wegen seiner Zeichenkunst gekommen. Und dieser frönt er auch hier wieder mit einem Variantenreichtum, dem man eigentlich nur mehreren Zeichner zutrauen würde. Moebius letztes Werk zeigt mal wieder, warum er einer der Granden des Genres und warum sein Dahinscheiden ein so immenser Verlust ist.


Arzak - Der Raumvermesser - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Arzak - Der Raumvermesser

Autor der Besprechung:
Alexander Smolan

Verlag:
Egmont Comic Collection

Preis:
€ 25,00

ISBN 13:
978-3-7704-3687-3

80 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • ein Großer beweist erneut sein Können
  • enorme Vielseitigkeit der Zeichnungen
  • ein Klassiker betritt wieder die Bühne
Negativ aufgefallen
  • Geschichte eher "altmodisch"
  • das letzte Werk des Künstlers - au revoir, Moebius!
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
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Rezension vom: 15.12.2012
Kategorie: One Shots
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