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Comic-Besprechung - YPS: Die verpasste Chance

Geschichten:

YPS: Die verpasste Chance

Konzeption für den Relaunch einer Kultmarke

(Originalausgabe)

Autor: Nicolas von Lettow-Vorbeck



Story:
Nicolas von Lettow-Vorbeck war als Kind begeisterter YPS-Leser. Im Rahmen der Abschlussprüfung seines Bachelor-Studiums in Medienmanagement an der MEDIADESIGN Hochschule Düsseldorf legte er dieses Buch vor. Darin untersucht er das Erfolgsgeheimnis des Comic-Magazins YPS, welches 1975 auf den deutschen Zeitschriftenmarkt kam.

Es gibt eine ausführliche Analyse von YPS, ebenso eine Marktbetrachtung Kinderzeitschriften 2010, bei der aktuelle Magazine wie Micky Maus, Geolino und Frag doch mal die Maus zum Vergleich herangezogen werden. Zum Schluss entwirft der Autor ein Konzept für einen Relaunch der Marke „YPS“.

Meinung:
Kinder, wie die Zeit vergeht. Im Jahr 2000 verschwand das Comic-Magazin YPS nach 25 Jahren erstmals vom Markt. Das Medienecho war nicht gering. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schlußfolgerte damals: „YPS erleidet das Schicksal aller Vorreiter“. Wiederbelebungsversuche in Form von Testausgaben um 2005/2006 herum zeigten keinen Erfolg. Was blieb sind bis heute verklärte Erinnerungen und die Erkenntnis, dass ein Gimmick alleine nicht ausreicht, um eine durchaus bekannte und beliebte Marke am Leben zu erhalten.

War dieses Schicksal unausweichlich oder kann bei YPS von einer verpassten Chance gesprochen werden? Dieser Frage geht Nicolas von Lettlow-Vorbeck mit seiner Arbeit im Rahmen seines Bachelor-Studiums in Medienmanagement nach. Der Band ist im Frühjahr 2010 erschienen und fördert einige interessante Aspekte zu dem Thema ans Tageslicht.

Viele Hintergrundinformationen hat der Autor gesammelt. Er hat dabei nicht nur Primärliteratur (die eigentlichen YPS-Hefte) und Sekundärliteratur (Bücher, Artikel) sowie Foren des Internets durchforstet, er nahm auch mit verantwortlichen Personen, die direkt an YPS beteiligt waren, Kontakt auf. Gimmick-Erfinder Reinhard Haas, YPS-Chefredakteur Norbert Hinze, Comicautor und -produzent Fred Kipka, Yinni und Yan Zeichner Heinz Körner und YPS-Zeichner Ivica Litric plauderten aus dem Nähkästchen und steuerten Details bei, die aus Gründen der Vertraulichkeit leider nur teilweise verwendet werden konnten.

Das Medium Comic gab es schon vor YPS. Also startet Lettow-Vorbeck mit einem Exkurs bevor es in media res geht. Die Begriffe „Comic“ und „Kinderzeitschrift“ werden prägnant erläutert und die Besonderheiten bei der Rezeption nicht ausgespart. So haben Comicserien, die mehrere Lesarten zulassen, ein erhöhtes Erfolgspotential. Ganz richtig erklärt der Autor den großen Erfolg von einer Serie wie Asterix dadurch, dass die Lektüre dieses Comics für Kinder wie Erwachsene gleichermaßen interessant und anregend ist. YPS-Produktmanager Thomas Puchert: „Asterix, oder Lucky Luke, werden sowohl von Erwachsenen als auch von Kindern gelesen. Jeder findet darin eine Ebene, auf der er sich ganz besonders amüsieren kann“.

Als YPS Ende 1975 lanciert wurde, umfasste der deutsche Zeitschriftenmarkt rund 70 Publikationen für Kinder. Es gab zwar Heftbeilagen, aber diese beschränkten sich auf mehr oder minder toll gemachte Bastelbögen aus Pappkarton. Mit YPS, dessen Konzept vom französischen PIF Gadget übernommen wurde, änderte der herausgebende Verlag Gruner + Jahr die Situation grundlegend. Im  Hauptteil des Buches analysiert der Autor die äußerliche Gestaltung („Der Erstkontakt mit dem potentiellen Käufer erfolgt über das Titelblatt“) bis hin zu den vier verschiedenen Funktionen der Folienverpackung akribisch. Auch der Inhalt eines Heftes und die Besonderheiten einer Gimmick-Beilage werden sehr genau seziert. Welches Kind wusste damals, dass Beschaffung und Auswahl dieser giveaways eine kleine Wissenschaft für sich war? Druckereitechniker Reinhard Haas, der für die Gimmicks verantwortlich war, besuchte Spielwarenmessen, sichtete ausländische Kataloge und stand in Kontakt mit Erfindern. Jährlich prüften er und sein Team 300 bis 500 Angebote für neue Gimmicks. Und selbst als man sich für ein Gimmick entschieden hatte, musste dieses erst noch einer strengen Prüfung durch den TÜV unterzogen werden und diversen DIN-Normen entsprechen. Manche Beilage erfreute sich über die Jahre so großer Beliebtheit, dass sie mehrfach wiederholt wurde. Das Top-Gimmick schlechthin waren die berühmten „Urzeitkrebse“, die sage-und-schreibe 20 Mal auftauchten. Dabei waren sie nichts anderes als ganz gewöhnliches Fischfutter. Oft schaffte es die YPS-Redaktion mit phantasievollen Worten und einer besonderen Geschichte aus simplem Plastikschrott subjektiv gesehen höchst interessante Spielsachen zu machen. Oder wie es Lettow-Vorbeck in seinem Buch zusammenfasst: „Das als „Abenteuer-Zelt“ angepriesene Gimmick  war, genauso wie der „Solar-Zeppelin“, bei objektiver Betrachtung nur ein bedruckter Müllsack“.

