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Comic-Besprechung - SZ-Bibliothek Graphic Novels 10: Ein neues Land

Geschichten:
The Arrival
Autor/Zeichner:
Shaun Tan



Story:
Man verlässt die Heimat aus der Not heraus und versucht einen Neubeginn in einem fremden Land. Man kennt weder dessen Regeln, noch dessen Sprache oder dessen Mentalität. trotzdem nimmt man das Wagnis über große Strecken auf sich und landet schließlich an einem Ort, wo man selbst die grundlegendsten Dinge wieder neu erlernen muss. Vielleicht findet man Arbeit, vielleicht Freunde und sogar Glück. Man bleibt aber ein Fremder in der Fremde, auch wenn das neue Land schon fst zu so etwas wie einer Heimat geworden ist.


Dieser Comic wurde mit dem Splash-Hit ausgezeichnet Meinung:
Soll man zu einem Comic ohne Worte noch viele Worte verlieren? Angesichts von Shaun Tans Ein neues Land stellt sich diese Frage durchaus. Es ist selten geworden, dass ein Künstler rein mit Bildern versucht eine anspruchsvolle Geschichte zu erzählen. Viele können der Versuchung nicht widerstehen und lassen zumindest bildhafte Sprechblasen sprießen. Auf Shaum Tans Graphic Novel sollte man sich ernsthaft einlassen. Trotz des fantastischen Hintergrundes vor dem die Geschichte spielt und der komischen Momente, geht es um ein ernstes Thema, welches auf unnachahmliche Weise zum Leser transportiert wird.

Ein neues Land lässt den Leser tatsächlich, wirklich tatsächlich, das Gefühl der Entfremdung und des Verlorenseins seines Protagonisten nachempfinden. Man erfährt nie, wer der Mann eigentlich ist, dessen Weg man begleitet. Es ist jedenfalls kein angenehmer Ort von dem er startet und auch sein Ziel wirkt äußerst fremdartig. Seine Geschichte steht für die vielen wirklicher Auswanderer, die die Not in andere Länder trieb mit der Hoffnung auf Arbeit und die Möglichkeit die eigene Familie aus dem Elend zu holen. Vom Tellerwäscher zum Millionär – dieses Versprechen steht sinnbildlich für so viele weitere aus den wohlhabenderen Nationen und selbst wenn es in neuester Zeit zunehmend ausgehöhlt wird und seinen Glanz verliert, lockte und lockt es dennoch unzählige.

Man wird nicht immer mit offenen Armen empfangen. Die neue Heimat macht schnell klar, sie will vor allem gesunde Arbeitskräfte, weshalb man schnell zu einem Objekt wird, das geprüft, gewogen und katalogisiert wird. Was man sich in den Industriegesellschaften mit ihrer Betonung des Individuums selbst nie gefallen lassen würde, man erwartet, dass es die Hinzukommenden über sich ergehen lassen müssen. Aber darauf kommt es auch nicht an, die Neuankömmlinge sollen möglichst funktionieren, ansonsten erstmal unter sich bleiben. Shaun Tan hat sich viel mit dem Schicksal von Einwanderern beschäftigt und ihren Erfahrungen in der Fremde. Die negativen Seiten dieser Eindrücke führt er zwar auf, aber sein Anliegen scheint ein anderes. Seine Darstellung gerät nicht zum rein negativen Vexierspiel, sondern beschäftigt sich hauptsächlich mit der Situation sich in einem fremden Land, ohne Kenntnisse der Kultur, der Gepflogenheiten, ja gar der Sprache zurecht zu finden und sogar etwas aufzubauen, was man ein erfülltes Leben nennen könnte. Es sind keine schönen Orten, von denen die Einwanderer aus Eine neue Welt stammen, manche gleichen gar menschenverschlingenden Alptraumvisionen. Trotz aller Fremdheit der neuen Umgebung umgibt diese eine zwar befremdlicher, aber dennoch magischer Zauber, als befände man sich in einem Märchenland.

