Optionen und weiterführende Links



In der Datenbank befinden sich derzeit 18.265 Rezensionen. Alle Rezensionen anzeigen...

Comic-Besprechung - Deutschland. Ein Bilderbuch

Geschichten:

Deutschland. Ein Bilderbuch (Originalausgabe)

Autor: Isabel Kreitz, Frank Giese (Chronik-Texte)
Zeichner: Isabel Kreitz
Kolorist: Isabel Kreitz 



Story:

Alltag in der Bundesrepublik Deutschland. Die Geschichte vom Nachkriegsdeutschland, von 1949 mit der Episode von Thomas Manns Deutschlandvisite nach 16 Jahren Exil, bis ins Jahr 2008, als der Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers eine weltweite Finanzkrise auslöst (und allerlei Konjunkturprogramme), in kurzen Streiflichtern auf Episoden, die das Leben schrieb.

Dazwischen liegen die Einführung des Farbfernsehens, der Mauerbau, der Einzug der Grünen in den Bundestag oder der Start der Rechtschreibreform. Und das ist längst nicht alles. 



Dieser Comic wurde mit dem Splash-Hit ausgezeichnet Meinung:

Der Untertitel täuscht. Was in diesem Band vom Kölner DuMont Buchverlag als Deutschland. Ein Bilderbuch versammelt wurde sind waschechte Comics. Gut getarnt zwar, aber nichtsdestotrotz Comics.

Isabel Kreitz, die zuletzt mit dem beklemmenden Graphic-Novel-Portrait des Serienmörders Haarmann (zusammen mit Peer Meter, bei Carlsen) für Furore sorgte, versuchte sich 2009 an einem wöchentlichen Zeitungscomic. Auf jeweils einer Seite widmete sie sich einer Episode aus der Geschichte Deutschlands, die regelmäßig in der Samstagsausgabe der Frankfurter Rundschau abgedruckt wurde. Anlass war der 60. Geburtstag der Bundesrepublik Deutschland.

Das begrenzte Format zwingt zu einer besonderen Erzählweise, die sich von der einer albumlangen Geschichte oder dem täglichen Comicstrip unterscheidet. Eine richtige Herausforderung, denn bei den vorliegenden Kurzgeschichten kommt hinzu, dass sie authentisch und historisch eingebettet sein müssen. Schließlich geht es darum, besondere Momente aus der reichhaltigen Geschichte Deutschlands zu beleuchten.

Und solche Momente gab es wahrlich viele. Zu viele, um sie alle in diesem Album abhandeln zu können. So finden sich etliche Episoden aus dem tristen Nachkriegsalltag, der vorwiegend in Sepiatönen dargestellt wird: der erste Supermarkt öffnet in Hamburg seine Pforten, ein "Selbstbedienungsladen", über den es sich zu tuscheln lohnt; im April 1950 werden Lebensmittelkarten abgeschafft (in der DDR vergleichbares erst 1958); das Wunder von Bern passiert; die Jugendzeitschrift Bravo kommt an die Kioske.

Die finale Auswahl der Themen pro Seite dürfte nicht leicht gefallen sein. Bei der Recherche und Dokumentation hatte Isabel Kreitz die Hilfe eines Kollegen, der eine Themenliste mit wichtigen und weniger wichtigen Ereignissen aus Politik, Gesellschaft und Kultur erstellt hat. In einem Interview für die Frankfurter Rundschau, das zum Start der Serie publiziert wurde, sagte die Zeichnerin über diese Liste: "Daraus wähle ich ein Thema pro Woche aus und versuche, eine kleine Geschichte drumherum zu stricken, durch Auswahl des Standortes und der Personen, die zu sehen sind. Ich lege "Spuren" anhand der Ausstattung, Kostüme, Autos, Plakate. Dann ist der Leser dran."

Durch die Reduktion auf eine Seite bekommt jedes Ereignis das gleiche Gewicht. Ein regionales Unwetter, wie der Schneefall anno Silvester 1978/79, der im Norden Deutschlands tagelang Menschen von der Außenwelt abschnitt, die Landung von Hobbypilot Matthias Rust auf dem Roten Platz in Moskau oder die Ausstrahlung der TV-Serie "Holocaust" bekommen den gleichen Platz eingeräumt wie das Reaktorunglück im Kernkraftwerk von Tschernobyl oder die Einführung des Euro.

