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Comic-Besprechung - Bob Dylan Revisited

Geschichten:

Autoren/Zeichner/Coloristen:

Thierry Murat, Lorenzo Mattoti, Nicolas Nemiri, Francois Avril, Jean-Claude Götting, Christopher, Bézian, Dave McKean, Alfred/Raphaelle Le Rio/Mael Le Mée/Henri Meunier, Gradimir Smudja, Banjamin Flao, Jean-Phillipe Bramanti, Zep



Story:

13 verschiedene europäische Comic-Künstler haben jeweils einen Song der Singer/Songwriter-Ikone Bob Dylan grafisch umgesetzt. So entsteht ein vielfältiger, poetischer Bilderreigen - so etwas wie Coverversionen in Form von Comics – die ungewohnte Einblicke geben in die Gedankenwelt eines der bedeutendsten Musiker unserer Zeit. 



Meinung:

An sich ein interessantes Vorhaben, für welches der französische Verlag Delcourt bereits 2008 eine Reihe von europäischen Comiczeichnern begeistern konnte: den Songs von Bob Dylan ein Denkmal in Form von Comic-Adaptionen zu setzen. Doch das Ergebnis ist äußerst ambivalent ausgefallen. Jetzt hat Carlsen die Collection in einer deutschen Ausgabe herausgebracht und sich dabei nicht gescheut, die Original-Texte von Bob Dylan durch die eher umstrittenen Übersetzungen von Gibert Haefs zu ergänzen.

Spannend sind in jedem Fall die sehr unterschiedlichen Herangehensweisen der einzelnen Künstler. Während der Franzose Thierry Murat (Woodie Guthrie) Dylan-Klassiker wie Blowin in the Wind mit groben Kohlestrichen umsetzt, interpretiert der serbische Comiczeichner Gradimir Smudja (Toulouse-Lautrec im Moulin-Rouge) den Protestsong Hurricane mit einem grafischen Realismus, der sich an die Licht- und Schatten-Ästhetik des Film Noir anlehnt und Assoziationen mit Scorseses Raging Bull weckt. Der Franzose Jean-Phillipe Bramanti wiederum inszeniert Knocking’ On Heavens Door als atmosphärisches Westernduell, bei dem vertraute Elemente aus 1950er-Jahre-Western bis zur Abstraktion reduziert werden. Auch modernere Dylan-Songs wie Not Dark Yet von 1997 finden sich in der Sammlung. Der Schweizer Comiczeichner Zep (Titeuf) malt den Text des Songs auf vier Wände, vor denen jeweils ein Dylan in verschiedenen Stadien seiner Karriere sitzt.

In vielen Fällen kann man nicht mehr wirklich von "Comic" sprechen – die Grenzen zur "freien Kunst" werden rigoros überschritten. So z.B. in Benjamin Flaos Interpretation von Blind Willie McTell. Dylans Hommage an den einflussreichen blinden Bluesmusiker gerät zur Collage aus Text und skizzenhaften Grafiken, die offensichtlich durch historische Photographien inspiriert wurden. Unangenehm überambitioniert ist in dieser Hinsicht auch ausgerechnet Dave Mc Kean (Cages), der den Klassiker Desolation Row leider einem Kraut-und-Rüben-Surrealismus opfert und durch seine erstaunlich unoriginellen Groteskerien eher langweilt.

Überhaupt hat man oft den Eindruck, dass den Zeichnern nicht wirklich etwas Originelles eingefallen ist. Vieles dümpelt uninspiriert vor sich hin wie Positively 4th Street von Christopher (All I Need Is Love) oder Tombstone Blues von Bézian (Das Testament unter dem Schnee). Die meisten Beiträge stellen lediglich zeichnerisches Können zur Schau, schaffen es aber nicht sich als eigene Vision eines Dylan-Songs in der Erinnerung zu bleiben. Oft stehen die Songtexte und die Bilder quasi "nebeneinander" und die Verknüpfung beider Ebenen scheint mit der Brechstange herbeigeführt.