Viele der Gimmicks von damals könnten heutzutage aus verschiedenen Gründen nicht mehr gebracht werden. Manche aber schon: Die Taucher-Uhr, die Wasser spritzt, Die Maschine, die eckige Eier macht, Die saftigen Hänge-Tomaten aus Amerika, Der Formel-1-Rennwagen mit Düsenantrieb, Die Yps-Kamera, die echte Fotos macht und viele Dinge mehr.

Dieser Gedanke ist Teil eines Ansatzes für einen neuerlichen Relaunch des YPS-Kults. Der Autor beschreibt die aktuelle Marktsituation der Kinderzeitschriften im Jahr 2010 und eröffnet Möglichkeiten für eine neue Inkarnation von YPS. „YPS ist eine wertvolle Retromarke. Sie könnte durch einen Relaunch vom vorhandenen Kult-Potential sowie von der Idealisierung der Kindheit profitieren“, schreibt Lettow-Vorbeck. Als Hauptzielgruppe hat er die sogenannten „Kidults“ ausgemacht. Hinter dieser Mischung aus „Kid“ und „Adult“ steht der moderne Erwachsene, der Hörspielkassetten sammelt oder haufenweise Geld für Videospiele ausgibt. Nachdenklich stimmende Zitate über dieses Phänomen, die der Autor im Buch versammelt hat, sind Aussagen wie diese: „Erwachsene wollen nicht mehr erwachsen werden, sondern bleiben Kidults, die Brustbeutel tragen, Kinderfilme schauen oder sich mit Computerspielen beschäftigen.“ Unter diesen Kidults tummeln sich gerade die typischen YPS-Fans, die laut Reinhard Haas „zum großen Teil aus sammelwütigen Erwachsenen bestehen, die zu Hause ab und an mit verklärtem Gesichtsausdruck ihre alte Gimmickkollektion betrachten“. Im weiteren erarbeitet der Autor, wie es Mithilfe der modernen Medien, von Web 2.0 über Facebook, YouTube, Twitter und Co., möglich sei, die Marke YPS erneut gewinnbringend auf dem Unterhaltungssektor zu platzieren.

Der Autor bedient sich einer klaren, flüssig zu lesenden Sprache. Der Text ist durchgehend passend illustriert. Wenn es thematisch zu sehr ins Eingemachte geht, klinkt er sich aus. Doch es wäre am Thema vorbeigeschrieben, würde er sich unverhältnismäßig tief mit der Geschichte der Comics oder den Statistiken zum Thema YPS beschäftigen.

Wer die nackten Fakten (Inhaltsangaben, Titelbilder, Statistiken) braucht, der kann im Internet bei der YPS Fan Page nachlesen. Das Buch von Lettow-Vorbeck ist als Ergänzungsnahrung für YPS-Fans und Comichistoriker zu empfehlen, denn als Sekundärliteratur zum Medium Comic liegt hier eine brauchbare Arbeit vor, die ein bahnbrechendes Comic-Magazin in seiner Gesamtheit ausführlich betrachtet. Das Interessante dabei ist gerade, dass das Heft mit Gimmick nicht von einem tausendprozentigen YPS-Nerd durchleuchtet, sondern unter die Lupe eines angehenden Medienwissenschaftlers gelegt wurde. 

Fazit:
Nicolas Lettow-Vorbeck hat eine veritable Arbeit vorgelegt, die eigentlich mehr Leser verdient hätte. Mit saftigen 49 Euro ist YPS: Die verpasste Chance alles andere als billig. Wer das nötige Kleingeld übrig hat und sich fürs Thema Kinderzeitschriften interessiert, der bekommt ein interessantes, ein übersichtliches, ein etwas schmal geratenes Buch als Gegenleistung. Die Frage bleibt, was Egmont Ehapa, der derzeitige Eigentümer der Marke „YPS“ davon hält? Auf der YPS-Webseite schrieb man bereits 2007: „Der Verlag behält sich daher vor, bei veränderten Rahmenbedingungen oder einer überzeugenden neuen Idee, über eine Fortsetzung des Abenteuers Yps nachzudenken“. Wann es mit dem Relaunch endlich los geht, scheint nur eine Frage der Zeit zu sein ... oder?


YPS: Die verpasste Chance - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

YPS: Die verpasste Chance

Autor der Besprechung:
Matthias Hofmann

Verlag:
VDM Verlag Dr. Müller

Preis:
€ 49.00

ISBN 10:
3639250044

ISBN 13:
978-3639250046

96 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • flüssig geschrieben
  • für YPS-Fans ein Muß
Negativ aufgefallen
  • sehr viel Geld für 96 Seiten
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
1
(4 Stimmen)
Bewertung
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Rezension vom: 15.08.2010
Kategorie: Sekundärliteratur
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