Es war vermutlich bloß eine Frage der Zeit, bis der DC-Verlag versuchen würde, der von Alan Moore und Dave Gibbons ins Leben gerufenen Serie im gewissen Sinne eine Frischzellenkur zu verpassen. Schon lange war im Gespräch den 1986 erschienenen Meilenstein der Comic-Geschichte mit einer Art von Fortsetzung zu beehren. Schon 2010 wurden dahingehende Hinweise konkreter und jetzt, zwei Jahre später, hat DC-Comics in einer Pressemeldung seine Pläne offenbart. Sieben neue Serien, allesamt im Rahmen der in Watchmen etablierten Welt angesiedelt, sollen die inzwischen berühmten Charaktere näher beleuchten. Zu diesem Zweck wurden einige namhafte Talente verpflichtet, darunter die Autoren Brian Azzarello, Darwyn Cooke, J. Michael Straczynski und Len Wein sowie die Zeichner Lee Bermejo, Amanda Conner, Adam Hughes, J.G. Jones, Andy Kubert, Joe Kubert und schließlich Jae Lee.
Das Projekt soll unter dem unter dem Namen Before Watchmen in den Handel kommen und umfasst die Serien:
Silk Spectre Ozymandias Nite Owl Dr. Manhattan Comedian Rorschach und Minutemen
Zusätzlich erscheint die fortlaufende Geschichte "The Curse of the Crimson Corsair" als Back-Up-Story in den einzelnen Serien. Die Erscheinungsweise der Before Watchmen-Ausgaben wird in einem wöchentlichen Rhythmus erfolgen, insgesamt wird das Ereignis ab dem Sommer 2012 über 35 Wochen laufen.
Das ganze Projekt ist nicht unumstritten. Am allerwenigsten bei Alan Morre, dem Schöpfer von Watchmen selbst. Dieser bezeichnete die Veröffentlichung einer Fortsetzung zu seinem Kultklassiker durch DC-Comics als komplett schamlos. Er nehme diese Entwicklung als Hinweis darauf, dass der Verlag wohl offensichtlich noch von Ideen abhänge, die Moore vor 25 Jahren entwickelte. Schon oft hat sich der berühmte Autor eher abfällig zu dem Thema geäußert und inzwischen sei Watchmen für ihn nicht mehr eine stolze Erinnerung an seine Rolle bei der Weiterentwicklung des Mediums Comic. Statt dessen werde er eher an die drakonischen Verträge von damals erinnert, die er im Jahre 1980 mit DC-Comics unterzeichnete und die ihm letztlich wenig Kontrolle über die eigenen Kreationen verliehen.
Über die Jahre sei der Verlag immer wieder an den Autor herangetreten, um seine Zustimmung zu einer Fortsetzung zu Watchmen zu bekommen. Alan Moore lehnte diese Ansinnen jedesmal ab. Gegen Before Watchmen werde der Autor nichts unternehmen, da er fürchtet mit einer Batterie von Anwälten konfrontiert zu werden. Er möchte kein Geld, so der Autor, sondern das dies Projekt einfach nicht geschieht.
Auf der anderen Seite stehen Dan Didio und Jim Lee, die Co-Herausgeber von DC-Entertainment (welches sich kürzlich erst ein neues Logo spendiert hat). Nach ihrer Auffassung sei es nach 25 Jahren an der Zeit neue Geschichten über die klassischen Charaktere herauszubringen. Zu diesem Schluss dürfte nicht unwesentlich beigetragen haben, dass die Graphic Novel Watchmen weiterhin zu den Bestsellern des Verlages gehört und ihr Einfluss weit über die Grenzen des Medium Comics hinausgeht. Nicht zuletzt konnte man 2009 die Watchmen auch im Kino bewundern, wenn auch nicht mit dem vom Studio vielleicht anvisierten Erfolg.
Etwas trockener fasst es am Ende dann doch wieder Alan Moore zusammen, der meint durch den Schritt von DC-Comics sei das Argument geschwächt, das Comics eine authentische Form von Literatur seien. Soweit er wisse, so Moore, gab es auch recht wenig Prequels oder Sequels zu Moby Dick.
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