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Comic-Besprechung - An Bord der Morgenstern

Geschichten:

Autor: Riff Reb`s (nach einem Roman von Pierre Mac Orlan), Zeichner / Colorist: Riff Reb`s



Story:

Das junge Waisenkind Pitti lebt um 1718 unter Außenseitern an der französischen Küste.Mehr schlecht als recht schlägt er sich so durch. Als er eines Tages aus Versehen ein Mädchen tötet, muss er fliehen und findet eine Stelle in einer Hafenkneipe. Dort begeht er allerdings den Fehler, mit seiner nunmehr etwas zurückliegenden Tat zu prahlen. Um einer eventuellen Verfolgung zu entgehen, lässt er sich von zwei Kunden der Kneipe auf einem Schiff als Schiffsjunge anheuern. Was er aber nicht ahnt: das Schiff segelt unter schwarzer Flagge. Er ist unter Piraten gelandet. Pitti stört das nicht allzu sehr und lebt sich bald ein. Im Laufe eines bewegten Lebens als Pirat erlebt er fortan Abenteuer unter dem Kapitän George Merry und dem Schiffsarzt McGraw. Doch ein solches Leben hat bald keine Zukunft mehr.



Meinung:

Der französische Autor und Zeichner Riff Reb`s, unter anderem bekannt geworden für den für den Max-und-Moritz-Preis nominierten Band Myrtil Mistelzweig, legt mit An Bord der Morgenstern eine Comicadaption eines Romans des französischen Abenteuerschriftstellers Pierre Mac Orlan (1882 - 1970) vor.

Man mag etwas vorsichtig an den Band herangehen und sich denken "Schon wieder eine Seefahrergeschichte? Und dann noch mit Piraten? Das gab es doch schon so oft". Das ist zwar richtig und mag nur Leser mit einem Faible für Seefahrergeschichten ansprechen. Gleichzeitig irrt man sich aber, wenn man diese Gedanken hat. Denn An Bord der Morgenstern ist beileibe keine üblich gestrickte Seefahrerschmonzette.

Es wird sehr viel weniger Wert auf Action gelegt als üblich. Die Seeschlachten werden sogar komplett weggelassen und eher das Nachspiel gezeigt. Die Mythen und Topoi, die zu den Piraten gehören, kommen zwar vor, werden aber spielerisch angewandt und dekonstruiert. Der Band ist also kein neues Puzzleteil im Piratengenre, sondern eine Entmystifizierung und nicht weniger spannend. Es geht hier um die Charakterzeichnungen von Piraten. Nicht nur was sie antreibt, wozu auch der Freiheitsdrang gehört, aber ebenso die Gier nach Gold, Rache und schlichter Blutdurst. Sondern auch wie sie mit dem Leben umgehen, von dem sie wissen, dass es kaum eine Zukunft hat. Und trotz aller Härte und Brutalität zeigen sie manchmal etwas Schwäche. Rauhe Schale, harter Kern? Oh nein, auch dieses Klischee wird sorgsam vermieden. Sobald die Piraten im Band auch nur ansatzweise Schwäche zeigen, schlagen sie mit umso größerer Brutalität zurück. Dadurch kommen einige der schockierendsten Stellen im Buch zustande. Etwa wie ein Pirat auf eine mißverständliche Nachricht seiner Geliebten reagiert.

Es wird also keine Heroisierung der Piraten vorgenommen, wie etwa in der Reihe Der rote Korsar, wo die Seeräuber eher durch List denn durch Brutalität bestechen und noch Ethos haben und Schwachen helfen. Sie treibt zwar das Geld an, aber sie handeln noch human. Nicht so die Besatzung der "Morgenstern". Hier wird gemordet und vergewaltigt.

