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Comic-Besprechung - Im Visier
Geschichten:Im Visier
Autor: Jean-Patrick ManchetteZeichner: Jacques Tardi
Story:
Martin Terrier ist ein Profikiller, der seinen Job mit kalter Präzision ausführt. Doch er hatte sich schon zu Beginn entschieden, dieser Profession nur zehn Jahre lang nachzugehen, um dann aufzuhören und die Frau seiner Träume zu ehelichen. Diese Pläne stossen aber nicht nur bei seinen Auftraggebern auf wenig Gegenliebe, sondern auch die Frau will davon nichts mehr wissen. Zu allem Überfluss wird er noch von Angehörigen eines seiner Opfer gejagt. Nachdem noch andere Widrigkeiten vorkommen, sieht er sich gezwungen, einen letzten Auftrag zu übernehmen. Aber bei dem ist nichts so wie es scheint.
Meinung:
Jacques Tardi ist unbezweifelbar einer der ganz großen des europäischen Comics. Aber wie es manchmal bei großen Namen so ist: entweder man liebt ihn oder man kann nichts mit ihm anfangen. Zu sehr verweigert er sich manchmal den erzählerischen Konventionen. Und ist es gerade das, was manche Leser die Abenteuer von Adele verehren lassen, so ist es auch das, was manche abschreckt. Die Abkehr von erzählerischen Konventionen kann man seinen Literaturadaptionen nun wahrlich nicht unterstellen. Andererseits sind sie graphisch lange nicht so exzentrisch oder einfallsreich wie die Eigenkreationen. Im Visier ist da ein typisches Beispiel für. Tardi hat seinen unverwechselbaren Stil, den er hier natürlich anwendet. Aber besonders auffällige graphische Ideen oder Experimente sind nicht zu finden. Man kann die Zeichnungen bestenfalls als business as usual bezeichnen.
Letztere Beschreibung lässt sich auch erst bei der Story an. Ein Killer der aussteigen will und darum kämpfen muss. Diese Prämisse ist nun wahrlich nicht mehr originell, da fast jeder Actionfilm dessen Hauptfigur ein Killer ist, darauf aufbaut. Dennoch sind hier so einige Neuerungen zu finden, die das ganze spannend und originell machen. Zum einen ist der Anti-Held vom Romanautor Jean-Patrick Manchette nicht gerade klug. Um nicht zu sagen: er ist ziemlich dumm und kann eigentlich nichts anderes als Befehle zu befolgen. Er trägt zudem noch einen ganzen Haufen psychischer Probleme mit sich herum. Diese sind, im Umkehr vom Klischee, nicht Folgen seines Jobs, sondern vielmehr die Gründe, warum er den überhaupt erst begonnen hat. Getrieben von Ängsten so wie sein Vater zu werden, von Minderwertigkeitskomplexen, von Jähzorn und von mangelnder Intelligenz, stellt er fest, dass er nur eines gut kann: töten. Und nach Ableistung des Militärdienstes und als Tätigkeit eines Söldners macht er sich eben selbstständig. Er stolpert durch die Handlung und gerät immer tiefer in die Intrigen und Fallstricke, die er nicht übersehen kann. Und so betrachtet der Leser seinen Fall. Und wenn man nun anhand der Konventionen erwartet und meint zu wissen wie das Ende aussehen wird, so wird man überrascht und verwirrt werden. Das Finale ist düster und zynisch, aber auch unerwartet. Und vielleicht ist doch alles anders als gedacht.
So ist Im Visier zwar sehr geradlinig erzält und eine reine Unterhaltung, kann aber doch einige Konventionen des Genres aufheben und mit ihnen spielen. Nicht nur die Einsichten in die Psyche geben dem ganzen seinen Reiz, sondern auch die politischen Dimensionen. Diese kommen zwar nur gegen Ende vor, verstärken aber die Blauäugigkeit des Killers und seine Dummheit. Wenn er meinte, sein Schicksal selbst zu bestimmen und durch sein Tun sogar etwas wie eine übergeordnete Macht zu sein, so ist er doch nichts als eine Marionette.
Trotz aller dieser guten Ideen ist die Story durch einige Elemente etwas sperrig. Zum einen enthält der Band keinerlei Sympathieträger. Martin Terrier ist nicht nett und man fiebert nicht mit ihm mit. Auch seine Geliebte kann kein Entgegenkommen von Seiten des Lesers erwarten. Zum anderen verfällt Tardi in seinen Adaptionen immer wieder darauf, durch bisweilen ausufernde Off-Kommentare die literarische Herkunft des Stoffes zu betonen. Leider sind diese Kommentare häufig überflüssig. In Im Visier wird viel zu oft geschildert, was er gerade tut und welche Strasse er hinunterfährt. Ersteres ist eh zu sehen und das zweite für Nicht-Pariser uninteressant. Das Flair der Strassen sieht man eh in den Bildern. Auch Katzenfreunde werden übrigens ein um das andere Mal hier ihre Probleme bekommen.
Dennoch bietet all die Action, von der es hier reichlich gibt, kurzweilige Unterhaltung. Tardi bleibt allerdings hinter seinen Möglichkeiten zurück. Immerhin werden Genrekonventionen aufgebrochen und das Ziel und die Motivation des Killers werden nicht nur aufgezeigt, sondern auch als Illusion entlarvt.
Fazit:
In dieser geradlinig erzählten Literaturadaption bleibt Meister Jacques Tardi etwas hinter seinen Möglichkeiten zurück. Graphisch geht er keine Experimente ein, aber die Story kann in der zweiten Hälfte gut mit den Genrekonventionen brechen. Somit ist hier eine gute und kurzweilige Unterhaltung geboten, die mit einem überraschenden Ende aufwartet.
Im Visier
Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann
Verlag:
Edition Moderne
Preis:
€ 24,00
ISBN 10:
978-3037310854
ISBN 13:
978-3037310854
106 Seiten
Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser
- Bruch mit Genrekonventionen
- Einblick in die Psyche des Killers
- oft überflüssiger Off-Kommentar
- Tardi hat zeichnerisch mehr Möglichkeiten
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic | ||
Bewertung: | ||
Keine Bewertung vorhanden | ||
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Rezension vom: | 21.11.2011 | ||||||
Kategorie: | One Shots | ||||||
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