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Interview mit Kristina Gehrmann
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workspaceHallo Kristina, die „Franklin Expedition“ steht im Mittelpunkt deiner Graphic Novel „Im Eisland“. Wie bist Du auf diese Thematik aufmerksam geworden?
Das war 2012, durch Stöbern in Wikipedia – so habe ich die Geschichte erstmals ganz gelesen. Ein Bild der Eismumie von John Torrington habe ich jedoch schon früher gesehen, in einem Kinder-Sachbuch über Mumien, wahrscheinlich in den späten Neunzigern. Schon damals habe ich mich gefragt, unter welchen Umständen dieser junge Mann wohl gestorben war.

Die Veröffentlichung ist dein erster selbst verfasster Comic. Wann bist Du zum ersten Mal mit diesem Medium in Kontakt gekommen?
Ich bin hauptsächlich mit frankobelgischen Comics aufgewachsen: Lucky Luke, Tim & Struppi, Asterix, Gaston, Iznogud, Spirou und Fantasio, und Yoko Tsuno (damals die einzige weibliche Hauptperson, die ich kannte, die tatsächlich die Geschichte macht, und nicht nur dekoratives Element oder romantische Beute ist – die hat einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen!) Auch einige amerikanische Comics (Peanuts, Garfield, Don Rosa, Carl Barks) habe ich schon immer gern gelesen, und als Teenager habe ich japanische Comics entdeckt.
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Aus welchem Grund stellt die Graphic Novel bzw. der Comic für Dich die passende Basis für die Erzählung dar?
Normalerweise, wenn ich ein Thema faszinierend finde, reicht es, wenn ich mich in ein paar Illustrationen dazu austobe. Aber hier hat das nicht gereicht. Ich wollte die komplette Geschichte erzählen. Anfangs hatte ich mich sogar davon abgehalten. Ich hatte ja kaum Erfahrung mit dem Comiczeichnen, und überhaupt wäre das Projekt viel zu groß für einen Anfänger wie mich. Aber die Motivation war stärker. Die Geschichte musste raus! Außerdem hatte ich Ersparnisse für einige Monate, von denen ich leben konnte, während ich zeichne. Also sagte ich mir, mach doch erstmal nur einen Comicband, und dann kannst du ja sehen, ob das funktioniert. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Du nimmst Dir bei der Erzählung viel Zeit für die einzelnen Figuren.  Siehst Du mehr die handelnden Personen im Mittelpunkt der Geschichte oder die Expedition als Ganzes?
Jede Geschichte lebt von den Personen, die sie vorantreiben, das ist bei Comics genauso wie bei Romanen. Man kann die Geschichte nicht erzählen, ohne die Beweggründe und Aktionen der Personen zu zeigen, daher stehen diese notwendigerweise im Mittelpunkt.  

Wie schwierig war für dich der Einstieg, gerade weil die Story um die „Franklin Expedition“ kein offenes Ende mehr hat?
Im Grunde hat die Franklin-Expedition immer noch ein offenes Ende, denn wir wissen ja längst noch nicht, wer nach 1848 was getan hat, und möglicherweise wird die Untersuchung der kürzlich entdeckten Erebus mehr Fragen als Antworten aufwerfen ... Das viele Lesen und Recherchieren war teilweise verwirrend, wenn sich einige Details widersprachen oder verschiedene Autoren verschiedene Theorien zur Erklärung des Desasters hatten. In meiner Geschichte habe ich mich für den Verlauf der Ereignisse besonders an der Theorie des Autors David Woodman in Unravelling the Franklin Mystery: Inuit Testimony orientiert. bild02

Du führst sehr viele Quellen im Anhang des ersten Bandes auf. Wie sehr hältst Du Dich an den realen Ablauf der Reise und wo nimmst Du Dir erzählerische Freiheiten heraus?
Geschätzt etwa halb-halb. Ich wollte möglichst viele bekannte Fakten und Theorien in die Geschichte mit einbeziehen. Das meiste, was bekannt und gesichert ist, habe ich in die Geschichte eingearbeitet. Aber warum etwas passierte, oder wie es dazu kam, ist oft ungeklärt. Da muss man einen halbwegs plausiblen Grund erfinden.

