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Comic-Besprechung - Rosalie Blum
Geschichten:Rosalie Blum
Autor, Zeichner, Colorist: Camille Jourdy
Story:
Vincent ist unzufrieden. Der ruhige Mann, Inhaber eines Friseurgeschäftes, lebt im Hause seiner schrulligen Mutter und sein einziger regelmäßiger sozialer Kontakt ist sein Cousin. Seine Freundin ist nach Paris gezogen und aufgrund der Entfernung steht die Beziehung auf der Kippe. Eines Tages sieht Vincent eine Frau, die ihm irgendwie bekannt vorkommt. Ohne ersichtlichen Grund folgt er ihr und erfährt ihren Namen: Rosalie Blum. Fortan folgt Vincent ihr und beobachtet sie in ihrem Alltag. Doch was Vincent nicht weiß: auch er wird beobachtet.
Meinung:
Rosalie Blum ist ein schöner Band, der erste der zweite der jungen Zeichnerin und Autorin Camille Jourdy ist (neben diversen Illustrationsarbeiten). Ist Rosalie Blum in Frankreich ursprünglich in drei Bänden erschienen, so kommt die Erzählung in Deutschland komplett in einem Band heraus.
Und der kann sich wirklich sehen lassen. Es gerät zu seinem Vorteil, dass er sich recht langsam entwickelt. Somit nimmt er sich nämlich genügend Raum für seine Figuren und kann deswegen immer mehr Facetten von ihnen offenbaren. Das betrifft nicht nur die Hauptkonstellation von Vincent, Rosalie und Aude, sondern hervorragenderweise auch alle Nebenfiguren. Somit hat man den seltenen Glücksfall, dass wirklich jede Figur interessant ist und einem näher kommt. Jourdy versteht es, die einzelnen Handlungsfäden glaubhaft miteinander zu verknüpfen. Denn jede Handlung in dieser Graphic Novel entsteht aus den Charakteren selbst und nicht durch äußere Zwänge. Allein dieser Punkt sorgt für den hohen Grad an Realismus und man muss nicht irgendwelche Elemente wie deus ex machina bemühen. Im Laufe der Erzählung wachsen einem die Charaktere immer mehr an das Herz und so kann sich der Leser noch tiefer in die Handlung fallen lassen. Das die Figuren recht skurill sind, kann den Leser nicht von der Identifizierung abhalten, sondern erhöht das Lesevergnügen. Da wäre etwa die Mutter von Vincent, welche gehörte Nachrichten anhand von Puppenspielen in ihr Leben fantasiert und der "Mitbewohner", der gerne Zirkusstar wäre und diverse Requisiten und Tiere in die Wohngemeinschaft schleppt.
Nicht nur die skurrilen Charaktere sind dabei besonders reizvoll, sondern auch die tieferen erzählerischen Schichten. Jeder einzelne der hier vorgestellten Charaktere ist mit seinem Leben unzufrieden. Jeder hat zwar Träume wie sein Leben sein sollte, kann es aber nicht umsetzen, weil der letztendliche Impuls fehlt. Man versetzt sich in eine Traumwelt (wie die Mutter) oder beobachtet andere bei derem Leben, um sich anhand anderer einen Gegenentwurf geben zu lassen (Vincent, Aude), bzw. sich so aus seiner eigenen Lethargie befreien zu können (in gewissem Sinne der Mitbewohner). Die Gegenüberstellung der jeweiligen Lebensentwürfe ist sehr gelungen und interessanterweise konterkarieren sie sich stellenweise. Vincent will aus seiner gesicherten aber langweiligen Existenz heraus, während etwa Aude sich durchaus nach mehr Sicherheit und Stabilität sehnt. Wie so oft ist dann der Mittelweg die Lösung. Dazu gehört dann auch oft die Loslösung von Personen der Vergangenheit (was hier in der letzten Szene äußerst schön geschildert ist). Was mit der größte Pluspunkt des gesamten Bandes ist, besteht also in seiner generellen Glaubwürdigkeit.
Die Zeichnungen sind manchmal etwas naiv, aber gelungen, weil die Mimik überzeugend und dezent gestaltet wird und vor allem die surrealen Traumszenen nahtlos in die Handlung eindringen und so tiefgehende psychologische Aspekte ermöglichen, ohne allzu sehr auf Dialoge angewiesen zu sein. Bedauerlicherweise ergibt das Gestaltungsbild der Panel einen etwas uneinheitlichen Eindruck. Zunächst. Denn bei genauerer Betrachtung, ist die Panelgestaltung der Erzählung und der Gefühlslage der Figuren unterworfen. Splashpages setzen meist Akzente, geben hier aber meistens einen Ruhepunkt vor: die Charaktere halten inne und so sind die Splashpanels eher eine Meditation. Wenn Dynamik entsteht (etwa bei Tänzen) gibt es oft gar keine beschränkende Panel, sondern die Figuren schweben quasi frei auf dem Blatt umher. Manche sind dann wieder konventionell und diese ganze Mischung gibt ein souveränes Bild ab, wie man mit Panelanordnungen und -gestaltungen seine Geschichte gut unterstützen kann. Das alles im Verbund mit der glaubwürdigen Geschichte und die liebenswerten Figuren, die aber alle einen Knacks haben, macht den Band zu einem reinen Lesevergnügen.
Fazit:
Eine sehr schöne Graphic Novel mit einer glaubwürdigen Geschichte, skurillen Charakteren und einem hohen Grad an Realismus. Vor allem versteht es Camille Jourdy hervorragend, ihre Geschichte graphisch und formal zu unterstützen, so dass der Band ein reines Lesevergnügen ist und auf jeden Fall empfehlenswert ist.
Rosalie Blum
Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann
Verlag:
Reprodukt
Preis:
€ 29,00
ISBN 10:
3943143090
ISBN 13:
978-3-943143-09-6
364 Seiten
Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser
- skurille Charaktere
- Vergleich Lebensentwürfe
- Glaubwürdigkeit und Realismus
- graphische und formale Gestaltung
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic | ||
Bewertung: | ||
(1 Stimme) | ||
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Rezension vom: | 28.09.2012 | ||||||
Kategorie: | One Shots | ||||||
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