„Billy the Cat“ gehört zu jenen frankobelgischen Comics der
frühen 90er Jahre, deren Vergessen kaum jemand bedauert hätte. Dass die Serie
jetzt, nach mehr als zwei Jahrzehnten im verlegerischen Nirwana, bei Ehapa als
Werkausgabe neu aufgelegt wird, ist sicherlich gut gemeint, macht den Comic
aber auch nicht zu einem Meisterwerk. Der Grundeinfall, an dem Desberg und
Colman sich mit bewundernswerter Konsequenz abmühen, ist, dass ein ungezogener
Bengel, dessen Haupthandwerk im Schikanieren anderer besteht, bei einem Unfall
ums Leben kommt, als niedlicher Kater wiedergeboren wird und, begleitet von dem
lebensklugen Kater Onkel Hubert und anderen skurrilen Tiergestalten, zahlreiche
mehr oder weniger aufregende Abenteuer erlebt, wobei er natürlich Stück für
Stück zu einem besseren Menschen (oder vielmehr Kater) wird. 1982 wurde die
Ursprungsgeschichte zum ersten Mal gezeichnet, allerdings kamen die 20 Seiten
damals nicht zur Veröffentlichung. Jetzt findet man sie, neben den ersten drei
regulären Alben der Serie „Katzenleben“, „Pirmins Schicksal“ und „Bruderliebe“,
im ersten Band der Werkausgabe von „Billy the Cat“, aber wirklich unterhaltsam
sind sie auch nach 35 Jahren nicht. Desbergs Erzählweise ist ungelenk und
sprunghaft, ohne packende Momente und, was für die Serie wohl die fatalsten
Auswirkungen hat, sie hat das humoristische Verfallsdatum ihrer Witze längst
überschritten. Was immer an satirischer Schärfe einmal in ihr enthalten gewesen
sein mag, ist heute abgestumpft und gegenstandslos (allein die magische Besserungspädagogik,
die dem Ganzen den Rahmen gibt, lockt heute niemanden mehr hinter dem Ofen
hervor). Wer etwa über die genauestens berechneten Kalauer in René Goscinnys „Lucky
Luke“ noch heute herzlich lachen kann oder Frankins „Gaston“ ein erkenntnisträchtiges
Lächeln abgewinnt ("Calvin & Hobbes" wollen wir als Vergleichgröße gar nicht erst heranziehen), wird an humoristischem Stumpfsinn à la „O sole Miau“, wie in
Desberg für das konfuse Album „Pirmins Schicksal“ ersonnen hat, keine rechte Freude
haben. Zeichner Stéphan Colman, der für die Serie immerhin seine Gesundheit ruiniert
hat, kann da auch nicht viel richten, zumal seine schrille, karikierende Zeichenkunst
mit den Jahren einigen Staub angesetzt hat und heute wohl im Hinblick auf den
übermächtigen André Franquin, an den Colman nirgends heranreicht, als epigonal
gelten muss.
All das scheint den französischen Herausgebern irgendwie
klar gewesen zu sein, sonst hätten sie dem ersten Band der Werkausgabe nicht ein
einführendes Vorwort im Umfang von mehr als dreißig Seiten beigegeben. Was
Didier Pasamonik da geschrieben hat, ist gewiss informativ und von großer
Sympathie insbesondere für Colman bewegt, es unterstreicht aber noch einmal die
Tatsache, dass „Billy the Cat“, wie so viele andere Fließbandserien dieser an
Fließbandserien nicht armen Zeit, ein Museumsstück ist, dass für die hübsche Edition
im Hardcover weit eher geeignet ist als für die Leserinnen und Leser des Jahres
2017.
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