The Boys – Liebe Becky

The Boys – Liebe Becky

The Boys ? Liebe Becky

Story:

Zwölf Jahre sind seit den Aktivitäten von Butcher und seinen Boys vergangen. Wir treffen Hughie und Annie, die einzigen Hauptfiguren, die die ursprüngliche Serie überlebt haben, im Jahr 2020 in Schottland wieder, wo sie sich in das Haus von Hughies Kindheit zurückgezogen haben. Alles ist ruhig, bis ein mysteriöses Paket mit dem alten Tagebuch von Billy Butchers Frau Becky im Haus ankommt, ohne einen Hinweis darauf, wer es geschickt hat. Als Hughie das Tagebuch liest, das Butcher benutzt hat, um Becky nach ihrem Tod einen Brief zu schreiben, schickt es Hughie auf eine Reise, um erstens herauszufinden, wer ihm das Tagebuch geschickt hat und zweitens um zu verhindern, dass Hughie in Butchers und seine eigene blutgetränkte Vergangenheit zurückfällt.  



Meinung:

Bei der Verlagsankündigung von Panini zu „Liebe Becky“ musste ich mir erstmal die Augen reiben. Eine Fortsetzung oder Vorgeschichte zu „The Boys“. Ich hatte eigentlich gleich ein ungutes Gefühl. Den ursprünglichen Comic von Garth Ennis hate ich für begnadet. Die Serie auf Amazon Prime erfüllt das, was man von diesen Serien erwarten darf – nämlich nichts Gutes. Ich hätte auf mein Bauchgefühl hören sollen.
Diese 8-teilige Miniserie von Garth Ennis und Russ Braun, mit Covern von Darick Robertson, ist eine kombinierte Fortsetzung/Prequel zu „The Boys“ und seiner ausufernden, vernichtenden, ultra-blutigen Kritik an amerikanischen Mainstream-Comics und Politik. 
Von der Handlung her dient der Brief jedoch dazu, eine Rückblende in die 1990er Jahre einzubauen, damit wir sehen können, was die Boys in den Tagen vor Hughie so getrieben haben. Und genau hier stößt die Serie „Liebe Becky“ auf Probleme. Eine Stärke von „The Boys“ war die Wut auf die amerikanische Politik nach 9/11 und wie sie den Zustand der Mainstream-Comic-Industrie prägte. Schließlich hatte es nur ein paar Jahre gedauert, bis sich die Comics von den modernen, eher liberalen Ideologien, die die besten Ausgaben von Vertigo kennzeichneten, abwandten und sich dem militärisch-industriellen so genannten amerikanischen Exzeptionalismus anschlossen, der die Präsidentschaft von George W. Bush stützte. Wenn Ennis im Jahr 2020 über die 1990er Jahre schreibt, hat das nicht mehr denselben Biss. Wieder einmal sehen wir, wie die Boys ein Superteam auseinandernehmen, wenn auch diesmal ein britisches, das aus Antihelden besteht.
Das Artwork von „Liebe Becky“ ist zumindest der einzige Aspekt, für den das ewige Gefühl des Wiederholens nicht gilt. Brauns überlebensgroßer Überschwang porträtiert die Superhelden in „Liebe Becky“ als prunkvolle Monster, die es schaffen, gleichzeitig beängstigend und lächerlich zu sein. Braun vermittelt auch den allmählichen Einfluss der Zeit auf vertraute Gesichter - die Weichheit um den Kiefer, die zusätzlichen Falten, das jugendliche Funkeln in den Augen, das zu einem sanften, wissenden Glanz milder wird - auf eine Weise, die einen daran erinnert, wie viel Zeit vergangen ist, seit wir Hughie und seine Freunde gesehen haben. Die Zeichnungen sind der Pluspunkt des Bandes.
Das schlimmste ist wohl, dass „Liebe Becky“ dem Grundtenor der ursprünglichen Serie widerspricht. Denn eine Idee von „The Boys“ war, dass seine Superhelden eine künstlich verlängerte Lebensdauer hatten, was ein Zeichen für ihre monströse, unmenschliche Natur war. Damals spiegelte dies die Publikationspraxis der großen Comicverlage. Beispiel Batman, der weit über 100 Jahre alt wäre, stattdessen aber auf ewig in seinen späten 1920ern/frühen 1930ern feststeckt, weil DC es so will. Nichts darf jemals sterben. Genauer gesagt, nichts in Comics darf einen Lebenszyklus erleben, der endet. „Liebe Becky“ macht „The Boys“ zu einem Teil davon.



Fazit:

„Liebe Becky“ ist etwas für Komplettisten. Wer einfach „The Boys“ für eine coole Serie hält, sollte die Finger davonlassen. Der Grundton vom Ursprung wird nicht gehalten, Aussagen verfälscht und alles wirkt auf mich wie ein weiterer Versuch, dem Sammer/Leser noch ein paar Euro aus der Tasche zu ziehen. Fünf von zehn Supercapes.