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XIII - Die Gesamtausgabe
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XIIIEine raue Küste. Wellen klatschen gegen die Felsen, auf denen ein Angler steht und sein Glück versucht. Aus dem Haus im Hintergrund hört man den Ruf, dass das Essen fertig sei. Ein Hund betritt die Szene, wirkt unruhig, verstört. Es sind weder das folgende Essen, noch die potenzielle Jagdbeute des Anglers, die das Tier so aufscheuchen. Es führt seinen Besitzer ein paar Schritte abseits zu einem Stein, auf dem ein menschlicher Körper liegt, unrasiert, zerrissenes Hemd, mehr tot als lebendig. Aber immerhin noch lebendig. So beginnt einer der wohl erfolgreichsten Comicserien der letzten 30 Jahre: XIII.

Ausgedacht hat sich diese Geschichte der belgische Künstler Jean Van Hamme. Er gehört zu den streitbarsten Szeneristen des franko-belgischen Raums. Von den einen als Mann der Stereotypen verschrien, von den anderen als Wiederbeleber klassischer europäischer Crime-Storys gefeiert. Kunst oder Kitsch? Van Hamme ist seitdem er Szenarios für Zeichner schreibt ein Pendler zwischen den beiden Polen gewesen. Unterm Strich bleibt ein Konglomerat an höchst erfolgreichen Comicgeschichten. Zum 30-jährigen Bestehen seiner Serie XIII legt der Carlsen Verlag nun eine bibliophile Gesamtausgabe vor.

jean_van_hammeDer Geschichtenerzähler
Van Hamme wurde am 16. Januar 1939 in Brüssel geboren. Und es war der liberalen Einstellung seines Vaters zu verdanken, dass er den Weg zur 9. Kunst fand. Denn ihm wurde erlaubt, was auch in Belgien unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg keine Selbstverständlichkeit war, seinen Lesedurst mit dem Magazin Tintin zu stillen. Mit sieben Jahren begann seine Liebe zu Comics, als er im Oktober 1946 in eben dieser Zeitschrift Edgar P. Jacobs' Geschichte Kampf um die Weltverfolgte. Zehn Jahre später war es dann wieder ein Blake und Mortimer-Abenteuer, Das Geheimnis von Atlantis, das seinen Wunsch, Comics zu schaffen, verfestigte. Diese Liebe zum englischen Professor und zum Mitarbeiter des Secret Service wird auch Jahrzehnte später nicht ohne Folgen bleiben.

Zunächst aber schien sein Lebenslauf in eine ganz andere Richtung zu deuten. 1962 schloss er sein Studium der Wirtschaftswissenschaften ab, war von 1965 bis 1968 für USS Chemicals tätig und wechselte danach zum Philips-Konzern. Eine Karriere in einem der international tätigen Großkonzerne schien ihm sicher zu sein. Wäre da nicht seine Kreativität gewesen, die Van Hamme in eine ganz andere Richtung zog.

Schon zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn arbeitet er nebenher für Comicverlage, größtenteils als Übersetzer amerikanischer Stoffe.
Eigene Geschichten wurden ihm bisher alle dankend zurückgeschickt.
Der erste vielversprechende Anknüpfungspunkt bietet sich Van Hamme 1966, als er Paul Cuvelier kennenlernt, der damals bereits mit seiner Serie Corentin (dt. bei Salleck Publication, 2000) Erfolg hat. Der Legende nach verliebt sich der Nachwuchskünstler in eines von Cuveliers weiblichen Models und bittet den Zeichner, sie unter der Bedingung heiraten zu dürfen, dass Van Hamme ihm im Gegenzug eine erotische Geschichte schreibt. Das ist die Geburtsstunde von Epoxy (dt. u.a. bei Alles Gute, 2003).
Zwar bleibt der kommerzielle Erfolg aus, aber Van Hamme hat seinen Einstieg ins Comicmetier. Die Zusammenarbeit für zwei weitere Corentin-Geschichten wird vereinbart, der Lombard Verlag ist einverstanden, und Van Hamme wird neben seiner Arbeit für Philips freier Szenarist. Seine Skripte schreibt er nach der Arbeit oder auf seinen Geschäftsreisen.

XIII_2Mit seinen Corentin-Geschichten im Rücken versucht er erneut, den Chefredakteur von Tintin, Greg, von seinen Szenarien zu überzeugen. Dieses Mal hat er eine Story über ein im südamerikanischen Dschungel abgestürztes Flugzeug unterm Arm.
Wir schreiben mittlerweile das Jahr 1970 und endlich, wenn auch nach anfänglichem Zögern, greift Greg zu. 1975 erscheint in Tintin 24 bis 35 die Geschichte Histoire sans héros (dt. erschienen 1981 bei Ed. Becker & Knigge Abenteuer ohne Held und 1993 bei Carlsen als Band 10 der Reihe Die großen Abenteuer Comics – Verloren im Dschungel).
Das erste eigenständige Szenario gewinnt auf Anhieb einen Preis: den Prix Saint-Michel für das beste realistische Skript. Von diesem Erfolg beflügelt, kündigt Van Hamme 1976 seine feste Stellung bei Philips, um sich in das Wagnis freier Schriftsteller zu stürzen.

Sein erstes Romanprojekt, Largo Winch, war von so mäßigem Erfolg, dass die Reihe bereits nach wenigen Bänden wieder eingestellt wurde. Es muss für den 37-jährigen ernüchternd gewesen sein. Er kam zu dem Schluss, dass er stattdessen auf Altbewährtes setzen sollte und wandte sich wieder dem Comicgenre zu. Mit Edouard Aidans entstand für ZACK die Serie Tony Stark.
Allerdings war Aidans so sehr darauf bedacht, Stark als seine Kreation zu verkaufen, dass Van Hamme als Autor nicht genannt wurde. Ein weiteres Projekt war die Anfang 1978 mit Dany realisierte Serie Arlequin (dt. Der Joker, 1988 Carlsen und 2001 Kult Editionen). Die Reihe kam aber nur auf insgesamt drei Bände und erlebte ihre letzte Veröffentlichung in der der Nummer 27/84 von Tintin. Serien wie Arlequin gaben der Kritik an Van Hamme, er liefere ausschließlich leichte und konsumgerechte Kost, ihre Argumente. Denn der Action-Comic bestach weniger durch eine raffinierte Erzählweise, sondern durch flotte Sprüche und einem sich nie irrenden Helden.

Weiter geht es in ZACK # 195 ...

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Special vom: 19.08.2015
Autor dieses Specials: Bernd Hinrichs
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Editorial von Georg F. W. Tempel
Das Schloss in den Sternen
Das Allerletzte
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