Ein Fremder in der Fremde. Als Sohn chinesischer Eltern und in Australien geboren, kennt Shaun Tan das in seiner Graphic Novel beschriebene Gefühl zumindest schwach. Er selbst hat es auch immer wieder in seinen Arbeiten thematisiert, schließlich war es Teil seiner Familiengeschichte. Die eigentliche Schwierigkeit war es dann vermutlich nicht, die Geschichte zu entwickeln, sondern die stummen Bilder dazu. Davon kann man nahezu ausgehen, wenn man sich ein wenig in den Schaffensprozess von Ein neues Land vertieft. Shaun Tan beschreibt sehr schön, dass selbst die selbstverständlichsten Gesten oder Handlungen nicht so einfach ohne Worte zu transportieren sind. Der Macher gibt selbst zu am Ende eher unbewusst auf eine Graphic Novel hingearbeitet zu haben. Anders wäre ihm sein Anliegen zu verarbeiten nicht ohne weitere Schwierigkeiten möglich gewesen.

Dem letztlichen Endprodukt merkt man diese gedankliche Vorarbeit und Mühe mit jeder Seite, ach was, mit jedem Panel an. Shaun Tan erschafft wunderschöne Sepia-Bilder, die selbst die kleinsten Alltagsgegenstände zu einem kleinen Kunstwerk machen. Wirklich herausragend werden sie aber dann mit jedem weiteren eingeführten fantastischen Element. Als würde man die Barriere in eine wundersame Welt durchstoßen, nimmt einen dieser Kosmos gefangen und führt einem vor Augen, was es heißt sich in der Fremde zu bewegen. Zusammen mit dem Protagonisten entdeckt man gemeinsam das fremdartige und neue Land. Merkwürdige Geräte unbekannter Anwendung erwarten einen ebenso, wie fantasievolle Geschöpfe. Man schwelgt geradezu in den Zeichnungen und kann sich an den großen Totalen, die auch mal über zwei Seiten gehen, gar nicht satt sehen. Selbst ohne das ambitionierte Anliegen Shaun Tans, allein die Bilder wären einen Kauf dieser einzigartigen Graphic Novel wert.

Eine wichtige Graphic Novel. Gerade auch für Deutschland, dessen Integrationspolitik gänzlich gescheitert ist und inzwischen selbst ein Land ist, aus dem ausgewandert wird. Über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg kann sie den Menschen vermitteln, was es heißt sein eigenes Land verlassen zu müssen, um in der Fremde sein Glück zu suchen. Derartige Versuche gab es immer wieder, zuletzt beispielsweise das Heft Krieg – Stell dir vor er wäre hier von der Autorin Janne Teller, aber tatsächlich das Gefühl zu vermitteln, gelang keinem so großartig, wie Ein neues Land.

Manche Leser der ersten Graphic Novels-Reihe der Süddeutsche Zeitung Bibliothek waren nicht zufrieden mit der Aufmachung der Reihe und dem rote-Ziegel-Look im heimischen Bücherschrank. Sie werden sich vermutlich auch nicht mit dem neuen Blauton anfreunden können, selbst wenn es schon eine deutliche Verbesserung ist. Davon abgesehen bekommt man wieder eine solide Hardcover-Ausgabe, die zwar den Vergleich mit der Erstveröffentlichung von Ein neues Land bei Carlsen (mit dem schönen „ledernen Bucheinband“) etwas scheuen muss, ansonsten aber eine runde Sache ist. Eher schlucken kann man bei dem Preis von 19,90 € für 128 Seiten, doch immer noch 10 € günstiger als die Carlsen-Ausgabe.


Fazit:
Eine Graphic Novel ohne Worte, die allein schon wegen ihrer schönen Bilder sprachlos macht. Shaun Tan gelingt es das Gefühl des Verlorenseins in der Fremde nahezu unverfälscht auf den Leser zu übertragen. Die Geschichte des Einwanderers aus der SZ-Bibliothek Graphic Novels 10: Ein neues Land liest man nicht nur, man erlebt sie tatsächlich mit. Ein großer Künstler hat hier Einzigartiges geschaffen.



SZ-Bibliothek Graphic Novels 10: Ein neues Land - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

SZ-Bibliothek Graphic Novels 10: Ein neues Land

Autor der Besprechung:
Alexander Smolan

Verlag:
Süddeutsche Zeitung GmbH

Preis:
€ 19,90

ISBN 13:
978-3-86497-009-2

128 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • Gefühl der Entfremdung wird greifbar gemacht
  • einzigartige Zeichnungen
  • ein echtes Highlicht der SZ-Bibliothek Graphic Novels
  • beredt auch ohne Worte
Negativ aufgefallen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
1
(1 Stimme)
Bewertung
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Rezension vom: 24.04.2012
Kategorie: SZ Bibliothek Graphic Novels
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