Prodigy

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Prodigy

Story:

Edison Crane ist ein echter Wunderknabe („Prodigy“ heißt auf Deutsch „Wunderkind“) – ein Superheld. Er rettet die Welt, komponiert dabei im Vorbeigehen eine klassische Ouvertüre für ein Festival und besteht die gefährlichsten Stunts. Neue Techniken oder neues Wissen kann er sich so schnell aneignen, wie kein anderer Mensch. Seine Hilfe wird besonders gefordert, als es in Australien zu merkwürdigen Materialisationen kommt. Menschen von einer Erde in einem parallelen Universum versuchen die Dimensionen zu durchbrechen, um sich die gute alte Erde zum Untertanen zu machen. Eine echte Aufgabe für den neuen Superhelden.



Meinung:
Der neue Band von Megastar Mark Millar ist vor allem eines: ein wilder Ritt. Auf den ersten 15 Seiten entscheidet der 11-jährige Edison Crane eine Polomeisterschaft für sein Team, muss sich dann gegen die bloßgestellten 17-jährigen Kollegen zur Wehr setzen, führt in seinem Kinderzimmer eine komplizierte Herzoperation aus und springt mit einem Motorrad in eine lebende Fackel verwandelt über den Grand Canyon, um punktgenau in einem kleinen Plantschbecken zu laden. Chapeau!
Dem Leser wird bei so viel Energie ganz schwindelig und in diesem Stil geht die wilde Achterbahnfahrt auch weiter. Das ist natürlich höchst unterhaltsame Comiclektüre, birgt allerdings auch eine Gefahr in sich. Denn vor lauter Action kann dem Leser schon mal schwummerig werden. Allerding bleibt bei der Geschwindigkeit der Erzählung auch einiges auf der Strecke, wie ich feststellen musste.
Denn ich konnte die Lektüre des Bandes nicht in einem Rutsch genießen und musste kurz unterbrechen – für zwei Tage. Als ich nach zwei Tagen wieder auf der entsprechenden Seite neu einsteigen wollte, habe ich keinen Zugriff auf die Handlung gehabt. Ich kam mir ein bisschen so vor wie der Trottel, der eine Party verlässt, weil er noch was Dringendes erledigen muss und wenn er nach drei oder vier Stunden wieder zurückkommt, stellt er fest, dass alle schon betrunken sind und er keinen Anschluss mehr findet. Da hilft nur eines: noch mal von vorne anfangen.
Die Charaktere von Millar sind nicht tief und hinterlassen keinen bleibenden Eindruck. Was sich bei „The Magic Order“ angedeutet hat, setzt sich bei „Prodigy“ fort. Seine sonst sehr ausgereiften Erzählungen müssen einer Fernsehserientauglichkeit weichen. Ich ärgere mich ein bisschen darüber, dass ich jemals von dem Deal zwischen Netflix und Millar gehört habe. Jetzt habe ich nämlich den Eindruck, dass seine Stoffe vor allem serientauglich sein sollen. Wobei Millar bei „Prodigy“ nicht zimperlich ist. Der Verlag empfiehlt den Band erst für Leser ab 18 Jahren. Und das ist auch gut. Denn Szenen, in denen auf Kinder Jagd gemacht wird, die wie Tiere durch einen Wald getrieben werden und zur Freude einer dekadenten reichen Schicht zum Abschuss freigegeben werden, sollten keine Jugendlichen lesen.
Grafisch wurde der Band umgesetzt von Rafael Albuquerque, der u.a. aus der Serie „American Vampire“ bekannt ist. Seine Linienführung ist professionell und er schafft den würdigen Rahmen. Wenn ich ganz ehrlich bin, sind es seine Zeichnungen, die dazu führten, dass ich diesen Band unbedingt haben wollte



Fazit:
Eine spannende Erzählung, in rasantem Tempo erzählt. Ein wenig mehr Tiefgang bei den Charakteren wäre schön. Als musikalische Untermalung habe ich beim Lesen Rammstein gehört.