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Karteinummer 1071411

Comic-Besprechung - David B.: Auf dunklen Wegen

Geschichten:
Autor / Zeichner: David B., Colorist: Hubert

Story:
Italien 1920. In den Nachkriegswirren wird Europa und die angrenzenden Staaten neu geordnet. Neue Staaten entstehen und andere verlieren Territorien. Gerade Italien ist zerrissen. Die Stadt Fiume ist in der Hand von Dichter und Generalissimus D`Annunzio. Er schafft mit Fiume einen Freistaat und versucht diesen Italien anzugliedern. In diesem relativ rechtsfreien Raum betätigen sich die unterschiedlichsten politischen Gruppierungen, um ihren Einfluß zu vergrößern. Banden streunen durch die Straßen und durch den Krieg verrohte Soldaten. Straßenschlachten, Schlägereien und Bandenkämpfe sind an der Tagesordnung. Der junge Lauriano, Soldat und Bandenmitglied, hat es in die Stadt verschlagen. Als er mit Kameraden einer verfeindeten Bande die Beute abjagt, lernt er die Sängerin Mina kennen. Beide verlieben sich ineinander. Doch die Liebe hat einen schweren Stand. Denn nicht nur wird Lauriano mitsamt seinen Freunden von der verfeindeten Bande gejagt, sondern auch die politischen Kämpfe drohen zu eskalieren. Nicht zuletzt setzen Lauriano seine Kriegstraumata ziemlich zu.


Dieser Comic wurde mit dem Splash-Hit ausgezeichnet Meinung:

Mit "Auf dunklen Wegen" legt der französische Zeichner und Autor David B., der mit seinem Werk "Die heilige Krankheit" über die Epilepsiekrankheit seines Bruders berühmt wurde, ein neues Meisterwerk vor. Und ist mit der Thematik des Ersten Weltkrieges zwar sehr in der Tradition des französischen Comics (und Tardi), beschränkt sich aber auf die Folgen. Indem David B. seine Handlung nach Italien der Nachkriegswirren verlegt, kann er einige historisch weniger bekannte Aspekte schildern und ist damit ziemlich erfrischend.

Die Wirren der damaligen Zeit werden hervorragend graphisch umgesetzt. Abgesehen von den Liebesszenen, in denen die Figuren sehr weich und rund wirken, ist der Strich sehr kantig und hart. Er erinnert sehr an den Expressionismus eines Picasso (vor allem in den Schlägereiszenen) und an George Grosz. Geradezu vorbildhaft ist die Einstiegsszene. Der Leser sieht in der Schlägerei ein einzelnes Gewimmel, in dem sich nach und nach ein Charakter herausschält und den Kampf verlässt und die Szenerie betritt. Der Zeichenstil ändert sich leicht und durch einen geradezu filmischen Schwenk werden einige der Hauptfiguren eingeführt. Diese Vorgehensweise wiederholt sich noch ein paar Mal, wirkt aber dennoch nie ermüdend. Der einzelne wird aus dem Krieg und aus den politischen Wirren genommen und näher betrachtet. Einzelschicksale werden so in großen Umwälzungen verdeutlicht und es ermöglicht David B. auf hervorragende Weise, den Fokus auf andere Personen zu lenken. Aber an hervorragenden visuellen Einfällen bleibt es nicht bei dieser einen Sache. Denn manche Charaktere verlieren sich ebenso in der Masse und verschwinden aus dem Fokus und in die Geschichte. Panzer erscheinen als rein schwarze Silhouette und wirken dadurch noch bedrohlicher. Bei einer politischen Diskussion wird D`Annunzio fast unter Sprechblasen begraben. Die geschichtlichen Zusammenhänge werden von dem Schornsteinrauch erzählt und verdeutlicht damit die Flüchtigkeit der menschlichen Bemühungen. Sehr anschaulich ist auch das Trauma des Krieges bebildert. Mit sehr eindrucksvollen Szenen und Metaphern gelingt es dem Zeichner und Autor auf wenigen Panels das ganze Grauen zusammenzufassen. Hervorragend.

Auch schön ist die Rolle der Bücher illustriert. So zum Beispiel wenn aus ihnen wohnliche Einrichtungsgegenstände gebaut werden oder gar ein Schützengraben. Besonders beeindruckend ist es wie sich der traumatisierte Held anhand von Pseudonymen hinter seinen Artikeln versteckt und später im Band als aus Büchern und Zeitschriften zusammengesetzte Person auftritt.

Aber der Dialog wird im Zuge der Zeichnungen keinesfalls vernachlässigt. Auch er ist hervorragend und liefert einige richtig schöne Szenen. Ein paar Beispiele: in einem Cafe wird die Frau gefragt "Nimmst du etwas", woraufhin sie entgegnet "Reißaus." Auch schön die Idee mit dem alten Zeitungsverkäufer, der nur alte Zeitungen verkauft, da in ihnen kein Krieg vorkommt. Und die Lächerlichkeit der Politik kommt auf Seite 59 zu Tage: "Wir müssen ein Datum für die Weltrevolution festlegen. Also...Am 18. habe ich etwas vor, aber wir können es am Tag danach machen." Grandios.

Die Story wirkt zwar manchmal etwas unübersichtlich. Dadurch spiegelt sie aber die wirren Zeiten wider und den Aufmarsch des Faschismus. Ein zentrales Thema des Bandes auszumachen ist etwas schwierig. Aber wenn es ein zentrales Thema gibt, so ist es das Verlorensein des Individuums in geschichtlichen Zusammenhängen. Und damit ganz in der Tradition der Schriftsteller der "lost generation", die den Ersten Weltkrieg erlebt haben.

Einziger Nachteil dieses Meisterwerks ist das recht unangenehme und grobe Papier auf dem es gedruckt ist. Ansonsten ein Meilenstein des Comics, den sich niemand entgehen lassen sollte.



Fazit:
Ein Meisterwerk. Hier gehen Handlung, Zeichnung und Dialoge wirklich eine Einheit ein und vermögen auf ganzer Linie zu überzeugen. Anleihen und Zitate der Kunst der 1920er Jahre schaffen auch ein hervorragendes Lokalkolorit. Zugreifen!

David B.: Auf dunklen Wegen - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

David B.: Auf dunklen Wegen

Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann

Verlag:
Avant Verlag

Preis:
€ 24,95

ISBN 10:
3939080411

ISBN 13:
978-3939080411

124 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • Dialoge
  • Expressionistische Zeichnungen
  • Massenszenen
  • Kriegsszenen
Negativ aufgefallen
  • Papierqualität
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
1
(1 Stimme)
Bewertung
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Rezension vom: 05.06.2010
Kategorie: One Shots
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