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Comic-Besprechung - Lebensbilder

Geschichten:
  • Sonnenuntergang in Sunshine City
  • Der Träumer
  • Zum Herzen des Sturms
  • So läuft das Spiel
  • Der Tag an dem ich Profi wurde

Autor / Zeichner: Will Eisner



Story:
Lebensbilder vereint fünf autobiographische Geschichten. In Sonnenuntergang in Sunshine City zieht ein alter, jüngst verwitweter Mann aus dem winterlichen New York in das sonnige Florida. Noch geprägt von den ganzen Erinnerungen, fällt es ihm schwer, sich in der neuen Umgebung zurecht zu finden. Nachdem er eine Nachbarin näher kennengelernt hat, wird das alles noch komplizierter. Der Träumer schildert die beruflichen Anfänge eines engagierten Comiczeichners in dem noch neuen Medium. Um sich wirtschaftlich auf eigene Beine zu stellen, gründet er schließlich sein eigenes Studio. Zum Herzen des Sturms reist der junge Willie. Er wurde als Soldat engezogen und ist nun auf dem Weg in das kriegsgebeutelte Europa. Während er auf der Reise ist, erinnert er sich an sein bisheriges Leben und an das seines Vaters. Antisemitismus trotzend, berherrschen die Mühen der Assimilation alle Anstrengungen. So läuft das Spiel schildert die Geschichte der jüdischen Familie Arnheim von der Einwanderung in die USA bis etwa in die 1970er Jahre und umfasst mehrere Generationen und ihren stetigen Kampf um gesellschaftliche Anerkennung und Behauptung. Der Tag, an dem ich Profi wurde schildert das Bestreben eines jungen Comiczeichners eine selbst erstellte Geschichte zu verkaufen.

Dieser Comic wurde mit dem Splash-Hit ausgezeichnet Meinung:

Will Eisner dem Comicinteressierten vorzustellen wäre, als ob man Bausand in die Wüste trägt. Eisner ist nicht nur einer der Pioniere der Comics, sondern spielte mit seiner Serie The Spirit fast von Beginn an schon mit den Formen und den Inhalten , nutzte damals neue wirtschaftliche Herangehensweisen, die bis heute gültig sind, und sprengte schließlich die gängigen Formen sowohl inhaltlicher und graphischer Art, mit einem Konzept, das er selber schon "Graphic Novel" nannte. Damit gilt er als Vater der modernen Graphic Novel. Eisners Definition von einer Graphic Novel als vornehmlich autobiographische Erzählung ist zwar etwas zu eng gefasst und schränkt den inhaltlichen Rahmen unnötig ein.

Vor allem da Eisner selber sich nicht an die Definition hielt, wie man sehr gut an dem vorliegenden Band sehen kann. Nur eine der Geschichten, Zum Herzen des Sturms, ist streng autobiographisch, die anderen sind eher den Schlüsselromanen zuzurechnen. Ein autobiographischer Einfluss ist zwar offensichtlich, aber hinter den portraitierten Figuren stecken andere. Der melancholische Sonnenuntergang in Sunshine City handelt von Eisner selbst, insoweit er bei seiner "Verrentung" (obwohl er nie aufgehört hat, weiter Geschichten zu zeichnen) nach Florida zog und sich komplett neu orientieren musste. In der Geschichte ist nur der Erinnerungsspaziergang deutlich autobiographisch erzählt und der Rest ist fiktiv. Der Rest behandelt auf sensible, tragikomische Art und Weise das bisherige Ende eines (Arbeits-)Lebens, welches immer auch ein Generationenwechsel ist. Nur stellt sich das am Ende mit einem Clou als Irrtum heraus. Eine sensible, spannende und berührende Geschichte.