Deine Zeichnungen sind klar am Manga angelehnt. Das überrascht etwas, wenn man sich deine sonstigen Illustrationen anschaut. Daher die Frage, warum „Im Eisland“ gerade in diesem Stil grafisch umgesetzt wurde?
Meine momentanen Lieblingscomics haben mich als Vorbilder geprägt: Uzumaki, Gyo, Death Note, Wa ga na wa Nero, Vinland Saga – alles Manga (und noch weitere). Ich finde es faszinierend, wie sehr im Manga auf atmosphärische Dichte, Emotionen, und Drama Wert gelegt wird, und wieviel Stimmung in Schwarzweiß erzeugt werden kann, und genau das wollte ich in meiner Geschichte auch ausprobieren.
Die Entscheidung, einige Gesichter im Manga-Stil zu zeichnen, erschien mir praktisch, da meine vielen Hauptpersonen fast alles weiße Männer sind, die zu allem Überfluss noch ähnliche Kleidung tragen, und da wird es sehr trickreich, sie so zu zeichnen, dass man sie sofort auseinander halten kann.
Für einige Leser ist die Stilmischung (die ich bereits von anderen Mangas gewohnt bin) anscheinend verwirrend, aber ich konnte mich nicht strikt an eine „Manga“-Schublade oder „Graphic Novel“-Schublade halten, denn keine davon fand ich für diese Geschichte passend. Eigentlich ist es mir auch egal, wie man „Im Eisland“ kategorisiert. Für mich sind alles Comics.

Du beziehst Dich bei deinen Illustrationen und in der Graphic Novel besonders auf historische Ereignisse? Was ist der Reiz daran?
Dass das wirkliche Leben die interessantesten Geschichten schreibt! :)

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"Im Eisland“ hast du im Alleingang verfasst und gezeichnet. Es gibt die Diskussion, dass es für Erzählungen im Comic mitunter besser ist, wenn ein Zeichner/Autoren-Team an einer Geschichte arbeitet. Wie stehst Du zu diesem Thema?
Tolle Comics wurden von sowohl von Teams als auch im Alleingang gezeichnet; offensichtlich kann beides super funktionieren.
Ich würde sehr gern einmal mit einem Autor zusammenarbeiten, allerdings wäre es schwer, jemanden zu finden, der mir genau die Geschichte schreibt, die ich zeichnen will. Mit Sicherheit müsste ich ihn oder sie dann bezahlen, und das ist im Moment leider nicht drin … Außerdem schätzen auch Autoren ihre künstlerische Freiheit, und ich fürchte, ich wäre ihnen eine Diktatorin, die ihnen jedes Detail der Geschichte vorschreibt – da habe ich eigentlich keine Wahl, als es selber zu machen ;) Gerade so eine Geschichte, die mich nicht loslässt, ist ja meine primäre Motivation zum Zeichnen.

Die drei Teile erscheinen in einen relativ kurzen Zeitrahmen. Was kommt danach? War dies ein einmaliger Ausflug ins Comic / Graphic Novel Genre? Gibt es weitere Ideen?
Ich hatte „Im Eisland“ als einmaligen Ausflug in Richtung Comics geplant, aber jetzt, da ich merke, dass ich doch besser Comics zeichnen kann als gedacht, überlege ich, noch ein Projekt in Angriff zu nehmen. Ich würde sehr gern ein farbiges Album versuchen, kann mich allerdings noch nicht für eine Geschichte entscheiden.


Homepage Kristina Gehrmann
"Im Eisland" beim Hinstorff Verlag

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Special vom: 09.04.2015
Autor dieses Specials: Christian Recklies
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Leseprobe
Rezension "im Eisland " Band 1
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