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Comic-Besprechung - Gaza

Geschichten:

Gaza

Autor / Zeichner: Joe Sacco



Story:

Der Journalist Joe Sacco, der seine ersten Erlebnisse im Nahen Osten schon in dem Band Palästina verarbeitet hat, erfährt von zwei Massakern, die israelische Soldaten in den 1950er Jahren an palästinensischen Zivilisten verübt haben sollen. Sacco reist nach Gaza und macht sich mit Freunden daran herauszufinden was damals passiert ist. Während er auf der Suche nach Zeitzeugen ist, gerät er auch in die aktuellen Ereignisse wie die Zerstörung palästinensischer Häuser durch die israelische Armee. Zudem nimmt der bevorstehende Krieg der USA gegen Saddams Husseins Irak immer konkretere Züge an.



Dieser Comic wurde mit dem Splash-Hit ausgezeichnet Meinung:

Der gebürtige Malteser Joe Sacco ist ein Pionier. Denn er schildert seine journalistischen Arbeiten nicht in einem Buch oder in Zeitschriftenreportagen (wobei er auch das macht, aber zeichnerisch), sondern in Form von Graphic Novels. Sein Debüt Palästina und der Band Bosnien liegen bereits auf Deutsch vor. Andere Bücher über den Bosnienkrieg harren noch der Übersetzung. Das neueste Werk Gaza führt Sacco wieder nach Palästina. Saccos erster Band Palästina war schon sehr beeindruckend und gehört zu den modernen Klassikern des Mediums, da hier Journalismus und Comic verbunden wird. Allerdings war der Band schon durch eine recht einseitige Berichterstattung geprägt und man vermisste etwas eine ausgewogene Schilderung und so lief Sacco etwas in Gefahr zum Sprachrohr der Palästinenser zu werden und der Propaganda zu verfallen.


In Gaza wird wieder hauptsächlich aus der Sicht der Palästinenser berichtet. Was insofern folgerichtig ist, da diese die Opfer der beiden Massaker waren und generell nicht unbedingt aus deren Sicht berichtet wird. Trotz einiger kleiner Ausrutscher, etwa wenn die Hamas, eine terroristische Organisation deren erklärtes Ziel es ist, Israel zu vernichten, "nur" als Widerstandspartei bezeichnet wird, so vergisst Sacco diesmal nicht, auch israelische Perspektiven einzuflechten. Denn es werden nicht nur die Geschehnisse an sich geschildert, sondern auch wie es dazu kam. Alle Hintergründe und geschichtliche Ereignisse werden in dem Band eingeflochten. So kommt, im Gegensatz zu Palästina, jedenfalls teilweise auch die israelische Sicht vor. Meistens zwar nur anhand der Dokumente und Interviews im Anhang, aber immerhin. Die Geschehnisse stehen aber nicht für sich allein, sondern durch die Verknüpfung der Vergangenheit mit der Gegenwart, denn während die Vergangenheit erforscht wird, geschieht Geschichte, wird der Band sehr interessant und aufwühlend. Besonders in dieser Region hat die Vergangenheit einen äußerst starken Einfluß auf die Gegenwart und so ist die
Vermischung der Zeiten sehr folgerichtig.

Zeichnerisch wird immer deutlicher der Undergroundeinfluß spürbar. Besonders Robert Crumb scheint es Joe Sacco angetan zu haben. Manche Panels erinnern sehr an Crumb, insbesondere an den verfremdenden Perspektiven, welche menschliche Körper verzerrt erscheinen lassen. Aber Sacco hat so viele eigenständige visuelle Ideen, das die Betrachtung mehr als Freude macht. Beosnders bei den Massenszenen führt er den Leser wieder direkt in das Geschehen, lässt ihn quasi inmitten der Opfer verweilen und schafft so eine dichte Atmosphäre und das Gefühl dabei zu sein.


Dabei lässt sich Sacco niemals auf das Reißerische ein, sondern thematisiert auch noch das komplexe Thema der Erinnerungen an sich und wie sehr die Erinnerungen durch Propaganda, andere Erfahrungen und andere Geschichte verwebt und verfälscht werden. Diesmal ist er sich der Gefahr bewußt, auf Propaganda hereinzufallen und selektiert Zeugen und deren Aussagen. Und schafft dadurch wieder eine andere Form von Erinnerung. Diese vielfältigen Aspekte haben durchaus eine philosophische Qualität, wobei es in dem Band weniger um die Reflektion geht, sondern um die Recherche. Und mit allen Widersprüchen, die durch die Interviews entstehen. Gerade diese laden zu Überlegungen zur Zuverlässigkeit menschlicher Erinnerungen und Zeugenaussagen ein. Das alte Erfahrungen durch immer wieder neue überdeckt werden können oder sich miteinander vermischen, wird durch die aktuellen Geschehnisse, welche Sacco mit einbaut, deutlich. So spielt der Irakkrieg eine Rolle und es ist schon sehr interessant, wie die Palästinenser darauf reagierten. Die Diskrepanz zwischen Erinnerung und offizieller Dokumente ist dabei erstaunlich. Dieser Aspekt wird etwas vernachlässigt, da die offiziellen Dokumente im Anhang "versteckt" sind. Aber auch beim Chronisten, der sich in einer Szene gar selber  als größeren "Experten" als die Opfer die dabei waren empfindet, baut sich diese Diskrepanz auf. Aber es gehört zu den Stärken des Bandes, dass sich Sacco dessen bewußt ist.



Fazit:
Gaza ist sehr viel ausgewogener, gründlicher und kritischer als Palästina. Durch die Vermischung vielfältigster Zeiten und Themen schildert der Band mit vielen guten graphischen Ideen nicht nur vergangene skandalöse Ereignisse, sondern reflektiert auch über die menschliche Erinnerung allgemein. Und was diese für geschichtliche Ereignisse und für die Gegenwart für Folgen hat.

Gaza - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Gaza

Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann

Verlag:
Edition Moderne

Preis:
€ 34,00

ISBN 10:
978-3037310809

ISBN 13:
978-3037310809

416 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • Reflektionen über Erinnerungen
  • zeichnerisch wird der Leser direkt in das Geschehen versetzt
  • verschiedene geschichtliche Ebenen
  • nah am Leben
Negativ aufgefallen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
1
(1 Stimme)
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Rezension vom: 26.08.2011
Kategorie: One Shots
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