Der Träumer ist ein graphischer Schlüsselroman über die Anfangszeiten des Comics und dürfte vor allem Leser reizen, die sich für diesen speziellen Aspekt interessieren. Die auftretenden Personen sind stellenweise nicht leicht erkennbar aber besonders das Studio ist eindeutig das von Eisner und seinem damaligen Partner. Es ist interessant zu lesen, aber es reisst nicht mit. Die Verflechtungen mit Gangstern werden angedeutet, hätte aber die Geschichte spannender gemacht, wenn es mehr ausgeführt worden wäre. Für Comichistoriker. Zum Herzen des Sturms ist ein absolutes Meisterwerk und schildert nicht nur Eisners Leben und Beginn als Künstler, sondern auch das der vorhergehenden Generation (vornehmlich auch das Leben seines Vaters). Ein zentraler Bestandteil ist der ständige Antisemitismus, dem die portraitierten ausgesetzt sind und wie sich das jüdische Leben in der neuen Heimat gestaltet. Das ist auch bestimmend für die nächste große Geschichte So läuft das Spiel, in der die Geschichte einer jüdischen Industriellenfamilie im Zentrum steht mit ihren Bestrebungen der sozialen Anerkennung und den "guten Namen" zu behalten. Für die Geschichte stand die Familie von Eisners Frau Pate. Manchmal liest sich das wie eine große Familiensaga ohne auf die Tränendrüse zu drücken. Das hat Eisner nicht nötig, sondern er lässt die Taten an sich sprechen. Und die lassen keinen der Leser kalt. Man wird wütend, traurig und man lacht mit ihnen. Eine geschickt gebaute Geschichte, die sich die historischen Wiederholungen auf die Fahnen schreibt und deutlich macht, das sich im Grunde nichts ändert. Durch den (latenten) Antisemitismus, fühlen sich die Figuren in allen Geschichten genötigt, immer mehr zu leisten und sich von den anderen Leuten, auch Juden, abzuheben. Zum Erfolg verdammt, um gesellschaftlich anerkannt zu werden, bestätigen sie ironischerweise nur antisemitische Vorurteile und verlieren sich in einem Teufelskreis. Das kurze Der Tag, an dem ich Profi wurde ist ein Vierseiter, dessen Titel sehr ironisch ist, aber in dieser verdichteten Form schon alle Bestrebung, alles Leid, alle Hoffnung und Träume in sich vereint. Das auf vier Seiten zu schildern zeigt das Genie von Eisner.

Autobiographien sind nicht immer lohnenswert, sondern vermögen den Leser nur zu fesseln, wenn der oder die Betreffende viel erlebt hat. Was soll etwa jemand schreiben und den Leser damit ergötzen, der sein ganzes Leben nur an einem Schreibtisch respektive Zeichentisch verbracht hat? Man kann das Werk mit den biographischen Grunddaten abgleichen und so versuchen das Werk zu interpretieren. Wie etwa bei dem französischen Dichter Charles Baudelaire (Die Blumen des Bösen), der fast sein ganzes kurzes Leben krank im Bett verbracht hatte. Baudelaire hatte natürlich nicht viel erlebt. Will Eisner macht es allerdings meisterhaft, indem er seine Biographie in den größeren Kontext stellt. Nicht nur berücksichtigt er die Zeit und die damit verbundenen gesellschaftlichen Umstände, sondern er nimmt auch Familienmitglieder in die Geschichten hinein und zeigt so die Entwicklung auf. Zudem bringen ihm die Themen Antisemitismus, Immigration, Assimilierung und Vorurteile ein schier unerschöpfliches Reservoir. Von den (auto-)biographischen Beschränkungen des Lebensweges löst er sich auch, indem er Schlüsselromane gestaltet und sich so künstlerische Freiheiten verschafft. Und ihm sicher auch Ärger mit der Verwandschaft erspart hatte.

Sein unnachahmlicher und markanter Stil wird kongenial mit hochspannenden Geschichten voller Dramatik, Intelligenz und Witz verbunden. Der Witz wird vor allem durch die graphische Gestaltung, etwa durch die übertriebene Mimik, hergestellt. Sich zum größten Teil der Panels verweigernd, macht Eisner deutlich, wie sehr Vergangenheit und Gegenwart ineinander fliessen. Beides ist schließlich nicht ohne das andere denkbar.

Zum Herzen des Sturms war allerdings schon in der Comicedition der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen, so dass Fans die Geschichte doppelt haben könnten. Aber hier hat man wenigstens im Gegensatz zur FAZ-Edition ein den Zeichnungen angemessenes Format. Abgerundet wird der liebevoll gestaltete Band mit Skizzen und Kommentaren.



Fazit:

Ein Meisterwerk von einem Genie des Mediums. Lebensbilder vereint die autobiographischen Graphic Novels von Will Eisner, ohne das sich inhaltlich etwas wiederholt. Eisner gestaltet vielmehr Schlüsselromane voller Dramatik, Spannung, Emotionen und Intelligenz. Das sollte man auf keinen Fall verpassen.



Lebensbilder - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Lebensbilder

Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann

Verlag:
Carlsen

Preis:
€ 36,00

ISBN 10:
3551734380

ISBN 13:
978-3-551-73438-9

480 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • Stil
  • keine autobiographische Beschränkung
  • vielfältige Themen
  • Spannung, Dramatik, Intelligenz und Witz
Negativ aufgefallen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
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Rezension vom: 07.09.2011
Kategorie: Will Eisner
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