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georg_tempelDer Schwarm entscheidet

Wie heißt es in Wikipedia, dem Bewusstsein der digitalen Menschheit: „Crowdfunding gilt eher als Variante für die Finanzierung von Nischen-Projekten.“ Bedeutet das nun, dass der Carlsen Verlag mit seinem neugestarteten Crowdfunding-Projekt Graphic/atessen (s.a. die News) Projekte an den Leser bringen möchte, die entweder die Masse der potenziellen Käufer kaum oder gar nicht interessieren oder sich vom Verlag nicht ordentlich rechnen lassen? Hier versucht offensichtlich einer der Big Player im deutschen Comicgeschäft, das verlegerische Risiko zu minimieren, da sich anscheinend die Verkäuflichkeit bestimmter Projekte nicht mehr einschätzen lässt. Mit Mut hat das meiner Ansicht nicht mehr viel zu tun, wenn man – getarnt als Schwarmfinanzierung – Projekte zur Abstimmung ins Netz stellt. Sicher ist Carlsens Finanzierungspartner Startnext, lt. eigener Aussage, „die größte Crowdfunding-Community im deutschsprachigen Raum“, aber kann die geballte Kommunikationsleistung der beiden Akteure so stark sein, dass sich die Interessenten auf die Seite begeben, um ihren Obolus zu entrichten und das Projekt zur Realisierung zu bringen. Ich wage das zu bezweifeln. Und die Zahl der Unterstützer, die die beiden aktuellen Versuche mit klingender Münze finanzieren wollen, hält sich in sehr engen Grenzen. Zumindest konnte die Comic-Koch-Box gerade mal 4% des benötigten Betrags zusammenbringen, wird also nicht realisiert, und auch für Alisiks wunderbare Welt im Luxus-Schuber sieht es Stand heute (5.10.2015) eher mau aus. Da muss man sich die Frage stellen, ob Graphic/atessen nicht schon von vorneherein eine Todgeburt ist.

Möglicherweise nimmt man einem großen Verlag wie Carlsen, der zu einem internationalen Konzern gehört, unter dessen Dach sich so angesehene Verlagshäuser wie Piper, Ullstein oder Lappan tummeln, nicht ganz ab, dass er dieses Crowdfunding nötig hat. Ich schätze, dass im Bewusstsein der Öffentlichkeit die Begriffe Crowdfunding und Startup oder aufstrebender Künstler zusammengehören, aber nicht Crowdfunding und führender Verlag in Deutschland. Meines Erachtens nach gehört zu einem emotionalen Produkt wie Comics auch eine gewisse Sympathie für den Künstler. Wahrscheinlich wäre der geneigte Finanzierer eher bereit, den Zeichner direkt zu unterstützen als einen Verlag, von dem man annimmt, dass er in Kohle schwimmt. An dieser Stelle könnte sich die Katze in den Schwanz beißen.

Im November, wenn die nächsten Projekte an den Start gehen, wird man sehen, wohin der fremdfinanzierte Weg führen wird. Ob die Zeit schon reif ist, dass man den eher konservativen Comic- bzw. Graphic Novel-Leser dazu bringt, mögliche Projekte zu finanzieren, dann den vorhandenen Comic kaufen oder bestellen zu können.

In Vertretung
Georg F.W. Tempel
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Special vom: 01.11.2015
Autor dieses Specials: Georg F. W. Tempel
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Editorial von Georg F. W. Tempel
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