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Comic-Besprechung - Der Rattenfänger von Hameln
Geschichten:Originaltitel: Hamelin
Aus dem Französischen von Rossi Schreiber
Szenario und Zeichnungen: André Houot
Kolorierung: Jocelyne Charrance
"Man betrügt den Künstler nicht ungestraft" ist auf dem Backcover abgedruckt und kaum ein anderer Satz kann die Ursache für das Unglück von Hameln besser zusammenfassen. Die Sage zählt zu den bekanntesten deutschen Erzählungen und fand, dank der Grimmschen Märchen, eine weltweite Verbreitung.
Nun hat sich der Franzose André Houot der Geschichte angenommen. Auf 48 Seiten präsentiert er dem Leser die Story über die Rattenplage in Hameln mit dem bekannten traurigem Ende. Doch der Autor verpasst dem vorgegebenen Handlungsrahmen eine eigene Note, indem er eine Liebesgeschichte dazu entwickelt, die anfangs nur wenig mit der Sage gemein hat, aber im weiteren Verlauf enge Schnittstellen mit der Entführung der Hamelner Kinder aufweist. Durch diese Parallelstory kann Houot auf interessante Art und Weise die Motivation des Rattenfängers, der Stadt die Kinder zu stehlen, erklären.
Der Leser bekommt eine Bevölkerung zu Gesicht, bei der Missgunst und Neid an oberster Stelle stehen. Vermischt werden diese Charakteristika mit den Wirren der Hexenverbrennungen und dementsprechender Angst vor Teufel und Dämonen. So ergibt sich ein schauriger Cocktail, bei dem die Rattenplage wirklich nur ein kleines Übel ist. Das Mitgefühl seitens des Lesers für die Bevölkerung in Hameln, die um ihre Kinder trauert, hält sich dann dementsprechend in Grenzen. Viel mehr unter die Haut geht das Schicksal der hübschen Eva, welche von den örtlichen Frauen aufgrund ihrer Schönheit gemobbt wird. Als ihr sogar nachgesagt wird, dass sie mit ihren Augen die Männer verhext, gibt es für sie nur noch einen Ausweg: Die Flucht. Doch genau hier kommt der Rattenfänger erneut ins Spiel. André Houot verpasst dem großen Storyfinale dadurch noch zusätzlichen emotionalen Zündstoff, was die Sache unheimlich spannend gestaltet. Folglich ist die Neuerzählung der Sage durchweg kurzweilig und lesenswert, denn mit Hilfe der breitgefächerten Handlung, die sich stellenweise weit von der eigentlichen Sage entfernt, hat der Autor die Geschichte um einige interessante Punkte ergänzt und dadurch etwas Eigenständiges geschaffen, ohne dem Freund der Grimmschen Märchen vor den Kopf zu stoßen.
Doch das eigentliche Highlight dieser Ausgabe sind die Zeichnungen. Wie das Cover es schon erahnen lässt, strotzen die Grafiken nur so vor Detailreichtum. Die zahlreichen großformatigen Abbildungen glänzen mit einer äußerst beeindruckenden Darstellung der mittelalterlichen Stadt Hameln. Die Architektur wird so intensiv in Augenschein genommen, dass es eine wahre Freude ist, durch den Band zu blättern. Da gibt es düster dreinblickende Wasserspeicher, verschnörkelte Säulen und jede Menge hoch aufragende Fachwerkhäuser. Den Gegensatz dazu übernimmt die Bevölkerung, welche von André Houot oftmals verunstaltet wird und allerlei hässliche Grimassen zieht. Dies verstärkt natürlich den Eindruck, der sich im Verlauf der Story von den Menschen ergibt. Viele wirken von Beginn an unsympathisch, hinterhältig und abstoßend. Dies deckt sich folglich mit den Geschehnissen in der laufenden Handlung.
Etwas enttäuschend ist aber die Darstellung der Rattenaustreibung. Auf lediglich zwei Seiten ist dieses Schauspiel begrenzt, welche zwar schön anzusehen sind, aber die ganze Aktion doch recht kurz gestalten. Natürlich kann man dieses Spektakel nicht ewig strecken, aber etwas mehr hätte es aufgrund der Wichtigkeit für die Story doch sein können.
Dies trübt aber keineswegs den positiven Eindruck, den das Album beim Leser hinterlässt.
Der Comic wurde grafisch äußerst sehenswert gestaltet und überzeugt mit einer interessanten Sage und einer spannenden Nebenhandlung, die stellenweise sogar die Hauptrolle übernimmt. Folglich passt bei dieser Veröffentlichung alles zusammen und der Leser bekommt von der ECC ein Gesamtpaket geboten, welches Fans der grafischen Literatur begeistern dürfte.
Der Rattenfänger von Hameln
Autor der Besprechung:
Christian Recklies
Verlag:
Egmont Comic Collection
Preis:
€ 13,99
ISBN 10:
3770435737
ISBN 13:
978-3770435739
56 Seiten
Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser
- detailreiche Zeichnungen, die zum Staunen einladen
- gelungene Umsetzung des historischen Sagenstoffs
- starker Fokus auf mittelalterliche Architektur
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic | ||
Bewertung: | ||
(3 Stimmen) | ||
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Rezension vom: | 11.07.2012 | |||||||||||
Kategorie: | One Shots | |||||||||||
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Leseprobe | ||||||||||||
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