Es wird mit Mythen gespielt. Dazu gehören eine Schatzsuche, amouröse Verstrickungen, der ersehnte Freibrief des Königs um "legal" als Freibeuter gegen die Vaterlandsfeinde zu kämpfen. Und natürlich ein exotisches Setting, leichte Mädchen, viel Rum, Stürme und verräucherte Hafenkneipen. Aber Riff Reb`s holt die Mythen zurück auf den Boden der Tatsachen und zeichnet ein grausames, realistisches Bild der Piraten, die schon Menschen töten, nur um sich abzureagieren und die keine Liebe zulassen. Die Schatzsuche bleibt erfolglos, amouröse Verstrickungen werden mit dem Dolch gelöst und der Freibrief lockt nicht großartig, da die Piraten dann Regeln einhalten müssen. Rum schafft Alkoholiker, leichte Mädchen sind nur Fleisch (ebenso der Schiffsjunge) und der Rauch vernebelt die Sicht.  Romantik sucht man hier vergebens.

Hervorragende graphische Einfälle sorgen auch zeichnerisch für Begeisterung. Eine der stärksten Szenen ist die der gefangenen Sängerin. Als sie singt, schwingen sich die Noten graphisch in den dunklen Himmel empor, um dann wie eine Quelle des Glückes auf die bezauberten Piraten zu fallen. Im Panel darauf sieht man, wie das ganze Schiff, die ganze Umgebung erzittert. Nur die Sängerin steht scharf umrissen da. Auch in Details kann der Band überzeugen, wie die Zeichnungen des verrückt gewordenen Mönches. Auch der Blick unter den Rock eines Mädchens und die darauf folgende Erkenntnis ist beeindruckend gestaltet. Es scheint eine starke Lichtquelle unter dem Rock zu sein und so ein Mysterium darzustellen. Der selbe Kniff wird in Truhen angewandt. Generell sind die Zeichnungen sehr detailreich und stimmungsvoll. Man mag die Seeluft zu schmecken, den Rauch zu riechen und schwitzt mit den Piraten in der Hitze.

Leider sind die größten Schwächen dieser Graphic Novel auch im zeichnerischen Bereich zu finden. Es ist zwar nett, dass jedes Kapitel in einer Grundfarbe eingefärbt ist, die meistens Grau- und Grüntöne sind, und so eine Grundstimmung vorgeben. Aber gleichzeitig ist das einfallslos, da ansonsten komplett auf Farbe verzichtet wird. Man kann den Eindruck bekommen, dass es sich der Zeichner so etwas einfach gemacht hat. In einer farbigen Gestaltung wie satt gestaltete Sonnenuntergänge hätte die Mythendekonstruktion auch graphisch noch eindrucksvoller gewirkt. Auch sind die Gesichter der Figuren manchmal etwas zu übertrieben und lassen fast schon an Mangas denken, was diesem Stoff eher abträglich ist. Die Augen werden weit aufgerissen und Körperteile schon fast grotesk verzerrt, wie etwa überlange Kinnpartien. Eine realisterische Herangehensweise hätte dem Inhalt mehr Wucht verliehen. Einige typische Funny-Elemente (wie Rauch der vor Zorn aus den Ohren kommt) wären auch verzichtbar gewesen und sprechen schon fast der harten Handlung Hohn. Somit sind Inhalt und Zeichnung nicht immer harmonisch.



Fazit:

Eine inhaltlich beeindruckende Graphic Novel, welche Piratenmythen aushebelt und sehr realistisch gehalten ist. Weniger Action, sondern sehr gute Charakterzeichnungen machen die Story aus. Leider kann trotz einiger hervorragender graphischer Einfälle, die Zeichnung da nicht ganz mithalten. Trotzdem sehr empfehlenswert auch für Leser, die sonst nichts mit Seefahrergeschichten anfangen können.



An Bord der Morgenstern - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

An Bord der Morgenstern

Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann

Verlag:
Carlsen

Preis:
€ 18,90

ISBN 10:
3551791082

ISBN 13:
978-3551791085

128 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • Story
  • historische Genauigkeit
  • Mythenentzauberung
  • Realismus
  • graphische Einfälle
Negativ aufgefallen
  • Gesichtszeichnungen
  • Farbgebung zu eintönig
  • störende "Funny"-Elemente
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
2.5
(2 Stimmen)
Bewertung
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Rezension vom: 11.11.2010
Kategorie: Rezensionen
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