Stellenweise geriet die Auswahl etwas arg willkürlich. So sind Kujaus Hitler-Tagebücher mit von der Partie, große Momente der Wiedervereinigung werden aber ausgespart. Doch diese subjektive Selektion macht die Lektüre ungemein spannender als eine schulbuchmäßige Aneinanderreihung der wichtigsten Momente. So stellt sich beim Lesen ein schöner Effekt ein, der von Kreitz voll beabsichtigt ist. "Vielleicht gelingt es mir, Comic hin oder her, Erinnerungen wachzurufen und zum Nachdenken anzuregen. Nach dem Motto: Wo waren Sie, als dieses oder jenes geschah?." Jede einzelne Folge der Deutschland-Serie sei für Kreitz "eine kleine Stippvisite in die Vergangenheit der letzten 60 Jahre." und sie fügte hinzu: "In Verbindung mit der Rätselfrage "Wann war es gewesen?" kann der Leser versuchen herauszufinden, um welches Datum beziehungsweise Ereignis es geht. Das Ganze soll nicht belehren, daher hoffe ich, dass das Thema "Geschichte" nicht abschreckt."

Die Buchausgabe von DuMont wurde ergänzt durch erläuternde Texte von Frank Giese. Wer eine halbwegs passable Allgemeinbildung hat, der kann viele Episoden sehr gut einordnen, aber die Texte sind hilfreich, um die Stories korrekt zu bewerten. Nicht immer erschließt sich das historische Ereignis dem Leser sofort, da Kreitz oft eine ungewöhnliche Perspektive wählt. Stellenweise gelingt ihr die Umsetzung in Comicform richtig genial, zum Beispiel wenn es um die erste Ölkrise anno 1973 geht, als es gar autofreie Sonntage gab, was im Comic mit zwei Autoquartett spielenden Kindern auf einer Autobahnbrücke  dargestellt wird sowie Tieren, die endlich in Ruhe die Straße überqueren können, statt als Roadkill blutig zu verenden.

Leider kommen die letzten, aktuelleren Jahre in dieser Sammlung etwas zu kurz. Gerade da hat sich die Entwicklung des Lebens in Deutschland aber radikal und rasant verändert. Das schmälert jedoch nicht den exzellenten Gesamteindruck der Kollektion.




Fazit:

Isabel Kreitz' Bilderbuch über Deutschland, das keines ist, sondern ein facettenreicher, subtil beobachteter Geschichtscomic, ist ein Paradebeispiel für überzeugend gemachte Comickunst. Ihre Zeichnungen sind gewohnt detailreich und gut recherchiert. Aha- und Oho-Effekte stellen sich wie natürlich gleich seitenweise ein. Ein jeder kann etwas aus der Geschichte Deutschlands wieder- und neuentdecken. Und durch die intelligente, witzige Strukturierung mit ihren ausgeklügelten Pointen stellt sich nicht selten auch ein Haha-Effekt ein.



Deutschland. Ein Bilderbuch - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Deutschland. Ein Bilderbuch

Autor der Besprechung:
Matthias Hofmann

Verlag:
DuMont

Preis:
€ 19.99

ISBN 13:
978-3-8321-9621-9

112 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • feine, realistische Zeichnungen
  • nuancierte Farbgebung
  • deutsche Geschichte in einer unterhaltsamen und nachdenklich machenden Form
  • gut als Geschenk geeignet
Negativ aufgefallen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
1
(1 Stimme)
Bewertung
Du kannst diesen Comic hier benoten.

Persönlichen Bookmark setzen für diese Seite
Diese Seite als Bookmark bei Blinklist hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei del.icio.us hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei Digg hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei Fark hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei Furl hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei Google Bookmarks hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei Mister Wong hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei myYahoo hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei Netscape hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei Newsvine hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei Reddit hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei StumbleUpon hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei Technorati hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei Yigg hinzufügen  
Oder diesen Dienst benutzen: Social Bookmark Button

Rezension vom: 08.07.2011
Kategorie: One Shots
«« Die vorhergehende Rezension
Die Peanuts – Werkausgabe 9 - Tages- und Sonntagsstrips 1967-1968
Die nächste Rezension »»
Tibill der Lilling 1: Aufbruch ins Exil
Leseprobe
Zu diesem Titel liegt derzeit keine Leseprobe vor. Sie sind Mitarbeiter des Verlags und daran interessiert uns für diesen Titel eine Leseprobe zu schicken? Dann klicken Sie hier...
Das sagen unsere Leser
Zu diesem Titel existieren noch keine Rezensionen unserer Leser.


?>