Verschlimmert wird dieser Eindruck noch durch die fast grausame Übersetzung von Gisbert Haefs, der offenbar in Ehrfurcht vor Dylans Poesie erstarrt ist und sich fast sklavisch eng am Originaltext entlangquält. Das hört sich dann etwa so an: „Wo bist Du gewesen, mein lieber Kleiner?/Ich bin zwölf Nebelberge entlanggestolpert/ Bin über sechs krumme Highways gegangen und gekrochen/ Trat mitten zwischen sieben traurige Wälder/ Stand draußen vor einem dutzend toter Ozeane/ War zehntausend Meilen im Rachen eines Friedhofs / Und es wird ein schwerer Regen fallen.“(A Hard Rain’s A-Gonna Fall). Aua! Zum Glück sind immer auch die Originaltexte abgedruckt, sonst könnte man nur schwerlich nachvollziehen, warum Dylan zu einem der größten Wortschöpfer der Pop-Geschichte zählt. Angeblich hat das Dylan-Management auf eine wortgetreue Übersetzung bestanden, aber entschuldigen lässt sich dieser Unsinn dadurch nicht. Gescheiter wäre es gewesen, einfach nur die Originaltexte zu präsentieren und auch nur diese in die Comics zu integrieren, anstatt die Bildergeschichten mit diesen verkrampften Ergüssen zu verschandeln.

Zwei wohltuende Ausnahmen gibt es dann doch. Mattotis Version von A Hard Rain’s A-Gonna Fall ist eine kleine Meisterleistung, die den Leser durch seinen eigenwilligen, düsteren und gleichzeitig farbenfrohen Stil gefangennimmt. Und Girl From The North Country von Francois Avril erzählt in schlichten, einfachen Bildern von den Erinnerungen an eine vergangene Liebe. Der Besuch eines einsamen Reiters bei einer Frau, die in einem zugeschneiten Blockhaus lebt, ist wie ein Zoom aufgebaut: aus der Kälte der Wildnis hinein an das wärmende Feuer eines Kamins, an ein gerahmtes Bild an der Wand und dann wieder hinaus in die winterliche Wildnis. Diese vier Seiten kommen der Interpretation eines Dylan-Songs gerade durch seine schlichte Schönheit vielleicht am nächsten.

Gewünscht hätte man sich als Abrundung der Anthologie noch ein paar Hintergrundinfos über die Entstehungsgeschichte dieses Projekts und zumindest Kurzbiographien der beteiligten Künstler sowie von Dylan selbst. Hinweise auf welchen Platten die ausgewählten Songs enthalten sind, wären ebenfalls eine nützliche Hilfestellung für interessierte Leser gewesen, die sich im schwer überschaubaren Gesamtwerk des Musikers nicht auskennen. Denn zu einem inspiriert dieser Band auf jeden Fall: die Songs von Bob Dylan wieder- oder neu zu hören und gegebenenfalls über die hier beschworenen Bilder in die Welt seiner Songs einzutauchen.



Fazit:

Ein spannendes Konzept, das allerdings unbefriedigend umgesetzt wurde. Die Ergebnisse sind entweder überambitioniert oder uninspiriert – nur in den seltensten Fällen werden die einzelnen Interpretationen den herausragenden Songtexten Bob Dylans gerecht. Die horrible deutsche Übersetzung der Songs tut ihr übriges um den Lesegenuss zu torpedieren. 



Bob Dylan Revisited - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Bob Dylan Revisited

Autor der Besprechung:
Armin Hofmann

Verlag:
Carlsen

Preis:
€ 16,90

ISBN 10:
3551778078

ISBN 13:
978-3551778079

112 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • interessante Grundidee
  • Mattoti und Avril
Negativ aufgefallen
  • gescheiterte Umsetzung einer interessanten Grundidee
  • fehlende Hintergrundinfos
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
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Rezension vom: 23.01.2011
Kategorie: One Shots
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