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Comic-Besprechung - Im Land der Frühaufsteher

Geschichten:
"Im Land der Frühaufsteher"
Autorin und Zeichnerin:
Paula Bulling

Das Leben von Asylbewerbern in Deutschland wird zwar hin und wieder mal thematisiert, die Betroffenen kommen dabei aber kaum zu Wort. Paula Bulling hat es sich in ihrer Graphic Novel zur Aufgabe gemacht, genau diesen Umstand zu ändern. Dazu hat sie sich das Bundesland Sachsen-Anhalt und dessen Asylbewerberpolitik vorgenommen. Am Beispiel des Wohnheims Möhlau beschreibt sie das Leben der Asylsuchenden und kommt dabei mit einigen Personen ins Gespräch.

Die Handlung beginnt zuvor aber in einem Afroshop, wo Bulling Kontakt mit den Gästen aufnimmt. Sie kommt schnell ins Gespräch, tauscht Infos über gemeinsame Bekannte aus und findet sich alsbald in einem Kreuzverhör wieder, wo ihre Beweggründe für den Besuch des Ladens im Vordergrund stehen. Nach dieser Szene wechselt die Autorin zum besagten Asylbewerberheim Möhlau, wo sie einen Bekannten besucht und ihm zu den Lebensumständen in dem Plattenbau interviewt. Anschließend begleitet der Leser Bulling noch auf eine Demo für Reisefreiheit von Asylbewerbern und zu einem tödlichen Zwischenfall in Möhlau.

Der Leser bekommt in dieser Graphic Novel folglich einen Überblick über die Lebensbedingungen in einem sachsen-anhaltinischen Wohnheim und lernt verschiedene Personen kennen, die direkt von der strikten Asylpolitik des Bundeslandes betroffen sind. Bulling springt dafür von Szene zu Szene, wobei dazwischen stellenweise Wochen liegen, und recherchiert in einer Umgebung, die politisch stark links geprägt ist. Dadurch wandelt sie auf den schmalen Grad zwischen neutraler Berichterstattung und der politischen Meinungsmache. Letzteres wird unter anderem durch den Besuch der oben genannten Demo verdeutlicht, wo Bulling zum Einen die Redebeiträge wiedergibt und zum Anderen in eine Diskussion zur Darstellung von Afrikanern in einem Comic verwickelt wird. Diese Szene ist für Personen, die sich mit dem Thema noch nicht beschäftigt haben, schon etwas verwirrend, denn Sätze wie "Du produzierst weiße Bilder von schwarzen Menschen" klingen vielleicht in einem Philosophiekurs gut, können in einem Comic aber als Totschlagargument für eine derartige Berichterstattung dienen.

Wirklich stark sind hingegen besonders die Momente, wo die Autorin direkt mit dem Asylsuchenden spricht und diese über ihr jetziges Leben nachdenken. Wohlgemerkt gibt es in dieser Graphic Novel keine Biografien der Menschen. Der Leser erfährt nur am Rande, wo sie herkommen. Es geht einzig um das Hier und Jetzt und damit direkt um die Politik des Landes mit dem Slogan "Wir stehen früher auf", worauf auch im Buchtitel Bezug genommen wird. Dieser fehlende Bezug zum bisherigen Leben der Menschen verhindert beim Leser leider eine Bindung zum Charakter des Erzählers. Man weiß quasi nichts über die Person, sondern nur etwas über sein derzeitiges Leben. Hier hätte die Autorin mehr Fingerspitzengefühl bei der Vorstellung der Charaktere zeigen können. In dem Buch werden nur eine Handvoll Menschen betrachtet, so dass im Grunde genommen ein Rückblick auf deren bisheriges Leben gut ins Konzept gepasst und den Rahmen sicherlich auch nicht gesprengt hätte.

Für den Leser ist "Im Land der Frühaufsteher" demzufolge eine Vor-Ort-Recherche zu den Lebensumständen von Asylsuchenden in Ostdeutschland. Leider packt Paula Bulling etwas zu viel Stoff in dieses Buch, wodurch die jeweiligen Einzelpersonen etwas untergehen und das Thema als großes Ganzes über allem schwebt. Gerade der Demobericht oder der Besuch im Afroshop zeigen zwar recht interessante Situationen, bringen die Handlung bzw. die Thematik aber keinen Schritt vorwärts. Dennoch ist das Buch auch ohne nennenswerte Höhepunkte durchgehend interessant und unterhaltsam und die erzählerischen Schwächen stören nicht, bei der Übermittlung der Eindrücke.

Graphisch sieht die Welt hingegen ganz anders aus. Die Zeichnungen von Bulling sind stark gewöhnungsbedürftig und mehr Mittel zum Zweck der Informationsübermittlung. Der Leser bekommt hier recht eigenwillige, teils verunstaltete Grafiken zu Gesicht, bei denen stellenweise sogar noch die Vorentwürfe durchdrucken. Dadurch sind ab und zu Sprechblasen zu erkennen, die durch andere ersetzt, aber nicht entfernt wurden. Die schwarz/weiße Farbgebung mit verschiedenen Grautönen ist ebenfalls recht unsauber und nur selten flächendeckend vorhanden. Der Leser wird folglich etwas verständnislos über dieses Werk sitzen, da es einen grafisch unfertigen Eindruck hinterlässt.

"Im Land der Frühaufsteher" behandelt folglich ein interessantes Thema in Form einer Vor-Ort-Recherche mit kleinen erzählerischen Schwächen, die aber nicht den positiven Gesamteindruck des Werkes trüben können. Leider kann die grafische Seite bei dieser Einschätzung nicht mithalten, denn die Zeichnungen sind recht lieblos und unsauber. Ein wenig mehr Gefühl für Details und Farbgebung wären hier hilfreich gewesen. Politisch interessierte Leser, die mehr wert auf Inhalt als Grafik legen, dürfen hier gerne zugreifen. 

Im Land der Frühaufsteher - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Im Land der Frühaufsteher

Autor der Besprechung:
Christian Recklies

Verlag:
Avant Verlag

Preis:
€ 17,95

ISBN 13:
978-3-939-08068-8

120 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • aktuelle politische Thematik
  • gute Rechercheansätze
Negativ aufgefallen
  • erzählerische Schwächen
  • sprunghafte Handlung
  • unfertige Zeichnungen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
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Rezension vom: 07.11.2012
Kategorie: One Shots
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