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Comic-Besprechung - Gift
Geschichten:Gift
Autor: Peer Meter, Zeichnerin: Barbara Yelin
Story:

Peer Meter ist im Comicbereich kein unbeschriebenes Blatt. Bereits Anfang der Neunzigerjahre ist er als Szenarist von Haarmann (Carlsen Verlag) bekannt geworden. Haarmann gezeichnet von Christian Gorny, war eine auf drei Bände angelegte Serie um den hannoverschen Serienmörder Fritz Haarmann, die leider nach dem ersten Band abgebrochen wurde. Derzeit arbeitet die Zeichnerin Isabel Kreitz an einer Neuinterpretation des mikrohistorischen Stoffes.
Nach Ausflügen an das Theater und in die Literatur ist Meter wieder zum Comic zurückgekehrt. Wie in Haarmann wendet sich der Autor auch in der Graphic Novel Gift der Mikrohistorie zu. Diesmal dreht sich sein historisches Drama um die Bremer Giftmörderin Gesche Gottfried in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Meter hat sich bereits publizistisch mit diesem ungewöhnlichen und herausragenden Kriminalfall beschäftigt und die fundierten Kenntnisse scheinen in jedem Panel durch.
Doch auch in erzählerischer Hinsicht brilliert die Graphic Novel auf ganzer Linie. Bei einer Zugfahrt nach Hamburg erzählt die inzwischen gealterte Schriftstellerin von ihren Erlebnissen von Bremen 1831. Meter belässt es aber nicht bei diesem einen Rückblick: seine verschlungene Erzähltechnik weist noch mehrere verschachtelte Erzählebenen auf, die durch Rückblicke von weiteren, in den Kriminalfall involvierten Bremern, zufällig aufgeschnappten Dialogen auf der Straße, einer Traumsequenz, so genannten Voice Overs und Auszügen aus den Verhörprotokollen der Giftmörderin erzeugt werden.
Dadurch schafft Meter eine abwechslungsreiche und atmosphärische Dichte wie man sie kaum woanders her kennt. Der Autor und Szenarist macht aus historischen Fakten auf diese Weise ein spannendes Drama, das in vielerlei Hinsicht als deutsche Antwort auf From Hell gelten darf. Auch die fortschrittliche und selbstbewusste Protagonistin überzeugt und sorgt für frischen Wind in der starren Comiclandschaft, in der sich die positiven Eigenschaften von weiblichen Charakteren meist auf deren überdimensionale Oberweite beschränken.
Und auch graphisch ist Gift ein absolutes Meisterwerk. Barbara Yelin ist bisher leider nur in Frankreich bekannt (Le visiteur oder Le retard; Editions de l'AN 2). Ihre leicht skizzenhaften Schwarzweißzeichnungen bestechen nicht nur durch ein phänomenales Hell-Dunkel-Spiel, da sie die ganze Palette der Grautöne aufbietet, sondern begeistern vor allem auch durch ein atemberaubend eingefangenes Licht. Das schafft sie durch Radierungen und freistehende Flächen. Die Verbindung von kräftigen, dünnen Strichen und weichen Flächen macht jedes einzelne Panel zum Highlight.
Außerdem beweist Yelin, dass sie nicht nur die Klaviatur der Comicsprache beherrscht, sonder diese sogar erweitert: neben einfallsreichen Einstellungen und Perspektiven, Perspektivwechseln, Zooms, einer speziell gestalteten Traumsequenz, Face-to-Face- und sogenannten „Schuss-Gegenschuss“-Einstellungen knüpft sie an die Filmsprache an. Durch die rhythmische Abfolge von stummen Panels entsteht eine Dynamik, die man sonst nur von From Hell kennt. Wie in Alan Moores Klassiker wird auch in Gift Historie buchstäblich „erfahren“ – zum Beispiel wenn man in einer Sequenz einem Einspänner folgt.
Fazit:
Gift ist schlichtweg ein für sich stehendes Meisterwerk der neunten Kunst. Die Parallelen zu Klassikern wie From Hell verweisen zwar auf eine Traditionslinie. Jedoch erweitern Meter und Yelin durch ihre Graphic Novel auf ihre eigene Weise erzählerisch und graphisch die Grenzen des Comics.

Gift
Autor der Besprechung:
Marco Behringer
Verlag:
Reprodukt
Preis:
€ 20
ISBN 10:
3941099418
ISBN 13:
978-3941099418
200 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

- Atemberaubende Schwarzweißzeichnungen: Licht, Hell-Dunkel und Gesichter
- Spannende und dicht erzählte Umsetzung eines historischen Kriminalfalls
- Preis-Leistung: 200 Seiten für 20 Euro
- Zusatzmaterial: historischer Überblick über die "Protagonisten"
- Parallelen zu "From Hell"


Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic | ||
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Rezension vom: | 03.04.2010 | ||||||
Kategorie: | One Shots | ||||||
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