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Comic-Besprechung - Der Geschmack von Chlor
Geschichten:Der Geschmack von Chlor
Autor, Zeichner, Inker, Colorist: Bastien Vivès
Story:
Ein junger Mann leidet unter chronischen Rückenschmerzen. Sein Physiotherapeut rät ihm deshalb regelmäßig schwimmen zu gehen. Der Unsportliche beginnt zögerlich im Hallenbad mit dem Rückenkraulen, bis er sich dort bei seinen wöchentlichen Übungen in eine Athletin verliebt. Aus Widerwille wird Vorfreude auf jeden Mittwoch, wenn das Schwimmtraining wieder ansteht.
Meinung:
Bastien Vivès kommt mit wenig Worten aus, um seine ungewöhnliche Hallenbad-Liebesgeschichte zu erzählen. Ohne Erzähltext genügen ihm die wenigen Dialoge vor allem zwischen dem am Rücken Leidenden und der ehemaligen Leistungssportlerin. Noch mehr erzählt das Nachwuchstalent durch eine detailierte Beobachtungsgabe und viel Gespür für die Sorgen und Leiden von heranwachsenden Menschen.
Obwohl Vivès noch sehr jung ist – Jahrgang 1984! – kann der Comickünstler bereits auf ein umfangreiches Werk zurückblicken. In Arbeiten wie Dans mes Yeux (auf Deutsch: In meinen Augen, Herbst 2010 bei Reprodukt angekündigt), Amitié étroite oder Pour l’Empire bewies der französische Newcomer nach Angaben von Reprodukt zufolge „eine enorme stilistische Bandbreite auf hohem Niveau“. Dass der Verlag, der auch Der Geschmack von Chlor herausbringt, dabei nicht nur auf Eigenwerbung aus ist, beweist die Auszeichung der Graphic Novel in Angoulême mit dem Preis für den besten Nachwuchskünstler.
Ohne in zu viel Lobhudelei verfallen zu wollen, muss festgehalten werden, dass Vivès mit Der Geschmack von Chlor einfach ein Gespür für originelle Geschichten beweist. Fast die gesamte Graphic Novel spielt in einem Hallenbad und trotzdem hat die Erzählung noch einiges zu bieten. Der Leser nimmt Anteil an den Fortschritten und Rückschlägen des schüchternen Anti-Helden.
Das Hallenbad eignet sich hervorragend, um einen unvorbelasteten Ort zu schaffen. Denn im einheitlichen Badeoutfit – Badekappe, Taucherbrille und Schwimmkleidung – verschwinden die individualisierten Eindrücke. Im Alltag, auf der Straße oder sonstwo, erhält man nämlich unittelbar im ersten Augenblick einen aussagekräftigen Eindruck des Gegenübers, sei es durch den Kleidungsstil oder die Frisur, die man trägt. Deshalb ist es einfach eine geniale oder eine genial einfache Idee von Vivès diese Vorzeichen zu streichen, um zwei Personen auf diese ungewöhnliche Weise aufeinanderprallen zu lassen.
Hinzu kommt eine grafische Meisterleistung des Zeichners Vivès, der Grafik und Animation an der Pariser École des Gobelins studiert hat. Sein leicht skizzenhafter Strich wird mit flächigen, sparsamen Farben kombiniert. Hier soll nichts ablenken, alles ist ganz fokussiert auf das Hallenbad und die Geschehnisse ober- und unterhalb der Wasseroberfläche. Alles vermittelt dementsprechend die Atmosphäre eines Hallenbads – angefangen bei der hell-türkisen Grundfarbe des Wasser bis zu den „verschwommenen“ Konturen der Panels.
Trotz allen positiven Aspekten stellt sich sowohl inhaltlich als auch grafisch mit der Zeit eine gewisse Monotonie ein. Der Pluspunkt - Hallenbad als Schauplatz - kippt dadurch ins Negative, weil sonst nichts weiter passiert. Vivès gab an, seine Geschichten als Film vor sich zu sehen, was man der Graphic Novel ansieht – filmische Schnitte, Perspektiven und Einstellungen dominieren die innovative grafische Gestaltung. Schließlich mache er Comics nur deshalb, weil er sich einen Film nicht leisten könne.
Fazit:
Vivès verkörpert die aufstrebende neue Generation, die den französischen Markt derzeit ordentlich aufwirbelt, und gibt einen Eindruck von dem, was auf die hiesigen Leser noch alles zukommt – geistreiche, unterhaltsame Geschichten mit künstlerischen Bildern. Leider zündet Der Geschmack von Chlor nicht ganz. Die grafischen Einfälle und der kreative Ausgangspunkt werden durch die monotone und nichtssagende Handlung leider wieder ausgeglichen.
Der Geschmack von Chlor
Autor der Besprechung:
Marco Behringer
Verlag:
Reprodukt
Preis:
€ 18
ISBN 10:
3941099485
ISBN 13:
978-3941099487
144 Seiten
Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser
- Genial einfach: Hallenbad als Augangspunkt
- Einfach genial: skizzenhafter Strich und flächige "Chlorierung"
- Filmische Grafik: Schnitte, Perspektiven und Einstellungen
- Ermüdend: Hallenbad als einziger Schauplatz
- Inhaltsarm: es passiert nicht viel
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic | ||
Bewertung: | ||
(5 Stimmen) | ||
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Rezension vom: | 02.07.2010 | ||||||
Kategorie: | Rezensionen | ||||||
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